sciencegarden Blog-Archiv - 2007
Verlage bedrohen die Buchkultur
In meinem Briefkasten lag heute kostenfrei ein Buch, das mir der Verlag zusendet mit der Bitte, Feedback zu geben. Verlage wenden sich an Dozenten, weil die Multiplikatoren sind. Das ist gängig und kein Problem. (Warum sollen nur Journalisten Bücher geschenkt bekommen?) Aber langsam platzt mir der Kragen: Gerade die Fachverlage schaffen ihre Lektorate ab, und was man dann zu lesen bekommt, das ist von seiner Form und Stilistik katastrophal. Nun liegen diesen Büchern Fragebogen des Verlages bei: "Wo werden Sie dieses Buch einsetzen?" Ich möchte an alle Verlage ohne Lektorat zugleich verkünden: ICH VERWENDE DIESE BÜCHER GAR NICHT. Der Bildungsauftrag der Dozenten besteht darin, Studierende vor diesen "Fachbüchern" zu schützen. Wer nicht richtig zitieren kann, sollte lieber nicht schreiben. Wer Kurzliteraturhinweise benutzt, die im Literaturverzeichnis nicht zu finden sind, kann sich die Quellenangabe gleich sparen. Wenn Verlage tatsächlich die improvisierten Grafiken der Autoren gleich abdrucken, ohne diese in die Hände von Grafikern zu geben, dann kann dabei nichts rauskommen. Die Misere ist aber keine, die die Autoren verursachen. Gerade in der Wissenschaft gilt: Verständlich schreiben können die Autoren nur selten. Es gibt Verlage überhaupt nur deshalb, weil das Büchermachen zwangsläufig eine Koproduktion ist: Autoren, Verleger, Lektoren, Vertrieb, Buchhandelsvertreter, Buchhändler. Der ärgerliche Mist, der sich zwischen Buchdeckeln auch ehemals renommierter Verlage findet, bedroht inzwischen die ganze Branche. Diese Druckerzeugnisse unterschreiten von der Form das Niveau von Vordiplomsarbeiten. Hausarbeiten mit einer solchen Zahl an Fehlern, müsste ich mit "mangelhaft" bewerten. Wie soll man mit solchen Büchern lehren? Warum dafür noch Geld bezahlen? Den Verlagen scheint die Gefahr noch nicht bewusst zu sein: Warum sollten Autoren nicht zukünftig einen freien Lektor bezahlen und ein ordentlichen pdf selbst online stellen? Das ist billiger als die Druckkostenzuschüsse und es ist besser im Ergebnis. Nicht das Fernsehen und das Internet bedroht die Buchkultur, sondern Verlage, die "Produktmanager" statt Lektoren beschäftigen. Dabei heraus kommen leider nur schlechte Produkte, aber nicht mehr gute Bücher.
Kant? Nie gehört ...
Das letzte Aufbegehren?
In Venezuela protestieren Zehntausende von Menschen gegen die Angriffe des Präsidenten Hugo Chávez Frías und dessen Anhänger auf die Pressefreiheit und die bürgerlichen Grundrechte: An vorderster Stelle die Studentenverbände, die sich gegen die sich immer autoritärer gebärende Regierung zur Wehr setzen wollen. Peu à peu wurde in den vergangenen Jahren die Autonomie ihrer Hochschulen beschnitten. Nun droht eine neue Verfassung die ganze Gesellschaft in ein enges Korsett zu fassen. Die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, wie sie die jetzige Verfassung erfordert, wurde von Chávez bewusst unterlassen. Eine demokratische Debatte um die Zukunft des Landes soll vermieden werden. Die "Reformen" der Verfassung lassen nicht nur die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten zu, sondern statten ihn im Ausnahmezustand, den er selbst bestimmt, mit beinahe allumfassenden Vollmachten aus.
Chávez hat die Salamitaktik perfektioniert. Nach seinem 1992 gescheiterten Putsch hat er gelernt, wie er mit Zuckerbrot und Peitsche in dem trotz und gerade wegen seines Ölreichtums verarmten Landes sich satte Mehrheiten sichern kann. Demokratische Prinzipien werden scheibchenweise aber genau berechnend außer Kraft gesetzt. Der Dummheit der Opposition, die letzte Wahl zu boykottieren, verdankt der Führer in den "Sozialismus des 21. Jahrunderts" ein widerspruchsloses Kopfnicker-Parlament. Auf der Straße sorgen nicht nur ideologisch militarisierte "Chavistas" für die Einschüchterung des politischen "imperialistischen Feindes". Im Fernsehen überträgt nur noch ein Oppositionssender, dessen Schließung schon mehrfach von "bolivarischen Kreisen" gefordert wurde. Langsam aber sicher wird der Demokratie der Todesstoß gegeben.
Die Studierenden, die sich zur Verteidigung eines demokratischen, rechtsstaatlichen und pluralistischen Venezuelas in Caracas und woanders in den Straßen versammeln, werden vom Innenminister als "Faschisten" beschimpft, als "fünfte Kolonne der Imperialisten". Solche Töne klingen vertraut, und sie lassen Böses ahnen. Im Zuge der Protestmärsche der vergangenen Tage wurden mehr als dreißig Studierende festgenommen, zwanzig verletzt, wenigstens zwei Todesopfer sind zu beklagen.
Wo bleibt eigentlich hier die internationale Solidarität, die viele leichtfertig Chávez entgegenbringen? Wie oft noch muss die "Bolivarische Revolution" ihr wahres Gesicht zeigen, damit auch der Letzte begreift, dass nicht Emanzipation, sondern Autoritarismus, nicht Solidarität, sondern Repression, nicht Demokratie, sondern Alleinherrschaft ihre Ziele sind?
Tratschwellen schädigen das Nervensystem
für Petra, Sandra, Stefanie ...
Die ganze Welt ist von der Beschleunigung erfasst ... die ganze Welt? Nein! Eine von unbeugsamen Persionären besetzte Sportstätte hört nicht auf Widerstand zu leisten: das öffentliche Schwimmbad. Für Familien gibt es Event-Bäder. Für richtige Männer Hanteln oder Downhill-Bikes. Aber wohin mit den schönen, kultivierten jungen Damen (also die mit chronischen Rückenproblemem)? Die wollen schwimmen, aber leider an dem Ort, an dem Pensionäre baden wollen. Die einen befeuchten die Haut unterhalb des Halses, die anderen wollen ihre Rückenmuskulatur stärken. Das ist etwa so, als würde die Bundesbahn alte Dampflogs und ICE zugleich einsetzten wollen. Nichts ist gesünder als schwimmen -- aber nichts ist widerständiger als Pensionäre. Nichts ist also gesünder als schwimmen -- aber nur für die Pensionäre. Diskutieren zwecklos. Sieben Mal pro Woche von sieben bis neun, sonst werden die krank und vereinsamen (oder umgekehrt). Würden sie weichen, die Welt würde noch schneller. Die jungen Damen müssen es als ZEN-Meditation nehmen, sonst droht Gefahr für Leib und Seele. Nicht aufregen! Die Schwimmbäder könnten aber Warnschilder aushängen: Vorsicht Tratschwellen ...Blog-Portal "Wissenschafts-Café" hat eröffnet
Managementkompetenz, lieber nicht
Fürs Leben lernen 1: Poker
Warum Management-Kompetenz für Wissenschaftler notwendig ist.
Weiß ist das neue Silber
Von meinem Küchenfenster aus schaue ich auf einen Parkplatz. Die letzten Jahre waren die meisten Automobile, die dort standen, silbern. Ein silbernes Auto symbolisierte lange die deutsche Variante der Feigheit. „Da macht man nichts falsch!“ Der Widerverkaufswert sei höher. (Das war der Grund und leider nicht der legendäre Silberpfeil.) Eine Frage der Ästhetik wird also im Lande Friedrich Schillers wieder einmal durch Nützlichkeitserwägungen verhunzt. Meine Eltern wollten vor zwei Jahren einen weißen VW Polo verkaufen. Jeder zweite Anrufer sagte: Nein, ein weißes Auto käme nicht in Frage. Der Wagen ging also unter Wert weg. Jetzt blicke ich auf den Parkplatz und sehe immer mehr weiße Autos. Die Autoverkaufsshows haben den Trend angekündigt: Weiß ist das neue Silber – und zwar bei Limousinen! Ich sah schon: einen Scheingeländewagen von Porsche in weiß, einen großen BMW-Komi, sogar einen großen Mercedes. In Südeuropa fahren die kleinen Leute weiße Kleinstwagen, es ist heiß dort. Aber große Autos haben Klimaanlagen, weiß ist da eigentlich nicht nur unpassend, sondern auch überflüssig. Die Fahrer großer deutscher Autos machen sich also die nächsten Jahre damit lächerlich, dass sie schöne Autos in einer unpassenden Farbe fahren. Porsche, Mercedes, BMW, Jaguar, Lexus, Land Rover, wahrscheinlich bald Ferrari in weiß! Die Farbe suggeriert Reinheit. Ein Auto aber mit 400 PS kann niemals rein sein. (Und wer 100.000 Euro für ein Auto ausgibt, kann keine weiße Weste haben.) Die Waschanlagenbesitzer werden sich freuen! Im Ausland wird man lachen. Menschen ästhetischen Geschmacks, gestern noch über die Monokultur silberne Autos klagend, werden weiter leiden müssen. Schön sind in Zukunft also die Fahrräder, nicht die Autos. Und zu hoffen bleibt, dass nicht bald auch die umweltfreundlichen, reinen, schwarzen (!) Gazelle-Hollandräder in weiß lackiert werden, nur weil Deutsche es wünschen.