sciencegarden Blog-Archiv - 2007

Datum

Vom Aderlass zum Untergang

Der Deutsche an sich hat bekanntlich ein Faible für Melancholisches im Weltmaßstab und Untergangsszenarien aller Art. Da darf ein vorzeitiger Nachruf auf die deutsche Universität, die sich gerade anschickt, zur Elite aufzusteigen, nicht fehlen.

Wer nämlich abseits der Lobreden auf die neuerdings wie Pilzflechte erblühende akademische Exzellenz in unserem Land schaut, traut seinen Augen nicht: Die jungen Nachwuchskräfte verlassen die Universität in Scharen, besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Überall und ganz gleich, mit wem man spricht: Die Ernüchterung ist groß. Und es sind - vorsichtig formuliert - nicht die Schlechtesten, die der Alma Mater spätestens nach der Promotion entsagen, um ihr Glück (und ein halbwegs gefülltes Bankkonto) andernorts zu suchen. Nicht, weil man in Deutschland grundsätzlich keine gute Forschung (mehr) betreiben könnte. Sondern vor allem, weil der einst so attraktive Beruf des Hochschullehrers - für welche anderen Berufe haben Menschen je so große Entbehrungen auf sich genommen? - zunehmend überfrachtet wird: mit bürokratischem Papierkram, Gremiensitzungen und Managementaufgaben. Auf der Strecke bleibt wie immer das Wesentliche. Und die Gehälter sind auch nicht gerade gestiegen (sondern, unter dem Deckmantel der Flexibilisierung nur notdürftig kaschiert, für viele eher abgesackt).

Fazit: Wenn wir nicht Acht geben, wird der dramatische Aderlass der deutschen Universitäten alsbald in einem veritablen Untergangsszenario münden. Und das dürfte nicht nur dem zarten Exzellenzpflänzchen überhaupt nicht gut bekommen.

Gerontologisches Wochenblatt

Am Kiosk gibt es viele Zeitungen, früher hat man (vielleicht aus Gewohnheit) auch DIE ZEIT gekauft. Das ist leider vorbei. Zum einen gibt es die FAS -- darin finden sich lesenswertere Beiträge. Zum anderen bin ich zu jung geworden. Die 80-jährigen haben die ZEIT übernommen, angeführt von Helmut Schmidt. Der doziert und schreibt nur über sich. Das ist interessant, aber nicht im redaktionellen Teil. Und nicht jede Woche. Dann sind da noch andere Redakteure, die geistig-habituell 80-jährige imitieren: also auch nur noch über sich selbst schreiben. Oder über ihre großartige Zeitung. Da ich die Autoren nicht persönlich kenne, hat das aber keinen Mehrwert. Die Aussage, wie unglaublich wichtig DIE ZEIT ist, bleibt schließlich leer. "Beschreiben, nicht behaupten!" lautet doch eine journalistische Tugend. Ich wollte eine Sammlung dieser selbstbezüglichen ZEIT-Passagen angelegen, aber die wächst so schnell, dass ich wieder aufgeben musste. Der Leser ist ein Gewohnheitstier: ich traure der ZEIT also auch nach. (Dieter E. Zimmer oder Gunter Hoffmann, beide sehr lesenswert!) Aber Dreizwanzig für eine versteckte, informative Spalte des Redaktionspraktikanten? Einen Text in einer Zeitung suchen, der nicht in den ersten vier Absätzen den Autor selbst thematisiert (und in den folgenden die ZEIT lobt)? Nein, nein -- die ZEIT lese ich erst wieder, wenn ich alle Redakteure persönlich kennen gelernt habe, dann lassen sich Selbstaussagen zuordnen. Früher war der RHEINISCHE MERKUR keine ernsthafte Konkurrenz, inzwischen ist es aber die anregendste Wochenzeitung, die am Kiosk ausliegt. Vielleicht erscheint dort eines Tages der Nachruf auf die ZEIT ...

In die Schule gehen

Ist Sprache eigentlich verräterisch? Neulich hörte ich einen Bachelor-Studenten, wie er seine Kommilitonen "Mitschüler" nannte. "Schüler?", fragte ich. Er wusste nicht, worüber ich mich wunderte. Das ist natürlich einfacher auszusprechen, vom Schreiben abgesehen. Tja, so gehts. Auch gibt es keine Fragen nach dem Inhalt von Seminaren mehr. Was denn klaussurrelevant sei, wie hoch der Workload, wieviele Creditpoints es gebe, zum Beispiel für "Mediensoziologie" oder "Kreatives Schreiben". Das Vorlesungsverzeichnis sollte also eigentlich gleich als Quartett erscheinen: "Medien" schlägt "Habermas". Finde ich alles nicht schlimm, mein Studium liegt hinter mir. Nur: Es sollten doch bitte andere Leute unterrichten an den Hochschulen. Könnten die Quereinsteigerprogramme für Lehrer nicht gleich die Hochschulen mitversorgen? Die fällige Antwort auf "Schüler" sind "Lehrer" und nicht Professoren. Lehrer können besser unterrichten, dafür darf man sie schlechter bezahlen -- ein Vorteil für die Hochschule. Die Lehre soll verbessert werden, es gibt also kein Gegenargument.

Das sciencegarden-Blog ist eröffnet!

Liebe Leserinnen und Leser,

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In Zukunft wird die Redaktion an dieser Stelle kurze Meldungen und Meinungen zum Thema Wissenschaft & Forschung veröffentlichen. Sie sind herzlich eingeladen, sich zu Wort zu melden und mit unseren Autoren zu diskutieren.

Viel Vergnügen!

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