Archive - veroeffentlichungen8.html, 2008

Buddenbrooks als Dallmayr Prodomo

Die großbürgerliche Welt von Thomas Manns "Buddenbrooks" ist uns heute so fremd wie ein vor Jahrzehnten dahingeschiedener Anverwandter. Dagegen sind auch die hilflosen Reanimationsversuche der Leiche, wie sie seit einigen Jahren unter dem Stichwort "Neue Bürgerlichkeit" betrieben werden, machtlos: Den ganzen Lebensumständen und damit auch den Sorgen, dem Empfinden dieser Zeit sind wir heute weit entrückt.

Die Frage, ob es sich also bei den "Buddenbrooks" um einen verstaubten Schinken handelt, den man besser in Großmutters Regal lässt, ginge dennoch fehl: Denn immerhin bringt er uns dem Verständnis dieser verlorenen Welt näher. Sehr viel mehr aber auch nicht, auch wenn das zu behaupten nach der hundertjährigen Kanonisierung des Romans ein Sakrileg ist.

Durchaus hätte man aber dem Stoff mehr abgewinnen können als seine neueste Verfilmung, die heute in die Kinos kommt. Die "Buddenbrooks" hätten weitaus Besseres verdient, als vom Regisseur Heinrich Breloer auf das Schamloseste in weichgezeichneten Schnulzen-Szenen, die auch für Dallmayr Prodomo hätten werben können, verwurstet zu werden.
Zahlreiche Romangestalten fehlen gänzlich, die Verbliebenen verkommen im Film zu menschlichen Abziehbildern, im schlimmsten Fall zu lächerlichen Karrikaturen. Überhaupt stampft Breloer die feine Ironie Manns mit dem Presslufthammer platten Humors ein oder gibt sich gleich völlig humorlos. Ebenso werden die zentralen Dialoge des Romans oft auf Plattitüden eingedampft, einige blödsinnige Änderungen geben dem Romanstoff den Rest.

Der mit 16 Millionen Euro teuerste deutsche Film ist an aufwendigen Kostümen und Kulissen reich staffiert, geht aber an inhaltlicher Leere zugrunde. Ungewollt hat Breloer damit der "Neuen Bürgerlichkeit" ein passendes Denkmal gesetzt: Nach außen hin schillernd, nach innen hohl.

Pendeln auf Kosten der Umwelt

In der Zeitschrift für Umweltrecht kommentiert der Leiter des Department Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig, Wolfgang Köck, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale:

"Wer das Karlsruher Urteil durch die Brille seiner Umweltauswirkungen sieht, kommt nicht umhin, festzustellen, dass der 9. Dezember 2008 kein guter Tag für den Umweltschutz gewesen ist. [...] Denn wer erst vom 21. Kilometer an Fahrtaufwendungen wie Werbungskosten ansetzen darf [...], muss sich überlegen, ob es sich weiterhin lohnt, in die sog. "Speckgürtel" der Städte zu ziehen und damit die Zersiedelung voranzutreiben. Wie Heuschrecken haben sich die Neusiedlungen am Stadtrand immer weiter in die Landschaft gefressen. Für viele Städte bedeuten diese "Speckgürtel", dass die innerstädtische Infrastruktur der umweltbezogenen Daseinsvorsorge zunehmend nicht mehr ausgelastet wird, dass teure Infrastrukturen nach außen gebaut werden müssen, dass Verkehre ansteigen, dass die Häuser an den Einfallstraßen in die Städte wegen zunehmender Umweltbelastungen gemieden werden und dass eine Politik der kompakten Stadt, die sich um Revitalisierung ihrer Brachen bemüht, auf der Stelle tritt, weil diese Flächen nicht zuletzt auch wegen der Subventionierung der Fahrtwege ökonomisch nicht mit dem Außenbereich konkurrieren können."

Der ganze Kommentar ist auch hier zu lesen. 

Finanzkonglomeraterichtlinieumsetzungsgesetz

"Denk' ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen..."

So bitter sich einst der Exildichter Heine in seinen Pariser "Nachtgedanken" nach dem Vaterland sehnte, so düster klingen seine Verse heute nach, wenn uns die Bilder der jüngeren deutschen Geschichte vor Augen treten. Ach ja, die Deutschen! "Für die Weltgeschichte habt ihr genug getan", seufzte schon Churchill. Dazu noch die eklatante Humorlosigkeit, das fette Essen, die preußische Akkuratesse...

Aber wie steht es heute wirklich um unser Ansehen in der Welt? Was denken die anderen von uns - und was können wir dadurch über uns selbst lernen? Fragen, auf die ein glanzvoll geschriebener und reichlich illustrierter Band aus dem Bucher-Verlag auf das Unterhaltsamste zu antworten weiß: "Piefke, Krauts und andere Deutsche. Was die Welt von uns hält", 187 Seiten, 140 Abbildungen, 24,95 Euro und hochgradig geschenktauglich.

Dem Bamberger Autorenpaar Andrea und Martin Schöb, die hauptberuflich unter anderem eine Text- und Übersetzungsagentur betreiben, gelingt in ihrem Buch, was man heute nur noch selten findet: Die Verbindung von profundem Wissen und subtilem Humor mit verblüffenden Details, die pars pro toto das Große im Kleinen erhellen. Kein einziges der zehn Kapitel - über deutsche Ordnung, deutschen Humor, deutsches Essen und deutsche Kultur... - hat einen Hänger, die feine, lebendige Sprache beglückt den Leser permanent und die Überleitungen am Ende jedes Kapitels machen es schwer, den Band nicht in einem Stück zu lesen, und das obwohl "die Deutschen" ja bekanntlich zu monströsen Bandwurmwörtern (siehe Überschrift) und ominösen Rechtschreibreformen neigen.

Am Ende des Buches weiß man nicht nur, wie viele Brathähnchen während des Oktoberfests verschlungen werden (und - typisch deutsch? - wie viel Müll auf der Wies'n anfällt) oder dass es überall auf der Welt Gartenzwegbefreiungsarmeen gibt. Sondern vor allem, dass unser Land von außen oft differenzierter und freundlicher wahrgenommen wird, als wir selbst das für gewöhnlich tun. Ob Heine deshalb heute besser schlafen würde, steht zwar auf einem anderen Blatt. Die Tränen aber müssten ihm nicht mehr fließen.

Piefkes, Krauts und andere Deutsche

Weihnachten & falsche Erwartungen

Schenken Sie zum "Fest der Liebe" oder zum "Fest des Friedens", solche dummen Sätze produzieren die Texter der Vorweihnachtswerbung. Sie verankern in den Konsumenten die Illusion, an Weihnachten herrsche qua göttlicher Fügung Harmonie. In LUKAS 2,9 liest man: "Und siehe, des Herren Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr." Vielleicht ist das die Kernbotschaft der Geschichte: Weihnachten ist das Fest der Klarheit, und was in der sichtbar wird, ist weder gut noch böse -- es ist wahrhaftig, und damit eventuell schwer auszuhalten. Klarheit kann Angst machen. An Weihnachten kann einem klar werden, wen man liebt (und wen nicht), wozu man bereit ist (und wozu nicht mehr), wieweit die Höflichkeit gehen soll (und wo sie Heuchelei ist), wie man zur eigenen Familie steht (und wie nicht). Die ganze Weihnachtsgeschichte ist eine Elendsgeschichte -- wer hätte schlechtere Rahmenbedingungen als Maria und Joseph? -- und nach der Ankunft des Christus folgt der Kindsmord. Gewalt ist in der Geschichte, die Grundlage des Weihnachtsfestes ist, also eingebaut. Jesus liegt noch als Baby in der Wiege, er bringt die Möglichkeit des Friedens, der noch keineswegs an Weihnachten erreicht ist. Und wer die Bergpredigt liest, der wird wissen, dass es ein Fernziel ist, Christ zu werden (wie es Kierkegaard und Tolstoj sagten), und keineswegs einfach durch ein Bekenntnis zu realisieren. Wer liebt schon seine Feinde? Wer empfindet maßloses Mitgefühl? Wer richtet nicht? Diese Werte wollen lange erarbeitet werden. Die heutigen Erwartungen an das Weihnachtsfest sind derart verfälscht, das psychologisch das Scheitern vorprogrammiert scheint. Und tatsächlich: Die Selbstmordraten steigen, die Anzahl der Depressionen auch. Die Originaltexte der Heiligen Schrift suggerieren diese falschen Erwartungen nicht.  Man möchte also Rufen: Glaubt nicht der Werbung! Der Engel, und an den hält man sich besser, rief: "Fürchtet euch nicht!" In der Klarheit wird man nämlich nicht allein gelassen, Christus ist geboren.

Nachbarschaftsverständnishilfe

Die Deutschen und ihre Nachbarn: Polen

Wenige europäische Völker haben unter Hitlers Vernichtungsfeldzug so sehr gelitten wie die Polen. Die Wunden sind bis heute nicht vernarbt. Und schnell wieder aufgerissen, wie man an der Debatte um das geplante Vertriebenenzentrum in Berlin oder an den Versuchen der letzten polnischen Regierung unter Jaroslaw Kaczynski ablesen konnte, aus der besonderen Schwere der Kriegsfolgen eine europäische Sonderrolle für das Land abzuleiten.

Die Auseinandersetzung der Polen mit den einstigen Besatzern aus dem Westen reicht zurück bis ins Mittelalter - fast ebenso lange kursieren schon jene hartnäckigen Vorurteile der Deutschen über die vermeintliche ökonomische und politische Unfähigkeit ihres östlichen Nachbarn und seinen angeblichen Hang zur Kleptomanie ("Polenwitze"). Doch sie überdecken nur, wie eng beide Länder miteinander verbunden sind - und dass es höchste Zeit wird, einander wieder näher kennen zu lernen. Europa sei dank, hindert uns daran eigentlich nichts mehr. Die Grenzen sind offen, viele Polen sprechen fließend Englisch oder Deutsch. Und doch scheint uns das Land so fern und unbekannt wie Afrika und - die Vorurteile sitzen tief -  wohl auch ein wenig unheimlich. Allein es fehlt an Wissen!

Wussten Sie zum Beispiel, was die Preußen mit den Polen zu tun haben, warum polnische Konservative die deutschen Christdemokraten nicht mögen, wie der polnische Papst Johannes Paul II. die deutsche Wiedervereinigung ermöglicht hat und aus welchen historischen Gründen Polen - in Europa nahezu isoliert - für den Irak-Krieg George W. Bushs stimmte? Oder dass Karl Marx und Friedrich Engels gewissermaßen den Vorläufer der EU gründeten - gemeinsam mit einem Polen?

Diese und andere Fragen klärt Thomas Urban in der neuen, von Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker herausgegebenen und liebevoll aufgemachten Reihe "Die Deutschen und ihre Nachbarn". Der langjährige SZ-Korrespondent, selbst mit einer Breslauer Polin verheiratet und wohnhaft in Warschau, bringt seinen Lesern auf 170 Seiten persönlich, kompakt und kenntnisreich die wichtigsten Wegmarken deutsch-polnischer (Mentalitäts-)Geschichte nahe. Mehrere Abbildungen und Karten, Zeittafel und Literaturverzeichnis runden den positiven Gesamteindruck ab und verleiten dazu, den geplanten Asienurlaub umgehend zu stornieren.

Die auf dem Buchumschlag stilisierte Marienkirche steht übrigens in Krakau (polnisch: Krakow), bis 1596 Hauptstadt Polens und Sitz der zweitältesten Universität Mitteleuropas, inmitten eines Viertels, dass architektonische Glanzstücke aus Gotik, Renaissance und Barock versammelt und für sich schon eine Reise wert ist.

Marienkirche in Krakau

Produktive Naturen

"Für mich ist Emersons Axiom, daß gute Bücher die beste Universität ersetzen, unentwegt gültig geblieben, und ich bin noch heute überzeugt, daß man ein ausgezeichneter Philosoph, Historiker, Philologe, Jurist und was immer werden kann, ohne je eine Universität oder sogar ein Gymnasium besucht zu haben. Zahllose Male habe ich im praktischen Leben bestätigt gefunden, daß Antiquare oft besser Bescheid wissen über Bücher als die zuständigen Professoren, Kunsthändler mehr verstehen als die Kunstgelehrten, daß ein Großteil der wesentlichen Anregungen und Entdeckungen auf allen Gebieten von Außenseitern stammt. So praktisch, handlich und heilsam der akademische Betrieb für die Durchschnittsbegabung sein mag, so entbehrlich scheint er mir für individuell produktive Naturen, bei denen er sich sogar im Sinn einer Hemmung auszuwirken vermag. [...] So wurde das eigentliche Kriterium meiner Wahl nicht, welches Fach mich am meisten innerlich beschäftigen würde, sondern im Gegenteil, welches mich am wenigsten beschweren und mir das Maximum an Zeit und Freiheit für meine eigentliche Leidenschaft verstatten könnte."

Stefan Zweig, Die Welt von gestern (1942).

Zitat des Tages

Wie lange müssen wir nun warten, bis auch die Anderen Pazifisten werden? Es ist nicht zu sagen, aber vielleicht ist es keine utopische Hoffnung, dass der Einfluss dieser beiden Momente, der kulturellen Einstellung und der berechtigten Angst vor den Wirkungen eines Zukunftskrieges, dem Kriegführen in absehbarer Zeit ein Ende setzen wird. Auf welchen Wegen oder Umwegen, können wir nicht erraten. Unterdes dürfen wir uns sagen: Alles, was die Kulturentwicklung fördert, arbeitet auch gegen den Krieg.

Sigmund Freud (1932)

Aus:

Sigmund Freud / Albert Einstein: Ein Briefwechsel. Wien: Frick: 1953.

Zitat des Tages

"Aber die Ereignisse der letzten Jahre haben unsere Meinung über den Wert der Worte 'Zivilisation' und 'Kultur' wesentlich geändert. Wir sind nicht mehr willens, sie kurzerhand dem Begriff 'Organisation' und 'Komfort' gleichzustellen. Nichts hat diesen verhängnisvollen Irrtum mehr gefördert als die Statistik, die als mechanische Wissenschaft berechnet, wieviel in einem Lande das Volksvermögen beträgt, und wie groß der Anteil des einzelnen daran ist, wie viele Autos, Badezimmer, Radios und Versicherungsgebühren pro Kopf der Bevölkerung entfallen. Nach diesen Tabellen wären die hochkultiviertesten und hochzivilisiertesten Völker jene, die den stärksten Impetus der Produktion haben, das Maximum an Verbrauch und die größte Summe an Individualvermögen. Aber diesen Tabellen fehlt ein wichtiges Element, die Einrechnung der humanen Gesinnung, die nach unserer Meinung den wesentlichsten Maßstab von Kultur und Zivilisation darstellt. Wir haben gesehen, daß die höchste Organisation Völker nicht verhindert hat, diese Organisation einzig im Sinne der Bestialität statt in jenem der Humanität einzusetzen, und daß unsere europäische Zivilisation im Lauf eines Vierteljahrhunderts zum zweiten Male sich selber preisgegeben hat. So sind wir nicht mehr gewillt, eine Rangordnung anzuerkennen im Sinne der industriellen, finanziellen, der militärischen Schlagkraft eines Volkes, sondern das Maß der Vorbildlichkeit eines Landes anzusetzen an seiner friedlichen Gesinnung und seiner humanen Haltung."

Stefan Zweig, Brasilien. Ein Land der Zukunft (1941).

Forscher gesucht!

Die Magisterarbeit in der Wildnis schreiben? Theorie mit Praxis verbinden? Die Naturschutzorganisation PANparks gibt jungen Forschern die Gelegenheit dazu. Die WWF (World Wildlife Fund) – Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die letzten Flecken Wildnis in Europa zu schützen und bietet Studierenden, Doktoranten und interessierten Forschern Forschungsprojekte in den Bereichen Artenvielfalt, nachhaltiger Tourismus sowie Marketing und Kommunikation an. Geforscht wird in elf europäischen Nationalparks, die dem PANparks Netzwerk angehören und sich vom nördlichen Polarkreis bis zur Iberischen Halbinsel erstrecken.

Die genauen Forschungsziele werden von den einzelnen Parks vorgegeben. „Bewerber können auch eigene Vorschläge einreichen. Wir überprüfen dann, ob ein Park an dem Thema Interesse hat und helfen mit der Logistik“, sagt Zoltan Kun, Direktor von PANparks. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung sind u.a. gute Englischkenntnisse, denn auch die Forschungsarbeit muss in Englisch verfasst werden

Weitere Infos unter http://www.panparks.org/ bzw. .

"Buddhistische Stille" im Kino

In einem Dokumentarfilm über die buddhistische Stille sollte nicht nur lautstark gesprochen werden. Leider ist das der Fall, auch wenn zwei Nonnen und vor allem der Hamburger Oliver Petersen sehr kluge, buddhistisch fortgeschrittene Einsichten äußern. Aber das (in mäßiger Tonqualität) andauernde lautstarke Reden einiger Protagonisten treibt die Zuschauer entweder aus dem Kino oder spricht vielleicht gerade die Teilzeitbuddhisten an, denen die Religion eine hippe Anti-Stressmethode ist. Spirituell ernst genommen ist der Film ärgerlich: Der Dalai Lama kommt als lachende, aber sonst ganz inhaltsfreie Kultfigur vor, in verwackelten Handkamerabildern. Ihn sogar bei der Meditation filmen zu wollen, wird zur touristischen Peinlichkeit. Viele der Interviewten sind so sehr mit dem eigenen Ich beschäftigt, dass es unangenehm wird: Ein zentrales Anliegen im Buddhismus ist doch gerade die Überwindung dieser egozentrischen Fixierung! Hinzu kommt noch, dass die Ästhetik des Films eher am Fernsehen orientiert bleibt; eine Ebene avancierter Bildsprache ist schlicht gar nicht vorhanden. Und nach einem Meisterwerk wie "Die große Stille" über ein Karthäuserkloster fällt dies schmerzlich auf. Angesichts eines zeitgeistinkompatiblen Wertes wie "Geistesruhe" ist der zeitgeistige Dokumentarfilm über Buddhisten unerfreulich. Der Film vermittelt jedenfalls nicht, worum es geht. Es ist also angeraten 5,40 Euro zu investieren in ein hervorragendes Reclam-Bändchen, das in den Buddhismus einführt. Und natürlich: Sich selbst einmal an buddhistischer Meditation zu versuchen.

Das Ebenbild Gottes - dauerevaluiert

Bildung. Ja, was ist das eigentlich?, fragt Thomas Petersen heute in der FAZ und guckt dazu erst einmal in den Brockhaus von 1843 (soviel Platz für bildungsbürgerliche Traditionen muss wenigstens in dieser Zeitung noch sein).

Im Vormärz verstanden zumindest die Redakteure des Brockhauses unter Bildung noch die „durch den selbstbewussten und freitätigen Geist geleitete Entwicklung“, die dazu diene, dass „der Mensch seine Bestimmung erkenne und erstrebe, die keine andere ist, als in seinem ganzen Sein und Leben das Ebenbild Gottes darzustellen“.

Wie bitte?

In unseren Zeiten der Dauerdiskussionen um "Effizienz und internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schulsystems"ein wahrlich verstörender Bildungsbegriff, wie Petersen feststellt. Umso beruhigender, dass noch im Jahr 2008 immerhin mehr als drei Viertel der Deutschen die Schulbildung nicht in eine reine Berufsvorbereitungsphase umgewandelt sehen wollen: 77 Prozent stimmten in der von Petersen vorgestellten Allensbach-Umfrage der folgenden Aussage zu: "Meiner Meinung nach ist die Schule vor allem dafür verantwortlich, den Kindern eine möglichst gute Allgemeinbildung beizubringen. Die ist nicht nur für den Beruf wichtig, sondern für das ganze Leben. Kenntnisse und Fähigkeiten, die man für seinen Beruf braucht, lernt man sowieso bei der Arbeit am besten.“

Manchmal scheint des Volkes Stimme doch um einiges weiser als so manche ausgemachte Expertenrunde zu sein.

Der komplette Artikel findet sich hier.

Stadt oder Leben!

Haben wir die Stadt, den Mittelpunkt unseres Lebens, Schaffens und Sterbens in schlechte Hände gegeben? Autobahnen zerschneiden einstige Ruheräume, kahle Hochhausfassaden veröden ganze Viertel, in den Wohnsilos vegetieren wir nachbarschaftslos vor uns hin.

In der neuen Ausgabe des Merkur geht der hierzulande relativ unbekannte Philosoph und konservative Außenseiter Roger Scruton nicht nur aus ästhetischen Gründen mit den Architekten und Stadtplanern der Moderne hart zu Gericht, die den Kampf um die Ideen an den Universitäten zu unser aller Leid gewonnen hätten: 

"Die Vandalisierung des Curriculums verlief erfolgreich: Die europäischen Fakultäten für Architektur brachten den Studenten nicht mehr die Grammatik der klassischen Säulenordnungen bei, sie unterrichteten nicht länger, wie Friese zu verstehen sind, wie man die bestehenden Baudenkmäler, städtischen Straßen, den Körper des Menschen zeichnet, noch solche wesentlichen ästhetischen Phänomene wie den Lichtfall auf einem korinthischen Kapitell oder den Schatten eines Campanile auf einem schräg abfallenden Dach; nicht länger wurde das Verständnis von Fassaden gelehrt, von Gesimsen, Toröffnungen oder irgendetwas anderem, was man durch das Studium der Werke von Sebastiano Serlio oder Andrea Palladio in Erfahrung bringen konnte. Das Ziel des neuen Curriculums bestand darin, ideologisch motivierte Ingenieure auszubilden, deren zeichnerische Fähigkeiten nicht über Grundrisse und isometrische Zeichnungen hinausgingen und die die gigantischen Projekte des sozialistischen Staates vorantreiben würden: Menschen in Wohnsiedlungen zu schaufeln, Pläne für Industrie- und Gewerbegebiete aufzureißen, Schnellstraßen durch alte Stadtzentren zu schlagen und überhaupt das Bürgertum daran zu erinnern, dass Big Brother es kontrollierte."

Als ideellen Widerpart und Verheißung auf ein besseres Stadtleben bringt Scruton den luxemburgischen Architekten Léon Krier auf den Reißplan. Dessen Entwürfe der englischen Stadt Poundbury sind tatsächlich ganz im positiven Sinne reaktionär.  

Politischer Herbst

Der Himmel grau, der Wind nasskalt und die Stimmung war auch schon mal besser:
Es ist Herbst in Deutschland. Nicht nur meteorologisch. Auch die politische Wetterlage verdüstert sich. In Hessen hat Andrea Ypsilanti ihre "geisteskranke Geisterfahrt" (Günther Öttinger) in Richtung rot-rot-grüner Regierungsübernahme unfreiwillig beendet und umgehend wieder die Schleierwolkenmaschine angeworfen: Statt bei der kommenden Neuwahl die Verantwortung für ein Jahr Selbst- und Parteidemontage zu übernehmen, schickt sie einen 39jährigen "Strohmann" (Deutschlandfunk) ins Rennen, um in vier Jahren selbst wieder kandidieren zu können. Und SPD-Chef Müntefering, der Ypsilanti vieldeutig eine "tüchtige Politikerin" nennt, verkauft das als "Verjüngung".

Wirklich schauerlich, dass es in der anderen politischen Himmelsrichtung nicht weniger finster ausschaut. Dort trainiert die akademische Führungsreserve der CDU weit unterhalb der Peinlichkeitsschwelle ihre Reflexe auf Kosten eines innovativen und geschätzten Rechtsprofessors, weil der aus didaktischen Gründen in der Vorlesung einen DDR-Zipper trägt. Zur Erinnerung: Der RCDS ist jener  Kasperlverband, dessen Bundesvorsitzender, Gottfried Ludewig, für die Wiedereinführung des Klassenwahlrechts plädiert und es mit dieser politischen Geisterfahrt bis auf Anne Wills Gästesofa bringt. Nicht ernst zu nehmen? Gewiss, aber der dynamische Irrläufer Ludewig sitzt im Bundesvorstand seiner Partei, die ihn unlängst in Berlin für den Bundestag nominierte - gegen die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Wird er gewählt, trifft er im Hohen Haus dann auf ein anderes Nachwuchstalent, den frisch im Amt bestätigten Chef der Jungen Union, Phillip Mißfelder, der Rentnern einst die Hüftgelenksoperation streichen wollte und sich nun anschickt, in der CDU große Karriere zu machen.

Auch wer kein Melancholiker ist, hält so viel herbstliches Polit-Tief eigentlich nur noch mit einer ordentlichen Portion Prozac aus.

Waltz with Bashir

Nicht oft wurde der Dokumentarfilm neu erfunden. Am Anfang stand Leni Riefenstahl, formal innovativ und inhaltlich gewissenlos. Der letzte Schrei kam von Michael Moore, parteiisch und polemisch. Nun sorgt der israelische Filmemacher Ari Folman für einen unerwarteten Evolutionssprung der Gattung: eine autobiographische Doku als Animationsfilm! Folman hat an den ersten Libanonkrieg, in dem er kämpfte, keine Erinnerung. Und das ist schlimmer als die Alpträume, die seine Kameraden noch 20 Jahre später quälen. Er macht sich also auf die Suche, um sich zu erinnern; er interviewt Kameraden, Vorgesetzte, Kriegsberichterstatter, spricht mit Therapeuten und Traumaforschern. Seiner (indirekten) Beteiligung an den Massakern in den Flüchtlingslagern von Beirut kommt er immer näher, durch die schrittweise Deutung der eigenen Träume, in denen die Vergangenheit verschlüsselt zurückkehrt. Am Ende steht, wie es auch bei Freud zu lesen ist, keine vollständige Deutung. Aber die Erinnerung ist zurück. Und wer sich erinnern kann, der muss nicht mehr verdrängen. Obwohl Schreckliches ans Licht geholt wird: es gibt keinen anderen Weg, als sich seiner Taten bewusst zu werden. Und diese Geschichte des Seelenlebens beginnt schon mit Folmans Eltern, die die Lager der Nazis erlebten. Am Ende eines ästhetisch atemberaubenden Films, dessen Animationsbilder dem Zuschauer weite Interpretationsräume eröffnen, stehen jedoch Originalaufnahmen. Diese schockieren zwar, verhindern aber die Flucht des Zuschauers in die fiktive Animationswelt. 

http://waltzwithbashir.com/

Wissenschaftsjournalismus vs. Blogs?

Carsten Könneker, Chefredakteur von Gehirn&Geist sowie epoc, präsentiert in seiner Guten Stube die mehrteilige Aufzeichnung einer Podiumsdiskussion der gerade vergangenen Frankfurter Buchmesse. An dem von science2public veranstalteten Science Sunday diskutierten unter der Moderation von Annette Leßmöllmann (Hochschule Darmstadt sowie Brainlogs) er selbst, Sven Keßen (Begrenzte Wissenschaft), Mathias Schindler (Wikimedia Deutschland), Marc Scheloske (Scienceblogs.de sowie wissenswerkstatt), Thomas Wanhoff (Wanhoffs Wunderbare Welt der Wissenschaft) und für sciencegarden Chefredakteur Christian Dries über Chancen und Risiken von Blogs für den Wissenschaftsjournalismus.

Hier ein Auszug:

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