Archive - 2008
Wissenschaft & Massenmedien
Die "Gegenworte - Hefte für den Disput über Wissen" gibt es wieder, sie erscheinen nun im Akademie Verlag. Leider ist das Logo, die fliegende Schildkröte, und die inspirierend freche Hazel Rosenstrauch der neuen Redaktion abhanden gekommen. Am außergewöhnlich guten Design ist wenig verändert, es scheint vielleicht eine Spur biederer.
Der Inhalt ist auch im neuen Heft über "Ansichten von Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit" auf gewohntem Niveau. Der Wissenschaftssoziologe Peter Weingart richtet seinen Blick auf die Öffentlichkeit der Wissenschaft, der FAZ-Reakteur Jürgen Kaube auf die "Sozialwissenschaften im Feuilleton". Junge und ältere Autoren/innen, Wissenschaftler, Bibliotheksleiter und Journalisten bieten anregende, informative Texte. Das Heft ist, wie auch früher, seinen Preis wert.
Hieroglyph und Tintenkiller
Die Medienwissenschaftlerin Sonja Neef, Juniorprofessorin an der Bauhaus Universität Weimar, widmet sich in ihrer Habilitation "Abdruck und Spur" der "Handschrift im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit". Sie trauert der Handschrift keineswegs nach, sondern es kommt ihr "darauf an, das Manuelle im Digitalen zu betrachten: den Fingerabdruck auf dem touch-screen, den Stilus auf dem Schreibpad des Tablet PC; kurz: Handschrift vom Bildschirm aus zu denken." (S. 29). Ihre Beobachtungen sind geschult an Begriffen von Derrida oder Kittler, Vorwissen ist für die Lektüre sicherlich hilfreich. Neefs freier Durchgang durch die Mediengeschichte der Handschrift, von Tierspuren und Hieroglyphen, über Tintenkiller bis zum Bildschirmschoner hält spannende Einblicke bereit. Im letzten Teil des Buches finden sich ergänzend Kapitel zu Anne Franks Tagebuch, zu Graffity und Tätowierung. Diese fügen sich zwar nicht nahtlos ein, sind aber für sich ebenfalls lesenswert. Insgesamt vermittelt das Buch nicht nur medienphilosophisches Wissen, sondern macht auch Lust, den Füllhalter wieder zu Hand zu nehmen.
Sonja Neef (2008): Abdruck und Spur. Handschrift im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Kadmos Kulturverlag, Berlin.
A capella zwischen Charme und Schamgrenze
Wem die Comedian Harmonists zu spießig und die Prinzen zu oberflächlich sind, sollte diese Jungs probieren. Die vier von Maybebop bringen Klassiker wie "Come on Eileen" und selbst den "Kleinen grünen Kaktus" in so überraschenden Arrangements zu Gehör, dass der Wiedererkennungseffekt nur eine Facette des Hörgenusses ist. Bei den eigenen Stücken reichen die Texte von bedrückend-ehrlich (Du zweite Wahl) bis filigran-überironisch (Seifenspender). Dabei lassen Maybebop ihre Stimmen nicht zum Textaufführungsmittel verkommen, sondern entzünden ein wahres Feuerwerk der Vokalakrobatik von Countertenor bis Bass und von Turntable bis Schlagzeug(!), dass man sich fragt, wozu andere Bands eigentlich Instrumente brauchen. Hörproben und Konzerttermine auf der Homepage der Band.
Freie Fahrt aufs Abstellgleis...?
Nach langen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien in Berlin ist es nun so weit: Die Deutsche Bahn geht an die Börse, zumindest teilweise.
Der Studienpreisträger und sciencegarden-Autor Tim Engartner hat darüber und über die Sünden der Privatisierer eine erhellende Doktorarbeit geschrieben, die soeben im VS-Verlag erschienen ist: "Die Privatisierung der Deutschen Bahn. Über die Implementierung marktorientierter Verkehrspolitik."
Engartners Arbeit ist ein Plädoyer gegen die neoliberale Wettbewerbslogik im Bereich der öffentlichen Güter - und gehört ins Regal nicht nur von Verkehrspolitikern. Am Beispiel der gescheiterten Bahnprivatisierung in England zeigt Engartner auf, wieso wir dem Börsengang besser eine Absage erteilt hätten.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Deutsche Bahn demnächst nicht aufs Abstellgleis gerät oder - wie unlängst in Neuseeland geschehen - vom Staat wieder zurückgekauft werden muss. Aber das wäre dann wohl nicht das Schlimmste.
sciencegarden-Schreibwettbewerb: Jurierung läuft
Die Ausschreibung zum sciencegarden-Schreibwettbewerb ist beendet. Ab jetzt läuft das Jurierungsverfahren. Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die uns abwechslungsreiche und interessante Beiträge zum Thema "Die Stadt in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft" geschickt haben. Diejenigen unter ihnen, die eine Runde weiter gekommen sind, werden von uns demnächst benachrichtigt. Fürs Finale heißt es dann noch einmal feilen und nachjustieren. Den oder die Sigertext(e) lesen sie ab dem 01. Juni auf der Startseite von sciencegarden.
TeilnehmerInnen, deren Beiträge wegen einer technischen Panne mit der Einreichungsmailadresse nicht rechtzeitig eingetroffen sind, können noch bis zum 10. Mai nachreichen.
Das Kapital als Hörspiel
Der "Hörspielpreis der Kriegsblinden" prämiert kluge, anspruchsvolle und schräge Hörwunder. Nun wurde der Preis an die Gruppe „Rimini Protokoll“ vergeben, die einen Klassiker vertont haben: "Das Kapital.", Band 1 von Karl Marx.
Die Jury begründete ihre Entscheidung: "Im Hörspiel (...) erforschen Helgard Haug und Daniel Wetzel, wo in der Gesellschaft dieses Buch, das jeder kennt und kaum einer gelesen hat, seine Spuren hinterlassen hat. Menschen setzen ihr Leben in Beziehung zu dem Werk. Der eine hat es gründlich studiert, die andere damit geheizt. Ein Wissenschaftler, ein blinder Plattensammler, ein früherer Maoist, ein Gewerkschafter, eine Prostituierte und andere erzählen von Habenwollen und Spielsucht, Anlagebetrug, von Menschen als Ware, Fetischen, vom Arbeitsalltag, vom Marxwein aus Trier, von Neokapitalismus und alter Ausbeutung."
Der Deutschlandfunk sendet das Hörspiel am 6. Mai um 20:10 Uhr.
sciencegarden-Schreibwettbewerb: verlängerte Einreichungsfrist!
Bedauerlicherweise hat die Mailadresse für den sciencegarden-Schreibwettbewerb vorübergehend nicht funktioniert. Wir bitten um Entschuldigung und fordern alle TeilnehmerInnen dazu auf, Ihre Texte sicherheitshalber nochmals einzureichen.
Auch Texte, die nach dem 30. April bei uns eingehen, werden noch berücksichtigt.
Hard Candy
Popmusik ist nur biographisch zu verstehen -- oder gar nicht. Deswegen haben die etwas falsch verstanden, für die die neue CD von Madonna eben nur "hard candy" ist. Die neue Scheibe ist nämlich eine Erfüllung für all die, die in einer Disco aufgewachsen sind, also für viele zwischen 30 und dem sagenhaften Alter von Madonna selbst. Die ist zuerst einmal eine geniale Hörerin der Popmusikgeschichte; und es gab nicht nur ihre Musik. Die Songs enthalten eine "Ikonographie" der Discomusik. "Hard Candy" weckt daher Erinnerungen und Gefühle an unzählige Nächte, die man bewegt in Zappelhallen verbrachte. (Mit Mädchen/Jungs knutschte; nicht wusste, was man studieren sollte; entscheiden, wie viel Geld für den Plattenladen noch übrig war; noch nicht wusste, wie man wieder nach Hause kam: der letzte Bus war ja weg ...) Madonnas Entscheidung, einfach mit den besten der Popszene zusammen zu arbeiten (also: sie FÜR SICH arbeiten zu lassen) war wieder einmal richtig. Ihr Werk ist Postmodern, mit der Finesse, dass man gar nicht mehr weiß, woher die Zitate stammen. Oder sind es gar keine? War aus "das" schon von Madonna? Jedenfalls schön, dass sie für uns die ganze Geschichte der Discomusik auf einem (weiteren) Album komprimiert: Aber darüber nachdenken ist unnötig, lieber sofort tanzen ...
Der Countdown läuft...
...in fünf Tagen ist Einsendeschluss beim sciencegarden-Schreibwettbewerb für Nachwuchstalente.
Wer dazu noch last minute ein paar Anregungen braucht, wird vielleicht auf dieser Webseite des Theodolinden-Gymnasiums München fündig.
Viel Erfolg!
"Größter" oder größter Quatsch?
Mit Gott und Religion setzen sich im laufenden Semester 2 Veranstaltungsreihen in Niedersachsen auseinander. In Hannover widmet sich eine Ringvorlesung mit Vorträgen namhafter Forscher der vermeintlichen Auferstehung der Götter. Mitdiskutieren zum Verhältnis von Glaube und Wissenschaft ist dagegen im Themenforum der Evangelischen Studierendengemeinde (esg) Braunschweig erwünscht.
