Archive - 2008
Kosmopoliten ohne Heimat?
Ist das größte Problem der auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands ihr chronischer Geldmangel? Oder ist es vielmehr ihr ubiquitärer Kulturbegriff, der ihre vornehmste Aufgabe, die Vermittlung deutschen Kulturgutes und der deutschen Sprache im Ausland, an den Rand zu drängen scheint?
Wer Kosmopolit sein möchte, sollte sich seiner eigenen Kultur gewiss sein, nur so kann er Vertrauen und Verständnis des Anderen gewinnen. Das scheint oft ebenso in Vergessenheit zu geraten, wie man sich leichtfertig einredet, dass das "Europäische Haus" bereits erdbebensicher sei.
Gegenseitige Ressentiments und Feindschaften zwischen den europäischen Völkern sind hingegen weiterhin virulent: Davon legt nicht nur das Trauerspiel der jüngeren polnisch-deutschen Zerwürfnisse Zeugnis ab. Und gerade wegen dieses gegenseitigen (kulturellen) Unverständnises erscheint es als Gefahr, voreilig eine gemeinsame "Europäische Auswärtige Kulturpolitik" zu fordern, auch wenn tiefgehendere Kooperationen gewiss sinnvoll wären.
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Kulturpolitik an der Stiftung Universität Hildesheim findet vom 10. bis 11. April 2008 eine Konferenz zur "Europäischen Integration als Herausforderung Auswärtiger Kulturpolitik" statt, in deren Rahmen hoffentlich auch solche grundsätzlichen Fragen zur Debatte gestellt werden.
Die Teilnahmegebühr beträgt 25 Euro, 15 Euro für Studierende.
Neue Forschungen rund um die Stadt
Die "Difu-Berichte", der aktuelle Newsletter des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), sind erschienen. Neben Forschungsergebnissen und Neuerscheinungen des Instituts informiert die Zeitschrift über neue Forschungsprojekte, Fortbildungsangebote und Veranstaltungen rund um das Thema "Stadt". Im aktuellen Heft werden unter anderem Themen zur Gestaltung einer neuen Verkehrspolitik, zum kommunalen Denkmalschutz und zur sozialen Stadtplanung behandelt.
Interessierte finden hier vielleicht Inspiration für einen Beitrag für den laufenden sciencegarden-Schreibwettbewerb: „Die Stadt in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft“
Hochschulen jetzt Bock und Gärtner?
Vor einem knappen Monat hat der Akkreditierungsrat das Verfahren für die Systemakkreditierung von Hochschulen beschlossen. Hochschulen, deren Qualitätsmanagement den Regeln entspricht, sparen sich damit die zeit- und personalintensive Akkreditierung und Re-Akkreditierung, wie sie für Bachelor- und Masterstudiengänge in regelmäßigen Abständen vorgesehen ist.
Dass die Hochschulen die Überprüfung ihrer Studiengänge eigenverantwortlich durchführen, ist dabei zentraler Bestandteil des Konzepts. Auch eventuelle Kurskorrekturen sollen von den unmittelbar Betroffenen eingeleitet und umgesetzt werden. Bewerten Studierende Lehrveranstaltungen oder Betreuungsangebote auffällig negativ, ist es an Hochschulgremien, Professoren oder auch Verwaltungsmitarbeitern, geeignete Maßnahmen zu ersinnen und umzusetzen.
So viel Gestaltungsspielraum für "Experten in eigener Sache" ist zwar keine neue, aber eine durchaus zukunftsträchtige Idee. Für ihren Erfolg bedarf sie allerdings eines gewissen Einvernehmens der beteiligten Akteursgruppen sowie der Fähigkeit und des aufrichtigen Willens, Bestehendes zu verändern. Ist also die Systemakkreditierung nichts als ein lahmer Bock, der einen verwilderten Garten in Form bringen soll? Dieses skurrile Szenarion ist angesichts der mageren Reform- und Modernisierungsbilanz deutscher Hochschulen zumindest nicht auszuschließen.
Die Zukunft der drahtlosen Datenübetragung
Bei der Nutzung so genannter Terahertz-Wellen gelang einem Forscherteam aus Braunschweig jüngst ein bedeutender Schritt in Richtung Zukunft der drahtlosen Kommunikation. Mit den Wellen, deren Frequenzbereich laut Pressemeldung der TU Braunschweig zwischen dem von Mikrowellen und Infrarot liegt, übertrugen sie ein Videosignal über 22 Meter. Das Verfahren soll künftig die Übertragung großer Datenmengen ermöglichen, kommt jedoch aufgrund des geringen Energiegehalts der hochfrequenten Strahlung nur schwer über einzelne Räume hinaus. Dazu passend der Versuchsraum: ein Flur der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).
Innovation auf Abruf?
Die Sonntagsreden und Klagelieder über den Mangel an Innovationen in Deutschland sind wir schon lange überdrüssig. Das (bildungs-)politische Jammern und das Drängen auf schnelle Lösungen führen dabei genau zum Gegenteil des Gewünschten.
Verzweckung der Forschung, Verschulung und Gängelung des Nachwuchses, Dauerevaluation und Antragsfluten machen dem ergebnisoffenen Forschen, dem tiefgehenden Ergründen, dem kritischen Fragen, der wissenschaftlichen Kreativität den Garaus.
Das Seminar "Fit für Innovation", das Experten der Fraunhofer IAO anbieten, hat daher auch kaum etwas mit wissenschaftlicher Innovation zu tun. Vielmehr sollen die Teilnehmer in Vorträgen und Workshops verschiedene "Analyse-Tools" kennenlernen, die Unternehmen bei der Optimierung ihres Innovationsprozesses unterstützen können.
Der betriebsinternen Entwicklung - sagen wir etwa der Verbesserung alter Technologien wie des Bezinmotors - wird diese Schulung sicherlich wichtige Hilfestellung geben können.
Tatsächliche Quantensprünge und revolutionäre Erfindungen wird man durch das Anbieten solcher "Lösungstools" für Innovationen bestimmt nicht erwarten dürfen. Die brauchen nämlich vor allem Freiheit, Zeit und die nötigen materiellen Ressourcen.
Interessenten aus Unternehmensführung und Innovationsmanagement können sich noch bis zum Montag, 31. März 2008, online hier anmelden. Die Teilnahme an der Veranstaltung kostet 195 € pro Person.
Robotik: Auf den Hund gekommen...
Die Firma Boston Dynamics entwickelt zur Zeit im Auftrag der US-Militärbehörde DARPA einen vierbeinigen Roboter mit dem Namen Big Dog, der die Möglichkeiten eines geländetauglichen „Packesels“ zur Transportunterstützung von Infanterietruppen ausloten soll.
In dem folgenden Video wird sehr eindrucksvoll gezeigt, wie erfolgreich die Maschine heute schon die Fortbewegung von Tieren auf vier Beinen nachahmen kann. Auch mit Geröll und sogar Glatteis kommt der Roboter souverän zurecht. Der maschinelle „Gleichgewichtssinn“ scheint hier sogar besser zu funktionieren, als der vieler Menschen. Um eine genügende Mobilität im freien Gelände zu erreichen, haben die Wissenschaftler dem „Großen Hund“ zusätzlich zu den üblichen Batterien Gasmotoren zur Energieversorgung eingebaut.
Feigheit statt Feuer
Ein lange schwelender Konflikt wird akut. Die internationale Gemeinschaft hat dem wieder einmal nichts entgegen zu setzen, als Aufrufe zu Dialog und Gewaltverzicht. Schade nur, dass ganz in der Nähe dieses Jahr die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Nicht für China, das mit ungekannter Härte gegen Demonstranten vorgeht. Sondern für die Olympische Bewegung. Denn statt dem selbst propagierten Bild vom Friedensbringer gerecht zu werden, lässt man statt Boykottaufrufen lieber Boykottwarnungen verlauten. Begründung: Die armen Athleten hätten sich schon so auf die Spiele gefreut. Die Tibeter haben sich sicherlich auch schon sehr lange darauf „gefreut“, ihr Land wieder selbst zu regieren, inklusive des Rechts auf freie Meinungsäußerung, freie Ausübung der Religion und was dergleichen Grund- und Menschenrechte mehr sind. Schade – diesmal für die Tibeter – dass sich hinter der halbseidenen IOC-Mitleidsargumentation nur eines verbirgt: die Vorrangstellung ökonomischer vor politischen Interessen; Olympische Feigheit statt Olympischem Feuer!
Hungern für's Auto?
Bioenergie, also "klimaneutrale" Energiegewinnung aus Nutzpflanzen wie Raps oder Ölpalme, wird weiterhin als Paradelösung für den Klimawandel und den steigenden globalen Energiebedarf propagiert. Dabei sind die mit der Bioenergie verbundenen, schwerwiegenden Probleme schon länger bekannt. Nicht nur die Rodung der letzten großen Wälder und die damit einhergehende Vernichtung der Artenvielfalt droht durch eine immer stärkere landwirtschaftliche Nutzung für Energiepflanzen. Schon längst sind zahllose Menschen unmittelbar vom agrarwirtschaftlichen Wechsel betroffen. Denn immer mehr Land wird inzwischen für die Erzeugung von Bioenergie genutzt und nicht zur Herstellung von Nahrungsmitteln. Infolgedessen steigen die Nahrungsmittelpreise gerade in Entwicklungsländern dramatisch. In Mexiko beispielsweise sorgte vor Jahresfrist die Verknappung des Grundnahrungsmittels Mais für große Unruhe.
Wie eine mögliche Balance zwischen Ressourcen- und Umweltschonung, Energie- und Ernährungssicherheit gelingen könnte, diskutieren anlässlich der erstmaligen Verleihung der Robert-Bosch-Juniorprofessur "Nachhaltige Nutzung
natürlicher Ressourcen" Klaus Töpfer, Bundesumweltminister a.D. und ehemaliger Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamts und Manfred Zeller, Direktor des Instituts für Agrar- und Sozialökonomie in den Tropen und Subtropen, Universität Hohenheim.
Die Diskussion "Voller Tank oder voller Magen? - Konkurrenz um Landnutzung zwischen Bioenergie und Nahrung" findet am 27. März unter der Leitung von Peter-Matthias Gaede, Chefredakteur von GEO und GEOSpecial, in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung, Bismarckstr. 71, statt. Interessierte Wissenschaftler und Journalisten können sich mit einer Mail an anmelden.
Dicke Luft
In Mailand weht die zweitdreckigste Stadtluft in ganz Europa - noch größeren Hustenreiz verursacht nur noch Moskau. Im Westen liegt die Feinstaubmetropole bereist auf Platz eins der größten städtischen Dreckschleudern. In ökonomischer Hinsicht droht der berühmten Modestadt eher der Abstieg auf niedere Ränge, fürchtet die OECD. Man müsse sich allmählich Gedanken über eine tragfähige Zukunftsvision machen, heißt es in einem Territorial Review der Organisation.
Wer sich dieses Themas wissenschaftsjournalistisch annehmen will, der kann das auch bei uns tun: Der sciencegarden-Schreibwettbewerb "Die Stadt in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft" läuft noch bis zum 30. April 2008.
Alle Informationen zum Wettbewerb gibt es hier!
Kolumbianische Regierung: Nachhilfe im Völkerrecht?
Nicht nur in Bogotá atmet man in diesen Tage auf. Die vorläufige Entschärfung der internationalen Krise zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela durch die Rio-Gruppe am vergangenen Freitag wurde in allen drei Andenländern mit Erleichterung aufgenommen. Von einer wirklichen Entspannung kann allerdings weiterhin nicht die Rede sein. Die gegenseitigen Beleidigungen und Anschuldigungen sitzen tief.
Ausgelöst wurde die jüngste Krise durch die Verletzung der staatlichen Integrität Ecuadors durch das kolumbianische Militär, das bei seinem Einsatz mehrere Mitglieder der Drogenguerrilla FARC tötete, unter ihnen Raúl Reyes, den zweiten Mann des "Sekretariats" der Guerrilla.
Dass Ecuador dies zum Anlass nahm, die eigene Grenze zu militarisieren, konnte noch als Reaktion gegen eine Verletzung des Völkerrechts von kolumbianischer Seite nachvollzogen werden. Die von Chávez angeordnete Mobilmachung Venezuelas hingegen war wohl eher im persönlichen Größenwahn des Caudillos zu suchen und in der Anwendung des altbekannten Rezepts, von innenpolitischen Problemen durch außenpolitische Abenteuer abzulenken.
Die Gefahr eines tatsächlichen Krieges wurde zwar zu keiner Zeit für wahrscheinlich gehalten, jedoch wäre die vom venezolanischen Präsidenten Chavéz angedrohte Enteignung kolumbianischer Firmen in seinem Land schon katastrophal genug gewesen. Venezuela ist Kolumbiens wichtigster Handelspartner und umgekehrt sind für Venezuela - erst recht durch die ruinöse Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre - die Lebensmittelimporte aus dem Nachbarland überlebenswichtig.
Experten des Völkerrechts internationaler NGOs sowie der rechts- und politikwissenschaftlichen Fakultäten in Bogotá schüttelten indessen in dieser turbulenten Woche die Köpfe über den rechtspolitischen Dilettantismus der kolumbianischen Regierung. Diese hatte zwischenzeitlich sogar die Anklage gegen Chávez vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Unterstützung und Finanzierung von Völkermördern erwogen. Den FARC lassen sich nun alle denkbaren und undenkbaren Verbrechen vorwerfen. Den juristischen Tatbestand des Genozids erfüllen ihre Entführungen und Ermordungen von Zivilisten und ihre Zerstörungen ganzer Ortschaften nicht.
Die kolumbianische Regierung hätte sich besser auf eine Begründung ihres Militäreinsatzes gegen die FARC auf ecuadorianischem Gebiet beschränken sollen, die auch ihr Botschafter vor der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ins Feld führte: Die Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates verbietet allen Staaten, terroristischen Gruppen oder deren Finanziers Zuflucht zu gewähren. Die Inter-Amerikanische Konvention gegen den Terrorismus hält die Staaten an, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zur Abwehr terroristischer Gefahren zu verstärken.
Nicht erst die Informationen auf dem sichergestellten Computer Raúl Reyes' bestätigen die Anschuldigen gegen die Regierungen Ecuadors und vor allem Venezuelas, den FARC immer willfähriger Unterstützung zukommen zu lassen. Für die kolumbianische Politik ist eine rechtswissenschaftliche Nachlese der jüngsten Krise indessen unabdingbar - allein, um für die nächste besser gewappnet zu sein.
Chávez, der vorwiegend über seine wöchentliche, mehrstündige Fernsehsendung "Aló Presidente" regiert, befiehlt seinem Verteidigungsminister am 2. März, zehn Bataillone an die Grenze zu Kolumbien zu schicken.
