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Allein unter Kängurus
Thomas Splettstößer hätte sich nie träumen lassen, dass er einmal hier landen würde. In Tidbinbilla, 40 Kilometer südwestlich von Canberra, der Hauptstadt Australiens, gibt es nichts, buchstäblich nichts, außer "dirt" - Dreck - , wie die Australier ihre Wüste liebevoll nennen. Hier verbrachte Thomas sechs Wochen seiner Semesterferien, verarztete Kängurus und viele andere Tiere, deren Namen er noch nie vorher gehört hatte. Der Heidelberger Biologie-Student hörte vor einigen Monaten von einem Kommilitonen, dass ein Mitarbeiter der Uni Nürnberg Studenten Praktika in Australien vermittelt. Die dort verbrachte Zeit könne man sich sogar für sein Studium anrechnen lassen.
"Wenn bei uns in Deutschland Sommer ist, ist hier Winter und besonders draußen im Busch kann es manchmal ganz schön kalt werden", berichtet Thomas. Tagsüber tauen aber die Leitungen wieder auf. Auch andere Zivilisationsgüter spielen im Busch nicht so ganz mit. "Wir haben sogar einen Fernseher", lacht Thomas "Aber der rauscht nur". Am ersten Wochenende gibt es Aufregung: "Drei Leute sind verloren gegangen und haben ein Signalfeuer gelegt. Das hat dann um sich gegriffen", erzählt Thomas. Dass Menschen hier verloren gehen, ist nicht selten. In weiten Bereichen gibt es keine Wege und Straßen, die flachen Hügel tun ihr Übriges und schon nach einer kurzen Wanderung "siehst du nicht mehr, wo die Zivilisation anfängt". Außer ein paar Wildhütern und Biologen, die sich um den Nationalpark kümmern, wohnt hier niemand. Dafür genießen die Tiere ihre Ruhe. Hier leben nicht nur Kängurus und Koalas, sondern auch Schleiereulen, Kakadus, Freckelenten und viele andere Tiere. Freckelenten sind extrem selten: "Im Nature Reserve leben etwa 20-30 Exemplare", so Thomas. Das sind 75 Prozent der Weltpopulation. Im Park haben die Vögel ein Brutgehege, das sie vor ihren Feinden schützt. Auch andere Arten leben hier in Käfigen. Kranke Tiere, die gefunden werden, werden liebevoll wieder aufgepäppelt. So fanden die Pfleger eines Tages ein winziges Rattenkänguru, dessen Mutter keine Milch produzierte. Thomas nahm es in seine Obhut und fütterte es jeden Tag drei Mal mit der Flasche. Das Rattenkänguru, das tatsächlich aussieht wie eine etwas größere Ratte, ist eine recht seltene Känguruart. Andere Spezies wie die roten Kängurus sind dagegen in Australien so häufig, dass ihre Zahl dezimiert werden soll. Farmer beschweren sich immer wieder, dass die Kängurus das Gras ihrer Felder fressen und die Schafe und Rinder kein Futter mehr haben.
"Alle paar Jahre werden Hunderte von Kängurus abgeschossen, damit nicht alle verhungern. Die Überlebenden vermehren sich dann aber schnell, so dass das gleiche Problem bald wieder auftritt", erklärt Thomas. Die Kängurus, die in den Gehegen in Tidbinbilla leben, werden deshalb sterilisiert. Australische Forscher beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob die Kängurus wirklich die Ernten der Farmen zerstören. Im Nature Reserve versehen sie deshalb Kängurus mit Sendern damit sie sie später in freier Wildbahn genau orten können. So können sie ständig überprüfen, wohin es die Tiere treibt. Thomas reist derzeit in Neuseeland umher. Ab Oktober ist er wieder in Heidelberg und setzt sein Biostudium fort. Er ist zwar froh, wieder in der Zivilisation zu sein, aber die Tiere vermisst er schon. "Das ist einfach mehr als ein Job. Wer dort arbeitet, liebt die Tiere". Text von |
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