Studenten zu den neuen Mathekursen an der FU Berlin
(Die Passagen entstammen einem Interview, das im Auftrag des Dozenten Harald Nusser am 7.5.2001 durchgeführt wurde)
f: Was erwartet ihr allgemein vom Studium?
l: In der Lage zu sein, autonom zu lernen.
m: Die Welt vielleicht in einem anderen Licht zu sehen.
f: Hattet Ihr die Mathekurse, wie ihr sie jetzt an der Uni erlebt, vor Beginn des Studiums so erwartet?
l: Eigentlich nicht, weil ich nicht dachte, dass man im Mathematikunterricht so viele Verknüpfungen zu anderen Fächern herstellen kann.
m: Ich habe es mir eigentlich viel trockener vorgestellt und gedacht, dass da vorne irgendwie so ein weißhaariger Professor die Tafel voller Formeln schreibt und man nachher genauso schlau wie vorher ist.
s: Ich stimme ihm zu, denn ich habe Mathe in der Schule selber tierisch gehasst und bin positiv davon überrascht, dass ich doch so einen jungen Dozenten bekommen habe.
f: Was gefällt euch an der Veranstaltung
m: Ich finde sie manchmal ganz interessant und spaßig, weil oft noch so ein ironischer Unterton dabei ist. Außerdem regen sie dazu an, über die Übungsaufgaben oder die Veranstaltung noch einmal intensiv nachzudenken.
f: Fehlt euch etwas?
s: Eigentlich nicht. Ich finde aber, dass der Dozent manchmal, wenn er am Ende unter Zeitdruck steht, viel zu schnell ist. Letzte Woche ist er selbst durcheinandergekommen. Dann kommt man nicht mehr mit. Er sollte lieber einmal überziehen, damit müssen dann die Studenten eben klarkommen. Der Vorteil für sie ist dann, dass sie es einfach auch besser verstehen.
s: Ich finde es wichtig, dass der Dozent versucht, seine Hörer in die Versuche miteinzubeziehen, z.B. dass einer mit dem Mund Gummibärchen auffangen soll und dann eine Fangquote zur Diskussion gestellt wird. Das ist dann zwar automatisch etwas unruhig, aber wir wissen auch, dass in dem Moment ein entscheidender Punkt besprochen wird, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken sollen. Viel besser als bloß sture Theorie.
f: Seid ihr kritischer in bezug auf mathematische Sachverhalte geworden?
m: Ich denke schon. Auf dem ersten Übungszettel in Statistik beispielsweise ging es darum, dass man selbst eine Statistik manipulieren soll. Für mich war es ein erschreckendes Erlebnis, dass man einfach ein Diagramm ein bisschen anders aufbauen kann und dann scheinbar ein völlig anderes Ergebnis herauskommt.
s: Ich muss dir zustimmen. Ich fand es auch wichtig, zu lernen, dass nicht jede Statistik die Wahrheit widerspiegelt. Durch die drei Vorlesungen bisher sehe ich mir jetzt Statistiken anders an als vorher. Ich stelle mir die Frage: wie ist die Einteilung der Skalen und ist da nicht doch irgendwo manipuliert worden.
f: Fühlt ihr Euch durch den Dozenten und seine Tutoren ernstgenommen und holen sie euch da ab, wo ihr steht?
k: Auf jeden Fall! Dadurch, dass es noch so junge Leute sind, fühlen wir uns ernstgenommen, auf jeden Fall.
f: Traut ihr euch nun eher, euch zu mathematischen Fragestellungen zu äußern?
s: Es ist eine tolle Sache, dass die Aufgaben nicht mehr nur nach Richtigkeit bewertet werden, sondern danach, ob der Lösungsansatz sinnvoll ist. Dadurch hat man viel weniger Druck, als in herkömmlichen Mathe-Veranstaltungen. Der Tutor erkennt, ob man sich wirklich mit einem Problem beschäftigt hat. Dann hat man auch die Aufgabe sinnvoll bearbeitet.
m: Und vor allem finde ich es schön, dass dieses Schwarz-Weiß Denken nicht da ist. Es kann eben passieren, dass man sich ganz ausführlich mit einem Thema beschäftigt hat und durch einen dummen Zufall verrechnet man sich dann. In so einem Fall hat das dann keine Auswirkungen. Das finde ich sehr sehr gut.
f: Wie findet Ihr die Verständnisaufgaben, bei denen ihr euch schriftlich ohne mathematische Formeln äußern sollt?
s: Die finde ich sehr gut.
l: Die Grundabsicht von dieser Veranstaltung ist, die Intelligenz zu entwickeln.