September 2001

"Wir müssen den Studenten mehr Mut machen"

Heinz Duddeck Fragen an Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Heinz Duddeck, Professor des Institutes für Statik an der Technischen Universität Braunschweig von 1966 bis 1996.

Wer der Meinung ist, dass sich Professoren nur auf ihren Lorbeeren ausruhen, Studierende als Belastung empfinden und sowieso nur Spezialisten in ihrem Fach sind, hat Professor Heinz Duddeck noch nicht kennen gelernt. Bauingenieur mit viel Engagement, gehen seine Interessen doch weit über technische Fragestellungen hinaus. Ein Interview nicht nur für Ingenieure.



sg: Professor Duddeck, bringt das Bauingenieurstudium in Deutschland gute Ingenieure hervor?

HD: Ganz sicher, zumindest, wenn man den fachlichen Maßstab zugrunde legt. Der Prüfungsplan sieht vor, dass den Studierenden die Grundlagen in allen Richtungen des Bauingenieurwesens mitgegeben werden, bevor sie sich in ausgewählte Fächer vertiefen. So können sie später in den verschiedenen Gebieten wie zum Beispiel Konstruktiver Ingenieurbau, Wasserbau, Verkehrswesen oder Materialforschung arbeiten. Allerdings meine ich, dass die gesellschaftlichen und sozialen Komponenten im Studium etwas zu kurz kommen. Das Pflichtpensum von sechs Semesterwochenstunden, für die möglichst ingenieurfremde Fächer gewählt werden sollen, ist dafür zu wenig!

sg: Das klingt nach mangelndem "Wissen über den Tellerrand". Aber ist das für den Beruf des Ingenieurs tatsächlich so bedeutsam?

HD: Aber unbedingt. Als Ingenieur beeinflusst man seine Umwelt nachhaltig. Weil Technik die Welt so sehr verändert, ist es wichtig, dass Ingenieure auch die Fragen nach dem Wieso und Warum und den Auswirkungen eines Projekts stellen. Die Studenten lernen heute zu sehr Rechnen und Vorschriften nachzuvollziehen, werden aber nur selten gefordert, ein Projekt in einem größerem Kontext zu betrachten, zu analysieren und kritisch zu hinterfragen. Die Universität muss die Studenten aber gerade darauf vorbereiten.

sg: Und wie könnte man das erreichen?

HD: Man sollte den Studenten bei seiner Persönlichkeitsbildung unterstützen. Persönlichkeit ist weit mehr als angehäuftes Fachwissen.

Klick für Vergrößerung Irgendwann in geselliger Runde ist dazu folgendes Bild entstanden (Abbildung rechts: Klick für Vergößerung):
Links stehen die Elemente der Bildung und des Sozialen, rechts die fachliche Kompetenz. Das Verhalten des Mensch kann konsumierend, aktiv oder kreativ sein. Das Bild den Idealfall für einen 45jährigen und typische Bilder für jüngere. Wenn wir uns alle so weiterentwickeln könnten, jeder natürlich mit seinen Schwerpunkten, hätte das sicherlich viele wünschenswerte Auswirkungen. Gerade Ingenieure wären in der Gesellschaft dann besser angesehen.

sg: Die Wirtschaft fordert von den Universitäten immer vehementer den Ingenieur mit hohem Praxiswissen. Das aber kollidiert mit Ihren Vorstellungen gewaltig!

HD: Ich halte es für falsch, wenn sich das Studium zu nah an der Wirtschaft orientiert. Für die unmittelbare praktische Einsatzfähigkeit ist vor allem die Fachhochschule da. Wir an der Universität bilden den Nachwuchs für die Zukunft aus, und das ist eine Zukunft, die wir noch nicht kennen. Wir müssen darum die Studenten ertüchtigen, sich selbst Wissen anzueignen - für ihr Fach, aber auch darüber hinaus.

sg: Für die Studenten bedeutet das aber auch: Die Anforderungen steigen noch mehr. Denn wie soll ein Student beides schaffen, ohne dass etwas auf der Strecke bleibt?

HD: Mein Traum ist der engagierte Student, der von sich aus lernen will und aktiv sein Studium plant. Ein Student, der die Möglichkeiten sieht, in einem nur grob abgesteckten Rahmen des Studiums sich selbst zu entwickeln und eigene Wege auszuprobieren. Leider machen davon zu wenige Gebrauch. Als Beispiel: Wir Professoren begrüßten es sehr, als die Universität Hannover eine Professur für Ethik bei den Ingenieuren eingerichtet. Doch leider wird dieses Angebot nur wenig angenommen.

sg: Glaubt man der Presse, geht es mit der Motivation der Studentenschaft sowieso immer nur abwärts. Viele bemängeln, dass die heutigen Studierenden so ziellos erscheinen.

HD: Da kann ich die Studierenden von heute "trösten". Auch die Studenten der früheren Jahre wussten nicht immer, auf welche Zukunft sie hinarbeiten sollten. Auch sie haben oft erst in der Praxis erfahren, wofür sie begabt waren. Soviel haben sich die Menschen nun doch nicht geändert. Die wirtschaftliche Situation ist nur heute leider so, dass der Druck auf die Studenten, viel zu leisten, größer ist.

sg: Was kann man tun, um wieder Neugierde auf die Zukunft und Selbstvertrauen in sich selbst in den Studenten zu wecken?

HD: Wieso gaukelt man den Studenten heute vor, sie müssten schon in der Universität wissen, was genau sie in 10, 20 Jahren machen wollen? Auch die Professoren wissen nicht, was man in 10 oder 20 Jahren als Ingenieur tun wird. Ich zum Beispiel hätte nie daran gedacht, dass ich Professor sein werde. Doch im Laufe der Jahre brachte jede neue Lebensphase neue Perspektiven. Nicht der fertige Lebensplan ist wichtig, sondern dass man überhaupt einen hat, um ihn dann ständig zu verändern. Was-Wäre-Wenn Spiele und Träume. Wenn man sich Zukunftspläne macht, geht es vielleicht leichter im Studium und es bereitet besser für das Leben "danach" vor.

sg: Aber trotzdem - wenn man die Stellausschreibungen der Unternehmen liest, werden 30jährige Alleskönner mit reichlich Erfahrung, kurzen Studienzeiten und drei Sprachen fließend gesucht. Ist es da ein Wunder, wenn Studenten verzweifeln - oder zumindest nah dran sind?

HD: Wir, und das heißt auch wir Professoren, müssen den Studenten mehr Mut machen. Wer als Absolvent heute eine Universität verlässt, der kann mehr als er selbst glaubt. Auch wenn ich vorhin bemängelte, dass die sozialen und gesellschaftlichen Implikationen von Technik im Studium nicht ausreichend berücksichtigt werden, so haben doch alle Abgänger eine fundierte fachliche Ausbildung. Sie haben gelernt, selbständig Projekte zu bearbeiten, Probleme zu lösen und ihre Aufgaben zu organisieren. Damit ist ein wichtiger Grundstock gelegt, auf den aufgebaut werden kann. Man sollte als Student das Erreichte nicht unterschätzen. Mit dem guten fachlichen Wissen kann man den hinzukommenden Anforderungen der Praxis gelassen entgegensehen. Nicht zuletzt - auch die Stellen- ausschreiber waren einmal Studenten, die manche Prüfung vielleicht erst im zweiten Anlauf geschafft haben.

sg: Sciencegarden ist ein Magazin für Junge Forschung. Was würde Sie Studenten und Doktoranden am Beginn einer Forschungskarriere empfehlen?

HD: Sie sollten sich zunächst darauf konzentrieren, in ihrem Fachgebiet möglichst an die Spitze des Wissens zu gelangen. Erst später sollte die Verbreiterung auf Nachbargebiete erfolgen. Stecken Sie sich für die Dissertation einen festen Zeitrahmen. Lassen Sie sich nicht für Aufgaben missbrauchen, die nicht zu ihrem Thema gehören oder nicht ihrer Weiterbildung dienen. Lernen Sie Sprachen, so dass sie möglichst darin vortragen können. Und damit bei all der fachlichen Spezialisierung ihr Horizont nicht zu eng wird: Lesen sie viel und anderes und was sie ein wenig überfordert, damit Sie am Ende mehr von der Welt verstehen - und kein Homo faber werden.

Das Interview führte Birgit Milius
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