September 2001

Allein unter Kängurus

KängurusWie sieht es eigentlich im Kängurubeutel aus? Ein Student aus Heidelberg wollte es wissen und erhaschte so manch ungewohnte Blicke bei einem Praktikum in Australien.

Thomas Splettstößer hätte sich nie träumen lassen, dass er einmal hier landen würde. In Tidbinbilla, 40 Kilometer südwestlich von Canberra, der Hauptstadt Australiens, gibt es nichts, buchstäblich nichts, außer "dirt" - Dreck - , wie die Australier ihre Wüste liebevoll nennen. Hier verbrachte Thomas sechs Wochen seiner Semesterferien, verarztete Kängurus und viele andere Tiere, deren Namen er noch nie vorher gehört hatte.

Der Heidelberger Biologie-Student hörte vor einigen Monaten von einem Kommilitonen, dass ein Mitarbeiter der Uni Nürnberg Studenten Praktika in Australien vermittelt. Die dort verbrachte Zeit könne man sich sogar für sein Studium anrechnen lassen.

Im Kängurubeutel
Wussten Sie, dass Kängurus einen Beutel-Schließmuskel haben? Mit dem Muskel am Rand des Beutels halten die Mütter ihre Babys im Beutel fest und verhindern, dass sie beim Hüpfen herausfallen. Das Innere des Beutels ist unbehaart. Normalerweise sammelt sich viel Dreck im Beutel, aber wenn ein Känguru ein Baby bekommt, leckt es den Beutel sorgfältig aus.

Nach einem Besuch bei Dr. Udo Ganslosser stand für den 22-Jährigen fest: Im Sommer geht es nach Australien. Was ihn dort erwarten würde, konnte er jedoch noch nicht erahnen.

Nach 23 Stunden Flug und endloser Fahrerei ist er auf der anderen Seite der Erde im "Nature Reserve", einem Nationalpark im Australian Capital Territory. Mit drei anderen Praktikanten wird er in einer kleinen Hütte einquartiert. In der Nacht die erste Überraschung: Es gibt kein fließendes Wasser, die Leitungen sind eingefroren.

"Wenn bei uns in Deutschland Sommer ist, ist hier Winter und besonders draußen im Busch kann es manchmal ganz schön kalt werden", berichtet Thomas. Tagsüber tauen aber die Leitungen wieder auf. Auch andere Zivilisationsgüter spielen im Busch nicht so ganz mit. "Wir haben sogar einen Fernseher", lacht Thomas "Aber der rauscht nur".

Am ersten Wochenende gibt es Aufregung: "Drei Leute sind verloren gegangen und haben ein Signalfeuer gelegt. Das hat dann um sich gegriffen", erzählt Thomas. Dass Menschen hier verloren gehen, ist nicht selten. In weiten Bereichen gibt es keine Wege und Straßen, die flachen Hügel tun ihr Übriges und schon nach einer kurzen Wanderung "siehst du nicht mehr, wo die Zivilisation anfängt".

Außer ein paar Wildhütern und Biologen, die sich um den Nationalpark kümmern, wohnt hier niemand. Dafür genießen die Tiere ihre Ruhe. Hier leben nicht nur Kängurus und Koalas, sondern auch Schleiereulen, Kakadus, Freckelenten und viele andere Tiere. Freckelenten sind extrem selten: "Im Nature Reserve leben etwa 20-30 Exemplare", so Thomas. Das sind 75 Prozent der Weltpopulation.

Im Park haben die Vögel ein Brutgehege, das sie vor ihren Feinden schützt. Auch andere Arten leben hier in Käfigen. Kranke Tiere, die gefunden werden, werden liebevoll wieder aufgepäppelt. So fanden die Pfleger eines Tages ein winziges Rattenkänguru, dessen Mutter keine Milch produzierte. Thomas nahm es in seine Obhut und fütterte es jeden Tag drei Mal mit der Flasche.

Das Rattenkänguru, das tatsächlich aussieht wie eine etwas größere Ratte, ist eine recht seltene Känguruart. Andere Spezies wie die roten Kängurus sind dagegen in Australien so häufig, dass ihre Zahl dezimiert werden soll. Farmer beschweren sich immer wieder, dass die Kängurus das Gras ihrer Felder fressen und die Schafe und Rinder kein Futter mehr haben.

Merkwürdiger Ort
"Tidbinbilla" ist ein 40 Kilometer südwestlich von Canberra gelegener Ort. Der Name stammt aus der Sprache der Aborigines, der Ureinwohner Australiens. Übersetzt heißt er "Der Ort an dem Jungen zu Männern werden". Die Australier haben viele Ortsnamen der Aborigines übernommen.

Die Kängurus können sich so unbeschwert ausbreiten, weil ihre natürlichen Feinde, die Dingos, von den Menschen immer mehr dezimiert wurden. Auch im Nature Reserve ist das Problem bekannt. Vor zwei Jahren fraßen die Kängurus buchstäblich alles weg, so dass andere Tiere verhungerten. Damals mussten die Wildhüter 500 Tiere abschießen.

"Alle paar Jahre werden Hunderte von Kängurus abgeschossen, damit nicht alle verhungern. Die Überlebenden vermehren sich dann aber schnell, so dass das gleiche Problem bald wieder auftritt", erklärt Thomas. Die Kängurus, die in den Gehegen in Tidbinbilla leben, werden deshalb sterilisiert.

Australische Forscher beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob die Kängurus wirklich die Ernten der Farmen zerstören. Im Nature Reserve versehen sie deshalb Kängurus mit Sendern damit sie sie später in freier Wildbahn genau orten können. So können sie ständig überprüfen, wohin es die Tiere treibt.

Thomas reist derzeit in Neuseeland umher. Ab Oktober ist er wieder in Heidelberg und setzt sein Biostudium fort. Er ist zwar froh, wieder in der Zivilisation zu sein, aber die Tiere vermisst er schon. "Das ist einfach mehr als ein Job. Wer dort arbeitet, liebt die Tiere".

Beitrag von Sina Bartfeld
Anzeigen
Anzeige
backprinttop

Suche

Online-Recherche

Suchmaschinen, Infos, Datenbanken » mehr

Wettbewerbe

Wettbewerbsdatenbank für junge Forscher » mehr

Rezensionen

Buchrezensionen der sg-Redaktion » mehr

Podcasts

Übersicht wissenschaftlicher Podcast-Angebote » mehr

sg-Newsletter


anmelden
abmelden
?

sg-News-Feed

Abonnieren Sie unseren News-Feed:

News-Feed
AddThis Feed Button

Space-News

Aktuelle News bei Raumfahrer.net:
  • ISS - Orbitanhebung durchgef�hrt
  • Hubble sieht eine spektakul�re Gravitationslinse
  • Verteilung der Antimaterie in unserer Galaxie
  • Mars - Asteroideneinschlag unwahrscheinlich
  • NOAA untersucht Orbits von Navigationssatelliten

sg intern

Anzeigen

BCG
Infos | Events | Kontakt


Deutscher Studienpreis