Wissen nutzbar machen
Weißt du, wer was über Weinlese weiß? An deutschen Universitäten tummeln sich zu Tausenden Wissenschaftler, von deren Existenz die Öffentlichkeit keine Notiz nimmt. Die Kompetenz dieser Forscher wird nicht abgerufen, obwohl sie eigentlich gebraucht wird. Häufig nämlich suchen Menschen nach Spezialisten, die Vorträge über ein spezielles Thema halten können, Beiträge für Festschriften zu Jubiläen von Vereinen, Gemeinden oder Unternehmen schreiben oder Hilfestellungen bei wichtigen Entscheidungen geben können.
An dieser Stelle setzt das Freiburger Wissenschaftsforum (FWF) an. "Das FWF versucht, Anbieter und Nachfrager von Wissensleistungen zusammenzubringen", sagt Christian Pohl, stellvertretender Vorsitzender des FWF. Die Idee dabei ist so einfach wie genial. Auf einer Internetseite geben Wissenschaftler ihre Kompetenzen an und bieten gleichzeitig Möglichkeiten, die eigene Kompetenz zu bewerten. Auf diese Weise wird eine sogenannte Wissensträgerkarte erstellt. Wenn nun jemand für einen Vortrag über Weinlese gesucht wird, kann relativ schnell ein Wissenschaftler gefunden werden, der die speziellen Ansprüche erfüllt. Pohl betont: "Für uns ist es wichtig, dass wir eine Vermittlungsfunktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wahrnehmen."
Wissensträgerkarten
Eine der fünf wesentlichen Darstellungsarten von Wissen innerhalb einer Organisation. Auf Wissensträgerkarten wird festgehalten, wer Wissen besitzt und somit schnell in der Lage ist es anzuwenden.
Das kommt vor allem dem akademischen Mittelbau zugute. Gerade die Forscher, die an ihren Doktorarbeiten und Habilitationsschriften arbeiten, haben ein erstaunliches Detailwissen über ihr Forschungsgebiet, sind aber meist noch unbekannt - selbst bei Kollegen aus dem gleichen Fachgebiet. So ist eine Vermittlung über die klassischen Netzwerke kaum möglich. Beim FWF sollte sich dagegen durch die hohe Anzahl der Wissenschaftler und deren große Detailkenntnis für jedes noch so abgelegene Thema ein Fachmann finden lassen.
Gute Ideen werden in Seminaren geboren. Das gilt auch für das FWF. Das Gründungsteam kennt sich nämlich aus einem Soziologieseminar über Luhmann, das später im privaten Kreis fortgesetzt wurde. Die Beschäftigung mit der Wissensverarbeitung in sozialen Systemen führte dann zu der Einsicht, dass es es eine Institution wie das FWF einfach geben muss. Inzwischen besteht das Team auch aus anderen Wissenschaftlern. Den Vereinsvorsitz hat eine Professorin übernommen. Allerdings trifft das FWF an der Freiburger Universität nicht nur auf Zustimmung. Das lässt sich aber verschmerzen, denn die Finanzierung wird von Firmen übernommen, die von dem Konzept überzeugt werden konnten. Inzwischen gibt es sogar eine Außenstelle in Berlin. Jürgen Willinghöfer, ursprünglich Grundschullehrer und jetzt Philosophiestudent und Leiter der Berliner Außenstelle, begründet die Erweiterung mit der zunehmenden Konzentration von Unternehmen in Berlin. Jede wichtige Firma hat inzwischen einen Sitz in Berlin. Auch die politische Unterstützung eines solchen Projektes lässt sich auch am besten in der Hauptstadt organisieren. Nicht zuletzt ist auch das wissenschaftliche Potenzial in Berlin am größten.
Ein zweites Standbein für das FWF ist die Durchführung von Seminren für Studierende. Themen dabei sind relevante Inhalte, die im Studium nicht abgedeckt werden. So können sich Studierende etwa über Öffentlichkeitsarbeit, Rhetorik oder Präsentationstechniken informieren. Außerdem werden Treffen organisiert, auf denen Netzwerke geknüpft und Erfahrungen innerhalb der Wirtschaft ausgetauscht werden können.
Die dritte Säule im Konzept des FWF ist Auftragsforschung. "Wenn Sie eine Unternehmensberatung engagieren, kommen die mit ihrem Lösungskoffer an und präsentieren Ihnen eine Standardlösung, die sie schon an hundert anderen Kunden verkauft haben.", sagt Pohl. Zwar hätten Unternehmensberatungen eine ungeheure Methodenkompetenz, sie können aber gewöhnlich keine Fachkompetenz für spezielle Probleme anbieten. FWF kann über seine Wissensträgerkarten relativ einfach virtuelle Teams für spezielle Probleme zusammenstellen. Auf diese Weise kann dann zum Beispiel eine Winzergenossenschaft Gutachten über den Wert von Immobilien in einer ganz speziellen Lage erhalten. Da die virtuellen Teams nicht dauerhaft bezahlt werden müssen, sind diese Beratungsprojekte auch noch günstiger als jene von professionellen Unternehmensberatungen. Zudem wird so den jungen Akademikern Praxisbezug vermittelt . Und nicht zuletzt auch Anerkennung auch außerhalb des Wissenschaftsbetriebs.
Links zum Thema
- Freiburger Wissenschaftsforum
