Wenn die Natur verrückt spielt
Hawaii, Australien, Südafrika: Wer denkt da nicht an Urlaub, Sonne, Strand und Meer? Doch der rege Reiseverkehr in Länder wie diese hat auch seine Tücken: Nicht nur Touristen, sondern auch Ströme von Gütern und Waren aus aller Welt überqueren hier tagtäglich die Grenzen.
Und mit ihnen Blinde Passagiere, die ihre Wirkung oft erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten entfalten: Pflanzensamen, Insekten, manchmal gar Ratten oder andere Lebewesen, die verborgen in großen Frachtlieferungen, oder gar in den Schuhsohlen der Fluggäste mitreisen. Vorratsschädlinge aus verschiedenen Kontinenten, bereit, sich im neuen Schlaraffenland anzusiedeln und großen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden anzurichten.
Wissenschaftler aus aller Welt warnen bereits vor den unabsehbaren Folgen dieser sogenannten "Biologischen Invasionen". Denn sie finden inzwischen im globalen Maßstab statt. Von Nord nach Süd, Ost nach West und umgekehrt. Wer hätte gedacht, dass der Hamburger Hafen, ICE-Trassen und Autobahnränder in Deutschland inzwischen von einer Vielzahl gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten besiedelt werden?
Gewiss, es sind viele unscheinbare Arten dabei. Also, warum sollte man sich überhaupt Gedanken über so etwas machen? Wen kümmert es, wenn zum Beispiel kleine gelb blühende Pflanzen von Südafrika nach Deutschland eingeschleppt werden?
Doch wenn diese gelb blühende Pflanze ein gefährliches Gift enthält, wird das Problem deutlich. Und stellen Sie sich außerdem vor, dass diese Pflanze anfangen könnte, Massenbestände auf Viehweiden auszubilden. Die Folge wären Vergiftungsfälle bei Rindern und Schafen, oder - schlimmer noch - indirekte Schädigungen beim Menschen.
Sie glauben, das sei weit hergeholt? Falsch. In den Vereinigten Staaten ist genau so ein Fall bereits eingetreten: Dort wurden in der Milch und sogar im Brot Giftstoffe nachgewiesen, die eindeutig einer aus Europa eingeschleppten Pflanzenart (Senecio jacobaea) zugeordnet werden konnten. Vielleicht ein Einzelfall, vielleicht auch die Spitze eines Eisberges! Insgesamt sind seit dem 15. Jahrhundert über sechstausend (!!!) fremde Tier- und Pflanzenarten nach Nordamerika eingeschleppt worden.

Fallbeispiel zwei: Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum). Vielleicht haben Sie ja selbst schon einmal schmerzhafte Bekanntschaft mit dieser großen Staude aus der Familie der Doldenblütler gemacht. Die aus dem Kaukasus nach Mitteleuropa eingeschleppte Pflanze verursacht bei Berührung Brandwunden, sofern die Kontaktstelle dem Sonnenlicht ausgesetzt ist (phototoxischer Effekt).
Nur wenige dieser sogenannten "Neophyten" ("Neue Pflanzen") haben in der Vergangenheit solch spektakuläre Schlagzeilen gemacht: Es gibt dennoch genügend Gründe, sich mit den Folgen der globalen Mobilität auseinander zu setzen.
Wie sieht diese Auseinandersetzung nun konkret - aus der Sicht der Wissenschaft - aus? Nun, um überhaupt herausfinden zu können, ob in einem bestimmten Gebiet Neophyten (oder das zoologische Pandon: "Neozoen") auftreten, muss man erst einmal die "einheimischen" Vertreter kennen, und deren Bestände ständig überwachen.
Die Einwanderung von Neophyten oder Neozoen geschieht schließlich in mehreren Phasen. Grob gesagt, kann man eine erste Ausbreitungsphase, die sogenannte Etablierungsphase und die Integrationsphase unterscheiden. Ist ein Tier oder eine Pflanze erst einmal in der Etablierungsphase, so kann man der weiteren Ausbreitung oft nur noch wenig entgegensetzen.
Am Beispiel der kleinen, gelben südafrikanischen Pflanze "Senecio inaequidens" kann man derzeit einen aktuellen Einwanderungsprozess gewissermaßen "live" miterleben. Auffällig ist, dass die Pflanze hier in Mitteleuropa anscheinend kaum natürliche Fraßfeinde hat.
Dies jedenfalls könnte einer der Gründe für ihre rasche und erfolgreiche Ausbreitung sein. Inzwischen hat "Senecio inaequidens" schon Massenbestände in verschiedenen Viehweiden (vor allem in Italien, Spanien und Frankreich) gebildet. Und auch in diesem Fall handelt es sich um eine giftige Pflanze. In Laborversuchen wurde nachgewiesen, dass die Inhaltsstoffe leberschädigend und krebserregend sind.
Was also kann man als Wissenschaftler tun? Nun, einfach gesagt: Man sucht am besten nach einem natürlichen Feind, der die Pflanze "in Schach" hält. Dies könnten zum Beispiel ein Rostpilz sein, gefräßige Raupen, oder auch Pflanzenviren.
Besonders wichtig aber ist: Der Feind muss spezifisch gegen Senecio inaequidens wirken, schließlich will man ja nicht auch die Begleitpflanzen schädigen. Und diese Suche nach geeigneten Kontrollorganismen kann sich unter Umständen über Jahrzehnte hinziehen. Genug Zeit für neue Pflanzen und Tiere, nach Mitteleuropa einzuwandern und sich in Ruhe auszubreiten. Und genug Arbeit für zahlreiche zukünftige
Literatur
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- Crawley, M. J. 1986. What makes a community invasible? Pages 429-453 in A. J. Gray, M. J. Crawley, and P. J. Edwards, editors. Colonization, succession and stability. Blackwell Scientific, Oxford, UK.
- Elton, Charles S.: "The Ecology of Invasions by Animals and Plants. "Neuausgabe 2000, 181 S., The University of Chicago Press, Chicago/London, paperback US$13, ISBN 0-226-20638-6.
- Elton, Charles S.: 1958. The ecology of invasions by plants and animals. Methuen, London, UK.
- J. A. Drake, H. A. Mooney, F. di Castri, R. H. Groves, F. J. Kruger, M.Rejmanek, and M. Williamson, editors. Biological invasions: a global perspective. John Wiley, Chichester, UK.
- Tilman, D. 1997. Community invasibility, recruitment limitation, andgrassland biodiversity. Ecology 78:81-92.
- Williamson, M. 1996. Biological invasions. Chapman and Hall, London,UK.
