"Jugend forscht hat mein Leben verändert"
Sg: Wie kommt man darauf, neben der Schule Verhaltensforschung an Primaten zu machen?
Lena: Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass ich mal Affen beobachten würde. Unser Leistungskurs-Betreuer hatte uns "Verhaltensforschung" als Rahmenthema für unsere Facharbeiten gegeben, und da bin ich auf die Idee gekommen, am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen (DPZ) nach möglichen Themen Ausschau zu halten.
Sg: Ursprünglich warst Du Dir ja gar nicht sicher, überhaupt in Richtung Biologie zu gehen.
Lena: Das stimmt. Den Bio-Leistungskurs am Felix-Klein Gymnasium in Göttingen hatte ich hauptsächlich deswegen gewählt, weil der Lehrer so nett war. Aber gerade meine Zeit am Deutschen Primatenzentrum hat gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war.
Sg: Wie sah Deine Arbeit am Deutschen Primatenzentrum konkret aus?
Lena: Ich habe zwei Jahre lang immer morgens vor- und nachmittags nach der Schule Praktika quer durch alle Abteilungen des DPZ gemacht. Das heisst, ich habe Einblicke in alle möglichen Teildisziplinen der Biologie, wie Pathologie, Reproduktionsbiologie, Virologie usw. erhalten. In jeder Abteilung war ich immer ein bis zwei Wochen. Ich habe dann vor allem das Verhalten von Liszt-, Rhesus- und Bartaffen untersucht.
Deutsches Primatenzentrum (DPZ)
Ca. 200 Mitarbeiter bearbeiten hier Themen wie Gehirnforschung, Immunsystem, Ökologie, Zucht und Verhaltensbiologie von acht verschiedenen Affenarten.
Sg: Und dann hattest Du die Idee, an "Jugend forscht" teilzunehmen?
Lena: Naja, unsere Schule war schon immer sehr aktiv in dieser Richtung. Mein Biolehrer hat mich dann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen.
Sg: Kann man denn ein Verhaltensforschungs-Projekt überhaupt in so kurzer Zeit durchführen?
Lena: Klar - einer der Primatenforscher erzählte mir von einer ehemaligen Diplomandin, die zum Thema "Handgebrauch bei Affen" gearbeitet hatte. So ein Thema war für mich genau das Richtige, weil man es unabhängig von der Tageszeit mit 2 Stunden Beobachtungsdauer pro Tag innerhalb von etwa vier Wochen bearbeiten kann.
Sg: Sind die von Dir untersuchten Affen-Arten nun also Rechts- oder Linkshänder?
Lena: Nun, so einfach kann man das nicht sagen. Bei den von mir untersuchten Verhaltensweisen (Futteraufnahme und Körperpflege) gab es sowohl reine "Rechtshänder" als auch "Linkshänder" - unabhängig von der jeweiligen Verhaltensweise. Ausserdem konnte ich beobachten, dass die Tiere mit zunehmendem Alter mehr und mehr zu "Rechts-" bzw. "Linkshändern" wurden - je nachdem, welche Hand sie im Jugendalter bevorzugt verwendet hatten.
Sg: Warum ist es wichtig, so etwas zu erforschen?
Lena: Ganz einfach: Die Hirnfunktionen bei Rechts- und Linkshändern sind ja auch beim Menschen deutlich verschieden. Zum Beispiel sollen besonders viele Mathematiker Linkshänder sein. Und da Affen unsere nächsten Verwandten sind, liegt nichts näher, als so etwas genauer zu beleuchten.
Sg: Wie muss man sich so einen "Jugend forscht" - Wettbewerb vorstellen?
Lena: Es war auf jeden Fall eine Erfahrung, die mein Leben verändert hat. Am wichtigsten war mir dabei, mit den anderen Leuten zusammen zu sein und die kreative Atmosphäre zu genießen. Es war mir nicht so wichtig, gegen jemand anderen zu gewinnen. Die Juroren waren bei mir allerdings leider nicht besonders freundlich.
Sg: Danach bist du dann für insgesamt acht Monate in die Vereinigten Staaten gegangen.
Lena: Ja, das war ein Kindheitstraum von mir. Ich bin ja auch in Amerika geboren, und wollte schon immer nach der Schule erst mal den "Duft der weiten Welt" genießen. Ich bin dann nach Austin an die Universität Texas gegangen, um im Bereich Biochemie zu arbeiten.
Sg: Nicht unbedingt naheliegend, wenn man vorher mit Affen gearbeitet hat...
Lena: Auch hier waren es ein paar glückliche Zufälle, die mir sehr geholfen haben. Den Laborleiter hatte ich bei einem Abendessen kennen gelernt - und Biochemie hat mich schon lange sehr begeistert, weil man da Spitzenforschung machen kann. Und ich wollte ja auch was machen, das sich anständig veröffentlichen lässt.
Sg: Zum Beispiel?
Lena: Wir haben mit Hefezellen gearbeitet und versucht, herauszufinden, wie die Produktion bestimmter Eiweiße gesteuert wird.
Sg: Wie ist Amerika - im Vergleich zu Deutschland?
Jugend forscht
Bundesweiter Wettbewerb für junge Menschen bis 21, die sich für Naturwissenschaften, Mathematik oder Technik interessieren
Lena: Es ist auf jeden Fall mehr Geld für die Forschung da. In den Labors trifft man sehr viele Studenten, die dort praktische Erfahrungen sammeln. Außerdem bekommt man auch 'credits' für die Teilnahme an Forschungsprojekten - ganz anders als hierzulande.
Sg: Trotzdem studierst Du jetzt in Bochum Biochemie.
Lena: Ja, hierzulande bekommt man eben doch eine sehr solide Grundausbildung, vor allem was die naturwissenschaftlichen Grundbegriffe anbelangt. Später möchte ich aber auf jeden Fall nach Amerika, zum Beispiel für die Doktorarbeit.
Sg: Danke für das Gespräch.
Links zum Thema
- Deutsches Primatenzentrum Göttingen
- Universität Texas, Austin
- Sciencegarden-Text zum Thema "Forschen in Amerika" und Eiweißynthese in Hefezellen
Zur Person
Lena Oesterlin, 21, studiert an der Uni Bochum Biochemie im 2. Semester. Sie wurde in Amerika geboren, besuchte dort die High School und kam dann für ihre weitere Schulausbildung nach Göttingen.
Literatur
- Annett, M.(1999): The stability of handedness. In: Connolly, KJ (ed.): The Psychobiology of the hand. Cambridge University Press, Cambridge
- Drea, CM et al. (1995): Neonatal testosterone and handedness in yearling rhesus monkeys (Macaca mulatta). Physiology & Behavior 58(6): 1257-1262. PDF
- Hopkins, WD & al (2001): Genetic Influence on the Expression of Hand Preferences in Chimpanzees (Pan troglodytes): Evidence in Support of the Right-Shift Theory and Developmental Instability . Psychological Science 12 (4): 299-303. PDF
- Westergaard, GC & al. (2001): Between-species variation in the development of hand preference among macaques. Neuropsychologia 39:1373-8. PDF oder online
