November 2002

Physik unter Wasser

Tauchen am Great Barrier RiffAm Great Barrier Riff in Australien lernen Studenten in einem neuen Kurs Unterwasserfotografie. Dazu gehört nicht nur Tauchen und Knipsen – sondern auch eine kleine Portion Physik

Unter Wasser ist alles anders: Es gibt kaum Geräusche, die Bewegungen werden sanft und ruhig, die Farben verblassen und man ist umgeben von schimmernden Blautönen. Auf ihren Tauchgängen begegnen die Studenten Schwärmen von Fischen, faszinierenden Korallen, Seeanemonen und Riesenmuscheln. Es besteht auch die Chance, mit Rochen, Haien und – zu bestimmten Jahreszeiten – Walen zu tauchen.

Die Aufgabe für die Studenten ist klar: Professionelle Fotos aufnehmen. "Das ist gar nicht so leicht, wie man erst einmal denkt", sagt Peter Kennedy, der Leiter des neuen Kurses “Underwater Photography” an der James Cook University (JCU) in Cairns. Er selbst taucht seit zwei Jahren und hat gerade erst begonnen, die Unterwasserfotografie zu entdecken. Daher hat er sich zwei Profis als Dozenten für den Kurs geholt: Bob und Dinah Halstead tauchen und fotografieren seit dreißig Jahren. Einige Jahre lang haben sie eigentlich eher auf ihrem Boot “Talia”, als an Land gelebt. Kennedy kennt die Schwierigkeiten der Anfänger aus eigener Erfahrung: "Im Grunde muss ich in der Lage sein, komplett ohne Hände zu tauchen, denn die brauche ich ja für die Kamera und den Blitz."

Für viele Fotoapparate, digital wie Spiegelreflex, gibt es inzwischen Gehäuse, die dem Wasserdruck standhalten und so ganz normale Landkameras für das Shooting unter Wasser tauglich machen. Zur guten Ausrüstung gehört außerdem ein Blitz und das Verständnis des Fotografen für die physikalischen Gesetze, denen ein Lichtstrahl unter Wasser folgt. So bricht beispielsweise Wasser das Licht anders, als Luft. Durch den unterschiedlichen Brechungsindex erscheinen alle Objekte unter Wasser grundsätzlich etwa ein Viertel näher und dadurch etwa ein Drittel größer. Eine typischer Anfängerfehler ist daher, den Blitz auf die falsche Entfernung einzustellen.

Taucher

Extinktion
Physiker verstehen unter Extinktion die Zusammenfassung der Strahlungs- abschwächung durch Absorption und Streuung.

Doch mit der Zeit lernt der Fotograf, die Abstände richtig einzuschätzen. Die großen Probleme für den Unterwasserfotografen liegen woanders: Erstens ist es grundsätzlich zu dunkel, zweitens verschwinden die Farben und drittens kann das Licht unter Wasser so gestreut werden, dass die Bilder misslingen. Physiker benutzen für diese fotografischen Ärgernisse die Begriffe "Reflexion", "Extinktion" (auch "Auslöschung") und "Streuung".

Dahinter stehen ganz einfache, physikalische Phänomene: Durch Reflexion wird Licht von Oberflächen – auch der Wasseroberfläche – zurückgeworfen. So dringt nicht alles Licht in das Wasser ein. Je spitzer der Winkel ist, mit dem das Licht auf die Wasseroberfläche auftritt, um so mehr wird reflektiert. Die besten Lichtverhältnisse herrschen zur Mittagszeit, wenn die Sonne hoch am Himmel steht und die Lichtstrahlen senkrecht auf die Wasseroberfläche treffen. Deshalb hat übrigens auch der Wellengang einen wichtigen Einfluss auf die Lichtverhältnisse: Je mehr Wellengang, desto weniger senkrechte Eintrittsfläche hat das Licht und desto dunkler ist es.

Schon vor hundert Jahren versuchten die Pioniere der Unterwasserfotografie den schlechten Lichtverhältnissen ein Schnippchen zu schlagen und ihre eigene Lichtquelle unter Wasser zu bringen. Was damals noch ein monströser Lichtapparat war, gehört heute zu jeder guten Kamera: Der Blitz. Er bringt nicht nur Licht ins Dunkle, sondern wirkt auch der Extinktion entgegen, also der Auslöschung der Farben.

Für viele Urlauber äußert sich das ganz praktisch als Farbverlust auf ihren Unterwasserbildern. Tauchneulinge kaufen sich gerne in den Ferienorten eine wasserfeste Wegwerfkamera, doch beim Entwickeln kommt die große Enttäuschung: alle Bilder sind blaustichig. Das kommt daher, dass die Spektralfarben des Lichtes unterschiedlich schnell absorbiert werden. So verschwindet Rot schon bei einer Wassertiefe von drei Metern, Orange bei fünf, Gelb bei zehn Metern. Erst in größeren Tiefen verblassen Grün und Blau. Das hat den Effekt, dass ein leuchtend gelber Schnorchel bei dreißig Metern Tiefe ganz unscheinbar grünlich wirkt. Richtet der Taucher aber seine Taschenlampe auf den Schnorchel, ist er wieder gelb.
[Mehr Details und aktuelle Forschung]

Ein Blitz ist also notwendig. Aber wenn viele Schwebstoffe im Wasser sind, kann der plötzliche Lichtstrahl auch ein echtes Problem werden. Denn solche Partikel findet man dann auf dem Bild als hässliche große Quadrate wieder. Hier ist erneut die Reflexion im Spiel, denn die Partikel im Wasser sind wie kleine Spiegel, die das Licht des Blitzes auf den Film zurückwerfen. Professionelle Fotografen halten in diesem Falle einen einzeln beweglichen Blitz weit von der Kamera weg, damit die Lichtreflexe nicht direkt auf den Film zurückstrahlen. Ganz ausgefuchste sollen sogar schon Ballons mit destilliertem Wasser (garantiert ohne Schwebstoffe) mit unter Wasser gebracht haben und dann durch diese hindurch fotografiert haben.

Raffinierter sind wiederum die Forscher: Sie setzen neue Videokameras ein, die mit Lasern arbeiten. Ganz einfach gesagt, funktionieren diese Kameras, weil sie schnell sind. Sowohl die Pulsdauer des Lasers, als auch die Verschlusszeit beträgt nur fünf Nanosekunden, also fünf Milliardstel Sekunden. Wenn ein Laserpuls losgeschickt wird, kommt das Streulicht, das von Partikeln auf dem Weg zum Objekt reflektiert wurde, früher wieder bei der Kamera an, als die Strahlen von dem Objekt selbst. Da die Verschlusszeit so unglaublich kurz ist, können die Forscher sie genau auf das Zeitfenster einstellen, bei dem das Streulicht schon vorbei ist und das Bild vom gewünschten Objekt bei der Kamera ankommt. So nehmen die Meeresphysiker der Uni Oldenburg ganz exakte Bilder ohne Streulicht auf.

Die Studenten in Cairns beschäftigen sich nicht mit derartig hochtechnischem Gerät. Für sie reicht der herkömmliche Fotoapparat mit Blitz. Doch genau wie für die Wissenschaftler sind für die Studenten Streuung, Blitz und die richtige Linsenwahl wichtige Grundlagen. Nächstes Jahr soll der Kurs ergänzt werden durch Unterwasser-Videografie.

DiagrammSpektrum der Eindringtiefe, bei der die Lichtintensität nur noch ein Prozent des Wertes an der Oberflächen beträgt, aufgenommen vor der westafrikanischen Küste bei hohen Algenkonzentrationen (oben) und auf dem offenen Ozean in klarem Wasser (unten). Man erkennt das blau-grüne optische Fenster des Wassers zwischen 450 und 500 nm Wellenlänge, in dem das Licht in klaren Meeresregionen tief in die Wassersäule eindringen kann.

Bildquelle: Rainer Reuter, Meeresphysik Uni Oldenburg

Beitrag von Sina Bartfeld
Bildquelle [der Reihenfolge nach]: Maya Holme | Praveen Wignarajah | Rebecca Hayllar

Links zum Thema

  • Weitere schöne Fotos von den Studenten finden Sie direkt auf der Seite der JCU
  • Mehr Infos zu dem Kurs der JCU
  • Viele praktische Tipps zu Fotografie allgemein und UW-Fotografie liefert diese kanadische Website (Englisch).
  • Zwei begeisterte Unterwasserfotografen haben ausfürliche Informationen zu Kameras, Gehäusen, Blitz, Reisen, Wettbewerben, Reisen und vielem mehr zusammengestellt.
  • Wie sieht ein Studiengang Meeresbiologie in Deutschland aus? Infos von der Uni Rostock.

Literatur

  • Halstead, B. (2000). Coral Sea Reef Guide. Sea Challengers. Danville.
    www.seachallengers.com
    Der Autor dieses Buches, Bob Halsted, unterrichtet bei den praktischen Stunden des Faches Underwater Photography der JCU.
  • Edgar, G. (2001). Australian Marine Life. New Holland/Struik. Sydney.
    www.newholland.com.au
  • Odewald, L. (1999). Fotografie. Der Weg zum guten Foto. Jahr Verlag. Hamburg.
  • Fiedler, W. (2001). Unterwasserfotografie. Ausrüstung, Technik, Motive. Könemann Verlagsgesellschaft. Köln.
  • Köhler, A. & Köhler, D. (1999). Handbuch der Unterwasserfotografie. Inklusive Unterwasser- Videokameras. Delius Klasing Verlag. Bielefeld.
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