Ich will aussehen wie Barbie!
Operationen sind schmerzhaft. Viele Menschen scheuen sich vor solchen Eingriffen – sie fürchten die Schmerzen, die Gefahren der Narkose, mögliche neue Probleme. Trotzdem legt sich eine immer größer werdende Zahl an Menschen freiwillig „unters Messer“ – der Schönheit zuliebe. Doch was ist Schönheit? Wer bestimmt, was „schön“ ist? In der heutigen Zeit haben zunehmend die Medien diese Rolle übernommen. Rund um die Uhr werden uns Konsumenten scheinbar perfekte Körper präsentiert. Doch was ist (ab)norm?
Karin Felbermayr ist nicht sehr groß gewachsen und hat kurze schwarze Haare. Sie ist weder dünn noch dick. Im Rahmen ihres Kunststudium entstand die Videoarbeit „OP“, die beim Deutschen Studienpreis der Körberstiftung zum Thema „Wie viel Körper braucht der Mensch?“ ausgezeichnet wurde. Eine Schönheitsoperation.
sg: Karin, worum geht es in Deiner Arbeit?
KF: Das Video „OP“ dokumentiert eine Schönheitsoperation an Barbie. Es zeigt eine, wenn auch ungewöhnliche, Lösung des Konflikts zwischen individuellem Sein und dem Wunsch, dem Ideal unserer Gesellschaft zu entsprechen.
sg: Barbie feierte gerade letztes Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag. War dies für Dich der Anlass, der nun doch schon betagten Dame ein angemesseneres, verändertes Äußeres zu verpassen?
KF: Das Alter hat dabei keine Bedeutung gehabt, sondern vielmehr die Rolle, die sie für das Selbstbewusstsein vieler Frauen spielt. An Barbie hat mich fasziniert, wie sie bereits seit Jahrzehnten das Selbstverständnis von Frauen prägt. Sie ist zeitlos jung und auch nach 50 Jahren für viele noch Maßstab dafür, was an einer Frau schön ist! Als körperlich gesunder Mensch kann ich bei mir kein Defizit feststellen. Betrachte ich mich jedoch aus dem Blickwinkel der Gesellschaft, so stelle ich fest, dass ich nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entspreche. Barbie hingegen verkörpert das uns von den Medien vermittelte Ideal: groß, schlank und blond. So werde ich nie aussehen können. Deshalb verändere ich Barbie, so dass sie mir entspricht.
sg: Hättest Du auch an Dir selbst „herumgeschnitten“?
KF: Die Körperthematik ist bei mir in verschiedenen Arbeiten und Aktionen wiederkehrend. Ich habe mich auch intensiv mit dem Wiener Aktionismus beschäftigt. Diese Künstler verletzen sich bei ihren Performances oft sehr krass selbst. Dies will ich nicht. Ich möchte auf jeden Fall unversehrt bleiben, aber dennoch mit meinem Körper arbeiten.
Wiener Aktionismus,
österreichische Ausprägung der Aktionskunst, die unter Bezugnahme auf tiefenpsychologische Erkenntnisse religiöse und sexuelle Tabus in Frage stellt; zielt auf den Abbau von Aggressionen und die Freisetzung ursprünglicher, anarchischer Kreativität.
(Meyers Grosses Taschenlexikon, 5. Auflage)
sg: Mit einschlägigen Doku-Soaps, wie sie zur Zeit im deutschen Fernsehen so populär sind, wird versucht, Zuschauer als zukünftige Patienten zu gewinnen. Ist es Dein Ziel, dass alle Menschen so aussehen wie Du? Was hoffst Du mit Deiner Arbeit zu erreichen?
KF: Indem ich Barbie operiere, passe ich das Schönheitsideal meiner Wirklichkeit an. Das soll irritieren und so zum Nachdenken anregen. Von den Medien werden gesunde Menschen in eine Konsumhaltung und auch Opferrolle getrieben. Sie laufen einem Ideal hinterher, das nicht erreicht werden kann. Für viele scheint es nur einen „letzten Ausweg“ zu geben - die OP. Das sollte jedoch keine Lösung sein. Ein Umdenken kann aber nur einsetzen, wenn man (an)erkennt, dass man selbst „in Ordnung“ ist. Erst dann wird man bereit sein, das vorgesetzte „Ideal“ kritisch zu hinterfragen. Es erfordert viel Selbstbewusstsein sich so, wie man ist, zu akzeptieren – mehr, als wenn man versucht, ein fremdes Ich zu leben. Dass Ergebnis meiner Operation soll Mut machen, den eigenen Körper anzunehmen.
sg: Wenn eine Kundin Claudia Schiffers Busen und Cindy Crawfords Lippen will, so wird auf- und abgeschnitten, mit Silicon und Collagen unterpolstert und immer wieder mit der Vorlage verglichen. Bist Du ähnlich vorgegangen?
KF: In dem Sinne, dass ich mit körperfremden Mitteln hantiert habe und stets mit dem Vorbild verglich, ja. Bei dem Eingriff habe ich mich auf den Körper mit seinen Formen und Proportionen konzentriert. Das Gesicht und die Größe von Barbies Kopf habe ich nicht verändert. Zunächst musste ich mich genau ausmessen. Dann habe ich einen Verkleinerungsmaßstab bestimmt, um von meinen Maßen auf Barbies Maße umrechnen zu können. Den Maßstab habe ich erhalten, in dem ich meine und Barbies Kopflänge zueinander ins Verhältnis gesetzt habe. Ich fand es überraschend festzustellen, dass unsere Körperlängen fast übereinstimmten. Innerhalb Barbies Körpers waren die Proportionen jedoch verschoben. Gliedmaßen und Rumpf waren bei ihr zu dünn, Schultern mit Brust, Taille und Knie saßen zu tief. Außer der Anpassung der Proportionen habe ich auch noch Barbies Körperhaltung verändert: Wer will schon den ganzen Tag auf Zehenspitzen mit angewinkelten Armen und Knien stehen?
sg: Es ging ja auch wirklich brutal bei Deiner Operation zu. Du schonst den Zuschauer nicht, auch wenn natürlich kein Blut fliest.
KF: Der Wandlungsprozess kann schrittweise nachvollzogen werden. Ich zeige detailliert, wie ich die Puppe zerlege. Ich entferne, was an der falschen Stelle sitzt, baue unter anderem Gewindestangen, Beilagescheiben und eine Filmdose ein und füge Barbie dann wieder zusammen. Ein Ziel war es, Barbies Beweglichkeit zu erhalten. Das sollte jede Schönheitsoperation leisten. Dies machte die Implantation auch „körperfremder“ Bauteile notwendig. Nachdem der Körper in den Grundproportionen wiedererstanden war, habe ich die Körperoberfläche und die feineren Proportionen mit Leukoplast modelliert. Schicht für Schicht, durch immer wieder Vergleiche meiner und ihrer Maße, habe ich mich dann an eine Barbie mit meiner Figur angenähert. Die Leukoplast-Oberfläche ist am Schluss sichtbar geblieben. Bei Bedarf kann ich also jederzeit weitermodellieren.
sg: Säge, Cutter und Bohrer: Nur einige der von Dir verwendeten Instrumente. Zimperlich durfte Barbie also nicht sein, oder?
KF: Meine Patientin wird schließlich operiert! In den üblichen Fernsehsendungen oder Prospekten bekommt man es stets ein unglückliches Vorher und ein glückliches Nachher gezeigt. Mir war die Verwandlung Barbies wichtig, die schonungslosen Tatsachen sozusagen. Deswegen zeige ich in dem Video anstatt des „Vorhers“ das „Währenddessen“. Also den Schmerz und das Leiden, das gerne ausgeblendet und verharmlost wird. Das glückliche Nachher bin ich selbst, aber ich hatte ja schon vor der OP gut lachen.
sg: War das Darstellen wollen eines Prozesses der Grund für Dich, eine Videoarbeit zu machen? Warum hast Du nicht z.B. eine normale Fotoserie aufgenommen?
KF: Wichtig war mir der Prozess und die Gegenüberstellung von Barbie und mir. Im Video ist beides möglich. Parallel zu den Videoaufnahmen habe ich auch Fotos gemacht. Als Fotoarbeit an einer Wand funktioniert es formal nicht, Bilder von mir und Barbie nebeneinander zu hängen. Der Ausschnitt auf den Fotos, die Farben, unsere Positionen - das passte so einfach nicht zusammen! Deshalb zeige ich in Ausstellungen nur Fotos von Barbie. Für www.koerpernetz.de habe ich eine „Diashow“ zum Durchklicken zusammengestellt. Wie beim Film sieht man hier Bild für Bild nacheinander und nicht gleichzeitig wie in einer Ausstellung. Da sind also auch Aufnahmen von mir dabei.
sg: Einen Film zu produzieren und zu bearbeiten erfordert viel Können. Wurdest Du im Rahmen Deines Kunststudiums auf solche technischen Arbeiten vorbereitet? Lernt man wie man z.B. einen Film schneidet?
KF: Ja, aber es erfordert auch viel Eigeninitiative. Ich studiere Freie Bildhauerei in München. Das dortige Studienmodell gibt mir keine Pflichtkurse vor. Ich kann genau das lernen, was ich lernen möchte und mich so entsprechend meiner Vorstellungen weiterentwickeln. Trotzdem gibt es manchmal Probleme. So hatte ich zum Beispiel gelernt, Filme analog zu schneiden. Das Video zu „OP“ habe ich jedoch mit dem Programm „Final Cut“ am Rechner bearbeitet. Als ich anfing mit dem Programm zu arbeiten, gab es in dem Semester noch keinen Kurs. Daher habe ich es mir größtenteils autodidaktisch beigebracht, auch wenn ich viel Unterstützung von der Medienwerkstatt an unserer Akademie erhalten habe. Machen, aus Fehlern lernen und andere Studenten fragen bringt am meisten vorwärts.
Schön
prädikative Bezeichnung des Wohlgefallens an sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen und Erscheinungen, in dem sich eine unmittelbare Bezogenheit des Urteilenden, doch frei von zweckgerichteten Interessen, ausspricht.
(Meyers Grosses Taschenlexikon, 5. Auflage)
sg: Arbeitest Du ausschließlich mit dem Medium „Video“? Welche anderen Arbeiten gibt es von Dir und wo kann man sie sehen?
KF: Neben Video arbeite ich mit Foto, Aktion, Performance und Skulptur. Genau betrachtet modelliere ich bei „OP“ einen klassischen Akt. Wer das Glück hat und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann eine Aktion oder Performance erleben, die ich in das alltägliche Leben einbinde. Zwei kurze Videos „Facelifting“ und „Brustbild“ gibt es auch online zu sehen bei www.looknow.de.
sg: Eine letzte Frage: Könntest Du Dir vorstellen, selbst eine Schönheitsoperation an Dir durchführen zu lassen? Wenn ja, was und wieso würdest Du verändern wollen?
KF: Wie gesagt, bei Bedarf kann jederzeit weitermodelliert werden...
Links zum Thema
- www.Koerpernetz.de - das Werk von Karin Felbermayr online
- www.looknow.de - zwei Videos von Karin Felbermayr
- Eine Untersuchung, wer als schön empfunden wird
- Barbies
- Barbieology – the art and science of being Barbie
Zur Person
Karin Felbermayr
1976 | in München geboren |
seit 1998 | Studium, Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Olaf Metzel |
2002 | Studienaufenthalt in Budapest |
Ausstellungen (Auswahl) | |
2000 | - 202 ProjektRaum Bert Theis, Live-Performance „Phantom“, München |
- Kunstbüro Hasenbergl, München | |
- Kunstverein Schwetzingen | |
2001 | - Raum 110, „Candlelight-Dinner“, München |
- Boppstrasse 13 b, Mainz | |
2002 | - galeria zé dos bois, Lissabon |
- KIRAKAT, Live-Performance „Damenwahl“, Budapest | |
Preise | |
1999 | New York - Reisestipendium, Marschalk-von-Ostheim´sche-Stiftung |
2000 | Welde-Kunstpreis, Schwetzingen |
2001 | Studienstiftung des deutschen Volkes |
2002 | Deutscher Studienpreis, „Bodycheck“, Körber-Stiftung |
lebt und arbeitet in München |
