Easy und effektiv
Babette Borgert wippt auf ihrem Sitzball im kleinen Büro der Bonner Universität. Im 11. Stock hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Rheintal. Aber auch das konnte einen Studenten nicht davon abhalten, sich vor Prüfungsangst und Verzweiflung vom Dach zu stürzen. Dieser trostlose, typische Unibau ermutigt nicht nur zu geistigen Sprüngen. Der zweite Sitzball im Büro gehört Susann Szyszka, ebenfalls Psychologin und Therapeutin. Zusammen betreiben sie die bundesweit erste Agentur, die Coaching nur für Studierende anbietet. Die Universität hat die Räume zur Verfügung gestellt, das Coachingangebot ist aber privatwirtschaftlich organisiert, kostet also Geld. Und das sind viele bereit zu zahlen.
Mancher Studenten sitzt abends mit schlechtem Gewissen im Kino, weil er das Gefühl hat, tagsüber nicht genug gelernt zu haben. „Den Wechsel zwischen Spannung und Entspannung ist eins der zentralen Probleme von Studenten“, meint Susann. Vom eng strukturierten Alltag der Schule gelingt der Wechsel zur Universität vielen nur formal. Sie behalten nicht nur die schulischen Lernstrategien bei, sondern wissen auch nicht mehr, wann der Arbeitstag beginnt und endet. Darf ich bis zehn schlafen? Ist es okay, wenn ich im Schlafanzug vor dem Frühstück - oder die Nacht durch büffle? Die für ein Studium erforderliche Fähigkeit zur Selbstorganisation des Arbeitsalltags überfordert viele Studierenden.
Die Vorliebe für harte Jobs, zum Beispiel in Kneipen, verwundert die Therapeutinnen nicht: „Eine Kneipe ist eine überschaubare Institution, die automatisch soziale Kontakte schafft. Man hat das Gefühl den Laden im Griff zu haben - ganz im Gegensatz zur Uni.“ Der hohe Anteil der Erwerbsarbeit schon im Studium hat daher zwar auch etwas mit Geldnot zu tun, aber längst nicht nur. Oft fungieren die Jobs als psychische Ausgleichsmaßnahme.
Unter Coaching verstehen die Therapeutinnen ein Beratungs- und Betreuungsangebot, in dem die Studenten und ihre Probleme im Mittelpunkt stehen. Spitzensportler und Manager maximieren auf diesem Weg ihre Leistung und auf ähnliche Weise soll Studiencoaching den Studienverlauf optimieren. Denn ein schnelles Studium ist keineswegs nur eine Sache von Begabung oder IQ. Wichtiger ist die Fähigkeit mit Stress, Angst und Zeit gut umgehen zu können - und dies ist erlernbar. Mit den Studenten zusammen werden Strategien entwickelt, die für die Erreichung individueller Ziele sinnvoll sind. Bis ins Detail kann der Arbeitsalltag in einer Prüfungsphase geplant und, für viele sehr hilfreich, auch kontrolliert werden. Die Psychologinnen vermitteln Entspannungstechniken und Reduzieren Stress und Prüfungsangst. Wer an einem semesterbegleitenden Gruppencoaching teilnimmt, der wird von einem Sportlehrer zu „leichtem Ausdauertraining“ angehalten. In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist, das Sprichwort gilt noch immer.
Für ein Einzelcoaching werden (derzeit) 46 Euro pro Sitzung berechnet, also weit weniger als bei gewöhnlichen Coachingangeboten. Aber für Studenten ist das dennoch ein Betrag, der nur investiert wird, wenn die Absichten ernst und die Probleme drängend sind. Das Angebot wird auch von besonders zielstrebigen Studenten genutzt, die noch schneller voran kommen wollen. Beratung anzunehmen, erweist sich dabei als Vorteil. Die Gebühr hat auch positive Effekte: wer zahlt, kann eine Leistung einfordern. Und darüber hinaus ist für „Kunden“ die Verbindlichkeit sehr hoch; wer macht schon blau, wenn er bezahlt hat?
Links zum Thema
- Studiencoaching Borgert & Szyszka
- sg-Artikel: Wenn Wissenschaft krank macht
Literatur
- Stephan Becher (1998): Schnell und erfolgreich studieren. Organisation - Zeitmanagement – Arbeitstechniken. Würzburg.
- Friedhelm Hülshoff /Rüdiger Kaldewey (1993): Mit Erfolg studieren. Studienorganisation und Arbeitstechniken. München.
- Hans-Christian Kossak (1995): Studium und Prüfungen besser bewältigen. München.
- Peter Kruppa (1998): Prüfungen vorbereiten und bestehen. München.
- Otto Kruse (Hg) (1998): Handbuch Studieren. Von der Einschreibung bis zum Examen. Frankfurt/New York.
- Sebastian Leitner (2002): So lernt mal lernen. Freiburg.
- David Lewis (1997): Ab heute hab’ ich immer Zeit. Berlin.
- Bernd Zeller (1999): 101 Gründe nicht zu studieren. Kiel.
