Mai 2003

Der Duft der Eier

SpremienLange Zeit war es ein Rätsel, wie Spermien – scheinbar orientierungslos und blind – zu ihrem Ziel finden. Jetzt haben Forscher aus Bochum herausgefunden, dass sie sich an Geruchstoffen orientieren.

Wie gut, dass man Ostereier in der Regel im sonnigen Garten versteckt. In einem Autobahntunnel mit ausgefallener Beleuchtungsanlage würde die Beute wohl gering ausgefallen. Doch genau dies ist die Situation, in der die menschlichen Spermienzellen sich befinden, wenn sie sich auf die Suche nach dem weiblichen Ei machen. Nach einem einzigen wohlgemerkt. In einem im Vergleich zu den Spermien gigantisch anmutenden, stockfinsteren Eileiter.

Gut, es starten etwa 300 Millionen der winzigen Gefährten, doch in die Gebärmutter gelangen nur noch etwa 300. Dass sie die Eizelle durch puren Zufall finden, ist sehr unwahrscheinlich. Nachdem vor kurzem israelische Wissenschaftler einen Wärmesuchmechanismus bei menschlichen Spermien nachweisen konnten, haben jetzt deutsche und amerikanische Forscher erstmals gezeigt, dass sich menschliche Spermien durch Duftstoffe leiten lassen. Bisher war diese Fähigkeit nur bei niederen Lebewesen gezeigt worden. Und schon denken die Wissenschaftler über mögliche Anwendungen nach: Unfruchtbaren könnte geholfen werden und eine neue Form der Schwangerschaftsverhütung könnte entwickelt werden.

Der 29jährige Biologe Marc Spehr untersuchte während seiner Doktorarbeit in der Gruppe von Hanns Hatt an der Ruhr-Universität in Bochum die ”Nasen” der Spermien. Im Wissenschaftsmagazin ”Science” veröffentlichte er – mittlerweile Doktor – die Ergebnisse seiner Arbeit. Er fand heraus, dass zwei Stoffe namens Bourgeonal und Zyklamal die Spermien anlocken. Die beiden synthetischen Substanzen werden industriell hergestellt und werden typischerweise dazu benutzt, um den Duft von Maiglöckchen zu imitieren. Der Lockstoff weist die Richtung und sorgt für eine Verdoppelung der Geschwindigkeit der Samenzelle.

"Wenn sich ein natürliches Equivalent von Bourgenoal zumindest teilweise dafür verantwortlich zeigt, dass befruchtungsfähige Spermien ihren Weg finden, sollte es möglich sein, das beispielsweise für In-Vitro-Fertilisation zu nutzen”, so Spehr. So könnte die Befruchtung im Reagenzglas verbessert werden, mit der Paaren geholfen wird, die auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen können.

Eine andere Substanz hingegen, Undekanal, hemmt offenbar den Geruchssinn. Er lässt die Spermien trotz Lockreiz ziellos umherschwimmen. Ein solcher Stoff könnte vielleicht eines Tages – nach vielen weiteren Versuchen, wie die Forscher betonen – ”als neues Mittel gegen unerwünschte Schwangerschaften eingesetzt werden”, so Spehr.

Bis jetzt sind die Versuche allerdings nur im Reagenzglas durchgeführt worden: Die Spermien wurden aus einem winzigen Glasröhrchen, Kapillare genannt, entlassen. Die Forscher beobachteten unter dem Mikroskop, ob sie sich auf den Lockstoff zu bewegten. Dazu nutzen sie eine besondere Art der Färbung: Während ein Farbstoff die Zellmembran der Spermien anzeigte, wies ein anderer die Kalziumkonzentration innerhalb der Zellen nach.

Die Veränderung der Kalziumkonzentration war wichtig, da die Rezeptoren, die auf die Lockstoffe reagieren, eine Lawine von Signalen auslösen, an deren Ende sich Kanäle öffnen, die das Kalzium von außen in die Zelle lassen. Das führt dann wiederum dazu, dass das Spermium mit dem Schwanz schlägt und sich gerichtet auf den Duft zu bewegt. So konnten die Forscher genau beobachten, welche Zelle aufgrund des Lockstoffes aktiv wird.

Es bleibt noch zu prüfen, ob diese Beobachtung im Reagenzglas auch mit der Realität im Eileiter übereinstimmt. Donner Babcock von der Universität Washington in Seattle, der die Arbeit der Bochumer Forscher für das Wissenschaftsmagazin ”Science” beurteilte, sagt: ”Es kann sehr gut sein, dass das Ei einen Lockstoff aussendet, der die Spermien zum Ei führt, aber das Problem ist, dass wir nicht wirklich wissen, ob das Ei das auch tut”.

Mit anderen Worten: Spermien können riechen, aber ob das Ei auch duftet, ist noch fraglich. Vielleicht ist vielmehr der Eileiter parfümiert. Auch die Sache mit der Duftnote ist noch nicht geklärt: Spermien reagieren zwar auf Maiglöckchenduft, aber ob das Ei wirklich nach Maiglöckchen riecht, ist ebenfalls fraglich.

Spehr: ”Wir erwarten nicht, dass wir exakt diese Moleküle im Körper finden, aber wir suchen jetzt nach strukturell verwandten Komponenten, die eine Rolle im weiblichen Genitaltrakt spielen”. Ein Problem für die Forscher könnte allerdings sein, dass es schwieriger ist, an die Eier im Eileiter heranzukommen, als an Spermien im Reagenzglas.

Beitrag von Sina Bartfeld

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