August/September 2003

Die Verkehrsplanung ist männlich

Verkehrspalnung im Sinne des AutoverkehrsDie Stadtplanung erblindet allmählich und scheint nur noch Autos zu sehen. Zwei Studentinnen aus Greifswald haben mit einer provozierenden Studie den Deutschen Studienpreis gewonnen.

„Ich bin Greifswalder Bürgerin, deshalb interessiert mich die Bahnparallele“ sagt Luise Duda, „und was da geplant wurde, ist für uns nicht akzeptabel.“ Die angehende Germanistin hat zusammen mit Anna Andrea Neumann, einer Biologiestudentin, viel Zeit mit Büchern zur Stadtsoziologie und an Bahnübergängen verbracht. Was eine „Bahnparallele“ überhaupt sein soll, dass weiß kaum ein Greifswalder. „Es geht um den Bau eines altstadtnahen Autobahnzubringers, aber um das Vorhaben politisch durchzubringen, muss ein Begriff her, der positive Assoziationen weckt.“ Drei Bahnschranken sollen dafür wegfallen, Häuser abgerissen werden und parallel zum Schienenverlauf eine große Straße gebaut werden. Auch dem Haus in dem Luise Duda derzeit wohnt, droht der Abriss.

Die Analyse der Gutachten und Vorlagen für die Bürgerschaft überraschte die Preisträgerinnen: Stadtplanung heißt scheinbar nur noch Verkehrsplanung und damit sind nicht alle Verkehrsteilnehmer gemeint, sondern nur die Autofahrer. Und dem ganzen Vorhaben liegt ein unreflektiertes Ideal von Beschleunigung zu Grunde, Luise Duda meint dazu: „Die Herren gehen davon aus, dass höhere Mobilität eine höhere Lebensqualität bedeutet. Mit dem geplanten Bauvorhaben wird die Lebensqualität aber schwinden.“

Die beiden PreisträgerinnenUnd das ist nicht nur Ansichtssache, sondern lässt sich empirisch belegen. Tage lang standen die Studentinnen an den Bahnschranken und haben Fragebögen verteilt, Schließzeiten gemessen und mit Leuten gesprochen. Dabei kam unter anderem heraus, dass die meisten Radfahrer und Fußgänger Frauen sind, die Autofahrer mehrheitlich männlich. Beim Warten an der Schranke entstehen vielfältige Sozialkontakte, die Autofahrer nutzen die kurze Pause auch zur Entspannung. Wenn die Schranke unten ist, bleibt das Zeiterleben subjektiv: wer sich darüber ärgert, dem wird die Zeit lang. Das Wegfallen der Bahnübergänge würde vor allem die benachteiligen, die ohne Auto unterwegs sind. Und damit mehrheitlich Kinder, Frauen und Senioren – die „schwächeren“ Verkehrsteilnehmer, die stadt- und umweltfreundlichen. Die Greifswalder Verkehrsplanung ist aber nicht nur autoorientiert, sondern auch männlich: durch die geplanten Fußgängertunnel würden laut Umfrage die meisten Frauen nachts gar nicht gehen wollen. Und warum das alles? Luise Duda dazu: „Damit man in Zukunft unglaubliche vier Minuten schneller durch Greifswald durchfahren kann!“.

Beitrag von Frank Berzbach
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