Dezember 2003

Sind Darwins Urenkel glücklich?

Timm/Wellmann: Darwins Urenkel.„Glück und Genetik“ heißt ein neuer Schreibwettbewerb für Schüler. Was Glück ist, kann man sich noch vorstellen. Aber was ist Genetik? Wir stellen Bücher vor, die die Frage verständlich beantworten.

Glück:
ist ein Zustand vollkommener Befriedigung und Wunschlosigkeit. In der Antike stand dieser Zustand für sich, heute finden viele Menschen ihn im Konsum. Philosophen und Pharmazeuten denken seit jeher darüber nach, wie man das Glück erreicht: Nachdenken oder Drogen? Es existiert dennoch definitiv kein „Glücks-Gen“ und keine „Glücks-Formel“, so verständlich der Wunsch danach auch ist.

Auch Biologie-Studenten verstehen nicht immer, was sie gerade in ihrem Lehrbuch zur Humangenetik lesen. Aber sie haben keine Wahl: die Klausur droht und der Stoff muss in den Kopf. Auch für den Schreibwettbewerb „Glück und Genetik“ sollte man etwas über Genetik wissen, aber dazu muss man nicht gleich zu einem wissenschaftlichen Lehrbuch greifen. Was Wissenschaftler exakt, aber oft auch sehr kompliziert ausdrücken, das übersetzten Journalisten oft in eine verständliche Sprache.

Zum Beispiel im Radio. Die Texte von Wissenschaftsjournalisten, die man in „Darwins Urenkel“ findet, waren ursprünglich Radiosendungen aus einem Funkkolleg zum Thema „Evolution und Genetik“. In dem Buch finden sich die Texte der Sendereihe; 25 Kapitel, in denen sehr anschaulich und leicht verständlich vermittelt wird, was Genetik überhaupt ist. Dabei kommen zwar auch immer Professoren zu Wort, allerdings bemühen auch die sich, einfach auszudrücken, woran sie gerade forschen. Einem guten Journalisten gelingt es manchmal 700 Seiten in wenigen Zeilen zusammenzufassen. Karl-Heinz Wellmann zum Beispiel erklärt das Hauptwerk des Vaters der Evolutionstheorie Charles Darwin so:

*„Die Tier- und Pflanzenarten sind nicht auf ewig unveränderlich, sie sind vielmehr einem stetigen Wandel unterworfen. Alle heute lebenden Organismen stammen von wenigen Urahnen ab, womöglich von einem einzigen. Die Angehörigen einer Art sind nicht alle gleich, sondern sie variieren in ihrem Aussehen und ihren Eigenschaften. Diese Variationen sind zumindest teilweise erblich – und sie verschaffen den Trägern damit einen unterschiedlichen Überlebenserfolg. Deshalb setzen sich die Nachkommen eines Individuums besser durch als die eines anderen.“

Diese Theorie aus dem 19. Jahrhundert ist noch heute so umstritten, dass zum sie zum Beispiel im US-Bundesstaat Kansas nicht in der Schule unterrichtet werden darf. Seit Darwin haben sich viele Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit der Evolution und mit Genetik beschäftigt. Sie haben weitergefragt: Sind auch Verhaltensweisen erblich? Ist Verhalten angeboren? Wenn auch Menschen in einem Existenzkampf stehen, warum helfen wir dann Schwachen? Die Autoren des Buches widmen sich vielfältigen Fragen, die manchmal amüsant sind, aber immer auch mit Genetik zu tun haben: Warum schmeckt unser Blut salzig? Welche Hautfarbe hatten die Neandertaler? Die Antworten darauf sind spannend und man hat nach der Lektüre kaum bemerkt, dass man viel gelernt hat. Das Buch ist so geschrieben, dass Lernen wirklich Freude macht.

Informationen zum Schreibwettbewerb finden sich auf der Website www.glueckundgenetik.de.

Ergänzt wird der Band durch das Begleitbuch „Von Darwin zu Dolly“. Hier kann der Leser die großen Denker im Originaltext kennen lernen. Im Begleitband kommen die Wissenschaftler selbst zu Wort, ein Angebot zur vertiefenden Lektüre. Es finden sich Auszüge aus historischen Werken, etwa von Charles Darwin oder dem Augustinermönch Georg Mendel, der 1866 die erste Theorie der Genetik entwickelte. Mit kleinen Einschränkungen gelten seine Regeln der Vererbung noch heute. Das Buch enthält Texte von Richard Dawkins, Autor des Buches „Das egoistische Gen“, vom weltbekannten Evolutionsbiologen Ernst Mayr oder der Nobelpreisträgerin für Medizin, Christiane Nüsslein-Volhard. Der Frankfurter Soziologie-Professor Karl Otto Hondrich oder der Konstanzer Zoologie-Professor Hubert Markl denken über gesellschaftliche Folgen der neuen Erkenntnisse nach. Ein Glossar, indem Fachbegriffe kurz erklärt werden, erspart den Griff zum Wörterbuch.

*Wer nicht nur spannende Texte, sondern auch gute Fotos mag, der kann zum nächsten Zeitschriftenladen gehen. Dort liegt wahrscheinlich eine GEO-Wissen aus mit dem Thema „Sex, Geburt, Genetik“. Wie in allen GEO-Heften schreiben nur gute Autoren und die Fotos der besten Fotografen sind zu sehen. Auch hier ist die thematische Breite groß. Es finden sich Beiträge über Hormone, über das Klonen und die evolutionäre Erfindung des Sex. Es geht im Heft nicht nur um die naturwissenschaftliche Aspekte, sondern auch um die sozialen und ethischen Fragen, die dadurch heute wichtig werden. Heute können Ärzte viele Krankheiten und auch das Geschlecht lange vor der Geburt feststellen. Das führt zu ethischen Fragen: Soll man sein Leben lang einen höheren Krankenkassen-Beitrag zahlen, wenn man vielleicht mit 70 an Alzheimer erkrankt? Auch das Thema Rassismus wird aufgegriffen, weil die Humangenetik zunehmend missbraucht wird für Behauptungen, hinter denen sich dunkle Absichten verbergen. Beide Bände sind zum Selbststudium so hervorragend geeignet, dass man den herausgebenden Autoren und dem Verlag dazu nur gratulieren kann.

Wer sehr kurz, aber dafür ganz exakt informiert werden will, der sollte von Heinrich Zankl das kleine Büchlein „Genetik“ lesen. Der Autor ist ein „Prof. Dr. med. vet. Dr. rer. nat.“ – eine nicht-erbliche Auszeichnung. Das bedeutet, dass hier ein Fachmann schreibt, der selbst schon über 20 Jahre im Bereich Humangenetik forscht. Und wer den ganzen Tag über ein Thema nachdenkt, der kennt sich aus. Dennoch ist das Buch aus der empfehlenswerten Reihe „Wissen“ des Beck Verlages relativ verständlich. Es wimmelt zwar von Fachbegriffen, aber sie werden auch erklärt. Von komplizierten Grafiken und auch einmal einer mathematischen Formel sollte man sich nicht einschüchtern lassen. Ein genaues Stichwortverzeichnis am Ende des Buches lässt einen genau finden, was man sucht. Wer also nicht alle Nüsse knacken will, der kann das Buch als kleines Lexikon nutzen. Auch Heinrich Zankl geht auf die Zukunft der Genetik ein und sieht manche Entwicklung kritisch. Wer das Buch verschlingt und alle Kapitel versteht, der sollte einmal über ein Biologiestudium nachdenken. Aber auch für alle anderen findet sich hier unverfärbte wissenschaftliche Information.

Beitrag von Frank Berzbach

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Zur Person

Frank Berzbach ist Jury-Mitglied des Schreibwettbewerbs „Glück und Genetik“ und sciencegarden-Chefredakteur.

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Literaturliste

  • GEO-Wissen: Sex, Geburt, Genetik. März 1998.
  • Timm, Utz / Wellmann, Karl-Heinz (Hg.) (2002): Darwins Urenkel. Zwischen Evolutionsforschung und Genetik. Ausgewählte Texte aus dem Neuen Funkkolleg. Jonas Verlag, Marburg.
  • Timm, Utz / Wellmann, Karl-Heinz (Hg.) (2001): Von Darwin zu Dolly. Evolution und Genetik. Begleitbuch zum Neuen Funkkolleg. Jonas Verlag, Marburg.
  • Zankl, Heinrich (1998): Genetik. Von der Vererbungslehre zur Genmedizin. Beck Verlag, München.
  • Lesenswert ist auch das Kapitel „Was ist Leben?“ in: Fischer, Ernst Peter (2001): Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte. Ullstein Verlag.
  • Marcuse, Ludwig (1996): Philosophie des Glücks von Hiob bis Freud. Diogenes Verlag, Zürich. (Erstausgabe: 1948).
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