März 2004

Ein Schüler sieht mehr

Ablaufschema
schematischer Ablauf eines RTM
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Ist das Kleingedruckte zu klein gedruckt, dann kann eine Lupe helfen. Möchte man genau zusehen, wie ein Wasserfloh sein Mittagsmahl verzehrt, so greift man zu einem Mikroskop. Was aber, wenn man noch kleinere Objekte, beispielsweise Atome betrachten möchte?

Auch dann helfen Mikroskope weiter. Diese haben aber nur noch wenig mit den einfachen Lichtmikroskopen aus dem Biologieunterricht zu tun. Mikroskope, die starke Vergrößerungen zulassen, sind nicht nur komplizierter im Aufbau. Sie sind auch wesentlich teurer als handelsübliche Exemplare. Dadurch hat nur eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern Zugang zu ihnen. „Das ist schade“ sagte sich Uwe Treske, Schüler aus Gräfenhainichen. Er und viele andere finden es spannend, sich die Welt der kleinen Teilchen anzuschauen. Angeregt durch Fernsehberichte, in denen ein Eigenbau-Rastertunnelmikroskop vorgestellt wurde, machte er sich an die Arbeit.

„Einheiten“
Die Grundeinheit der Wegmessung ist der Meter. So wie ein Zentimeter den 100sten Teil eines Meters benennt, ist ein Nanometer ein Milliardstel Teil (10-9 m) und ein Picometer gar ein Billionstel Teil (10-12 m) eines Meters. Würde man den Erdumfang als Basis nehmen, so würde ein Nanometer gerade der Länge von 4 Zentimetern entsprechen und ein Picometer sogar nur einer Länge von 0,04 Millimetern!

Was genau ist ein Rastertunnelmikroskop, RTM abgekürzt? Mikroskope werden bereits seit mehreren hundert Jahren gebaut. RTMs sind jedoch eine recht neue Entwicklung. Erst seit Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts kann man auf sie zur hochgenauen Untersuchung von Oberflächen zurückgreifen. Das Prinzip ist einfach. Ein sehr feine Spitze wird im immer gleichen Abstand über die Oberfläche der Probe geführt (Verfahren „konstanter Strom“). Am Verhalten der Spitze, ob sie sich von der Probe weg oder zu ihr hin bewegt, kann man erkennen, was sich an der gerade abgetasteten Stelle befindet. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Spitze in einer konstanten Höhe zu halten und den Abstand zwischen Probe und Spitze zu messen (Verfahren „konstante Höhe“). Was so einfach klingt, ist in der Umsetzung hochkompliziert. Die geringen Entfernungen und die Tatsache, dass sich Spitze und Probe nicht berühren dürfen, machen es unmöglich, mit herkömmlichen Meßmethoden zu arbeiten. Das RTM ist nur durch Ausnutzung des Tunneleffekt realisierbar. Was bedeutet das? Voraussetzung ist, dass der Abstand zwischen Spitze und Probe maximal einen Nanometer beträgt. Legt man nun eine Spannung an beide, dann fließt ein Strom zwischen ihnen. Dieser Strom reagiert sehr sensibel auf Änderungen des Abstandes und ist damit ein Maß für die Entfernung. In der Anwendung bedeutet dies: Wird nach dem Verfahren „konstanter Strom“ gearbeitet, so werden Tunnelstrom und damit Abstand zwischen Spitze und Probe konstant gehalten. Die Bewegung der Spitze gibt dann das Oberflächenprofil wieder. Beim Verfahren „konstante Höhe“ kann das gesuchte Profil direkt aus der Änderung des Tunnelstroms berechnet werden. Die erreichbare Genauigkeit der so durchgeführten Messungen ist zur Abbildung atomarer Strukturen ausreichend. Das Faszinierende am Tunnelstrom ist, dass es ihn nach den Vorstellungen der klassischen Physik nicht geben dürfte. Stromfluss in Luft oder auch Vakuum, beides nicht elektrisch leitende Medien, ist danach nicht möglich.

Was ist Quantenphysik?
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ausschließlich die heute sogenannte klassische Physik betrieben. Sie beschäftigte sich mit Vorgängen und Erscheinungen, wie sie anschaulich in Raum und Zeit beschreibbar waren.(...)
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Uwe Treske begann zunächst mit einer genauen Recherche. Mehrere Anleitungen zum Bau von Rastertunnelmikroskopen sind im Internet zu finden. Sein RTM ist eine Mischung aus allen diesen Bauanleitungen. Stets wählte er die Komponenten so, dass es möglichst preiswert war. Die Spitze stellt er aus einem Wolframdraht her, so wie er sich in jeder Glühlampe befindet. Zur Schwingungsdämpfung dienen Papierhandtücher. Auch bei den Elektronikbauteilen konnte er sparen. Im Ergebnis der Abtastung erhält man analoge Daten, welche zur Weiterverarbeitung im Rechner zunächst digitalisiert und dann ausgewertet werden müssen. Statt ein teures Spezialbauteil zu benutzen, hatte er eine geniale Idee. „Irgendwann fiel mir auf, dass eine PC-Soundkarte eigentlich genau meine Anforderungen erfüllt. Analoge Signale, wie man sie beispielsweise bei Aufnahmen mit dem Mikrofon erhält, werden in digitale Daten umgewandelt.“ Um bessere Ergebnisse zu erhalten, musste er zwar dann noch ein weiteres Bauteil zwischenschalten, doch grundsätzlich klappte es. Damit war es ihm endgültig gelungen, die Kosten für sein RTM unter 50 € zu halten. Professionelle Rastertunnelmikroskope kosten zwar nicht mehr mehrere Millionen Euro wie kurz nach ihrer Erfindung. Ein paar tausend Euro muss man aber immer noch ausgeben.

Wozu braucht man Rastertunnelmikroskope?
Was hier wie ein Spiel aussieht, hat eine hohe Aktualität. Immer wieder ist zu Lesen, dass aus dem Gebiet der Nanotechnologie die wesentlichen technischen Innovationen des neuen Jahrhunderts zu erwarten sind. Das ist jedoch nur möglich, wenn Verfahren gefunden werden, auch kleinste Teilchen zu manipulieren – eine Aufgabe, die man unter anderem mit Rastertunnelmikroskopen lösen kann.

Seit gut anderthalb Jahren arbeitet Uwe Treske nun bereits an seinem Projekt. Natürlich ging nicht immer alles glatt. Viele Probleme mussten auf dem Weg bis zu den ersten Bildern gelöst werden. „Es war schwierig, das Mikroskop ausreichend schwingungsarm zu lagern. Auch war es knifflig, einen Weg zu finden, die Spitze dicht genug an die Probe zu bringen. Das ging leider nicht immer ohne Zusammenstoß ab – und jedes Mal benötigte ich eine neue Spitze!“ nennt er nur zwei Beispiele.

Dass er bisher noch kein Atom sehen konnte, sondern lediglich grundsätzliche Strukturen ist weniger ein Problem seines RTMs als vielmehr der Umgebung geschuldet: Dennoch hätte es seinen Erfolg bei Jugend forscht beinahe zunichte gemacht. „Um wirklich gute und exakte Bilder zu bekommen, sollte die Abtastung im Vakuum bei möglichst geringen Temperaturen durchgeführt werden. Eine Jurorin beim Landeswettbewerb wollte das aber nicht glauben. Sie hielt das Projekt für einen Fehlschlag.“ Zum Glück für ihn konnte sie jedoch vom Gegenteil überzeugt werden. Nach einem Sieg beim Bundeswettbewerb und der europäischen Version von Jugend forscht, dem European Contest for Young Scientists, fährt Uwe Treske nun im Mai in die USA, um sein Projekt auch dem weltweiten Wettbewerb zu stellen. Bis dahin gibt es aber noch viel zu tun: „Natürlich hoffe ich, noch bessere Bilder zu bekommen. Dazu werde ich an einigen Stellen etwas ändern. Mal sehen, wie weit ich komme!“

Hintergrund 1: Warum reichen Lichtmikroskope nicht aus?

Hintergrund 2: Wie funktioniert der Tunnelstrom?

Hintergrund 3: Wie funktioniert das Eigenbau-RTM genau?

Beitrag von Birgit Milius

Links zum Thema

  • European Contest for Young Scientists
  • Infos zu Uwe Treske

Zur Person

Uwe Treske (18) ist Schüler am Paul-Gerhardt-Gymnasium in Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt). Mit seinem Rastertunnelmikroskop hat er bei Jugend forscht auf Regional-, Landes- und Bundesebene gewonnen. Er vertrat Deutschland erfolgreich beim Contest for Young Scientists in Budapest.

Kontakt:
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