Mai 2004

Bauwerke im Miniaturformat – oder : Der molekulare Baukasten

* Biophysiker an der Universität Heidelberg haben sich ein hohes Ziel gesteckt: Sie wollen Gewebezellen auf speziellen Oberflächen anhaften lassen, um sie dann gezielt „programmieren“ zu können. Einblicke in eine Welt aus Molekülen und Nanostrukturen.

Der menschliche Körper. Eine riesige Ansammlung von Zellen in den verschiedensten Geweben, die alle „irgendwie“ miteinander kommunizieren und innere wie äußere Oberflächen ausbilden. Doch woher weiß eine Zelle überhaupt, wo sie sich befindet und wie sie sich im Gewebe verankern soll? Woher kommt es, dass Transplantate oftmals abgestoßen werden, sich sozusagen „weigern“, anzuwachsen? Die Antwort liegt im komplizierten Wechselspiel zwischen Molekülen der Zellmembran, und Molekülen an Oberflächen. Molekulare Wechselwirkungen sind die Basis der „Kommunikation“ zwischen Zellen und Oberflächen.

Diese Art der „molekularen Kommunikation“ wollen Biophysiker der Uni Heidelberg nun genauer entschlüsseln. Vor allem wollen die Forscher es schaffen, Gewebszellen an genau definierten Punkten auf einer Oberfläche anwachsen zu lassen. Dazu müssen zunächst einmal Moleküle gezielt auf einer gewünschten Oberfläche angeordnet werden. Diese Moleküle sollen dann der Zelle als „Ankerpunkte“ dienen.

Polymer
= Eine aus immer wiederkehrenden Untereinheiten zusammengesetzte Molekülkette.

Zelladhäsion
= Anhaften von Zellen auf Oberflächen bzw. in der Natur im Gewebe. Spezifische

Bindung = Bindung zwischen Proteinen, die auf dem Schlüssel-Schloss-Prinzip beruht, d.h. die beiden Bindungspartner passen in ihrer Struktur perfekt zueinander.

Moleküle entstehen ganz allgemein durch chemische Verbindung von Atomen zu vielatomigen, mehr oder minder stabilen Gebilden. Der kleinste und leichteste Vertreter der Moleküle ist das Wasserstoffmolekül, das mit seinen zwei Wasserstoffatomen und einer Masse von etwa 3 x 10-27 kg unvorstellbar klein und leicht erscheint. Im Gegensatz dazu stellen viele organische Moleküle regelrechte Schwergewichte dar. Insbesondere Moleküle, die an biologischen Vorgängen beteiligt sind – wie beispielsweise Eiweiße – sind oft komplexe Gebilde aus Millionen von Atomen, die oft tausend mal mehr wiegen als ein Wasserstoffmolekül. Genau um solche komplexen Moleküle aber geht es in der Arbeitsgruppe von Professor Spatz. Denn einige Makromoleküle besitzen die Fähigkeit, sich ihrerseits zu größeren Einheiten zusammenlagern, die man auch als supramolekulare Verbindungen bezeichnet. Diese kontrollierte Zusammenlagerung von Molekülen zu größeren Komplexen machen sich die Forscher zunutze.

Doch wie ist es möglich, dass Moleküle sich derart kontrolliert zusammenlagern können? Woran erkennen sich verschiedene Moleküle, und woher „wissen“ sie, an welcher Stelle sie sich beispielsweise auf einer Oberfläche positionieren müssen?

Für die Selbstorganisation von Molekülen sind verschiedenste zwischenmolekulare Wechselwirkungen, sowie spezielle molekulare Erkennungsmechanismen verantwortlich. So können Moleküle entweder selbständig oder mit Hilfe menschlicher „Baumeister“ unterschiedlichste Formen supramolekularer Strukturen ausbilden. Der Phantasie der Natur scheinen dabei keine Grenzen gesetzt zu sein. Ein klassischer Fall der selbstorganisierten Strukturbildung ist die Anordnung von Lipiden (Fetten) in Wasser. Jedes Lipid-Molekül besteht aus einer wasserliebenden („hydrophilen“) Kopfgruppe und einem wasserfürchtenden („hydrophoben“) Schwanz. Kommen diese Moleküle in Kontakt mit Wasser, so ordnen sie sich, abhängig von ihrer Molekülstruktur und Ladungsverteilung, von selbst zu charakteristischen dreidimensionalen Strukturen an.

Abb. 1

Eine mögliche Struktur sind „Mizellen“ – kleine, kugelförmige Gebilde, in denen die Lipide so angeordnet sind, dass ihre hydrophilen Anteile nach „außen“ zeigen (Abbildung 1a). Lipide können sich aber auch in Doppelschichten anordnen – die Zellmembran „moderner“ Zellen ist zum Beispiel nach dem Prinzip der Lipiddoppelschicht gebaut (Abbildung 1b). Wenn sich hydrophobe Gruppen oder Teilchen in Wasser zusammenlagern, wie es bei Mizellen und Doppelschichten beobachtet wird, spricht man auch vom „hydrophoben Effekt“.

Abb. 2

Die Forscher um Professor Joachim Spatz von der Universität Heidelberg stellen mit Hilfe des hydrophoben Effekts nanostrukturierte Oberflächen her. Sie arbeiten dabei mit Lösungen von chemisch synthetisierten Polymeren, die ähnlich wie Lipide gebaut sind und kleine Mizellen ausbilden. Durch die Zugabe einer Goldverbindung zur Mizelllösung lagern sich kleine Partikel dieser Verbindung im Zentrum der Polymermizellen an. Taucht man nun ein Glasplättchen langsam in diese Polymer-Gold-Lösung ein, so bleibt beim Herausziehen eine Schicht der mit Gold beladenen Polymermizellen selbstorganisierend in einem regelmäßigen, hexagonalen Muster auf der Glasoberfläche haften. Anschließend lässt sich das Polymer durch chemische Prozesse entfernen, so dass nur Nanopartikel aus Gold auf dem Glas zurückbleiben. Diese Goldpartikel besitzen eine Größe von 5-10 nm und ihr Abstand im hexagonalen Gitter liegt im Bereich von 20-100 nm, je nach Länge des verwendeten Polymers. Als Ergebnis erhält man Strukturen, wie sie in Abb. 2 zu sehen sind.

Selbstorganisation
= Koordinierter Prozess, bei dem sich unabhängige Untereinheiten aufgrund lokal wirkender Kräfte zu größeren Einheiten organisieren.

Biofunktionalisierung
= Chemische Veränderung eines Materials um es für biologische Anwendungen kompatibel zu machen.

Peptid
= Chemische Verbindung, die aus einer Kette mehrerer Aminosäuren besteht. Peptide unterscheiden sich von Proteinen durch ihre Größe. Die Trennung zwischen Peptiden und Proteinen ist nicht scharf, die Grenze liegt ungefähr bei 100 Aminosäuren.

Die entstehenden regelmäßigen Strukturen können für biophysikalische Anwendungen weiterbehandelt werden. Im Arbeitskreis Biophysikalische Chemie in Heidelberg werden die Nano-Goldpunkte mit Hilfe eines speziellen Peptids so biofunktionalisiert (siehe Kasten), dass einzelne Gewebszellen genau an den Goldpunkten haften. Der Bereich zwischen den Nanopunkten kann dabei mit Hilfe von Polymeren „abgeschirmt“ werden, so dass die Zellen mit ihren Ausläufern tatsächlich nur an den Goldpunkten festhaften. Die Abstönde zwischen den Goldpartikeln müssen dabei genau richtig gewählt sein. Das ehrgeizige Ziel der Forscher um Professor Spatz ist nun, Oberflächen durch Nanostrukturierung so zu „programmieren“, dass sich eine Zelle anheftet, und schliesslich eine ganz bestimmte Funktion übernimmt. Mit Hilfe dieser Nanotechnologie könnte man somit zum Beispiel Informationen auf Implantate „aufdrucken“, damit sie weniger schnell abgestoßen werden.

Die Biophysiker aus Heidelberg sind ihrem Ziel schon ein ganzes Stück näher gekommen – aber es bleibt noch jede Menge Neues zu erforschen in einer Welt aus Nanostrukturen, Molekülen, die der Mensch gerade erst zu verstehen begonnen hat.

Beitrag von Christine Selhuber

Links zum Thema

  • Homepage der AG Biophysik
  • Homepage von Christine Selhuber
  • Netzwerk ehemaliger „Jugend forscht“ Teilnehmer

Zur Person

Christine Selhuber (23) promoviert bei Professor J. Spatz am Institut für Biophysikalische Chemie der Universität Heidelberg. Sie hat 1999 am Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ teilgenommen und arbeitet im Vorstand des „Jugend forscht“ Ehemaligennetzwerks JuForum e.V.

Literaturliste

  • M. Arnold, E.A. Cavalcanti-Adam, et al., Activation of Integrin Function by Nanopatterned Adhesive Interfaces (2004) ChemPhysChem 5, 383-388.
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