Ein Drittel der deutschen Bevölkerung schnarcht. Im Alter sind es sogar 60 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. Dieser Trend nimmt weiter zu, denn Schnarchen ist ein Phänomen einer Wohlstandsgesellschaft. Jede Nacht werden jene Menschen um den Schlaf gebracht, die mit dem Schnarcher das Zimmer teilen. Dagegen scheint der Betroffene auf den ersten Blick nicht zu leiden. Doch tatsächlich wird er weitaus mehr beeinträchtigt: „Die meisten Menschen denken: 'Schnarchen ist ein soziales Problem'. Tatsächlich aber ist es ein gesundheitliches. Die Patienten leiden unter enormer Tagesmüdigkeit, was mit einem höheren Unfallrisiko einhergeht“, erläutert Dr. Lennart Knaack, Arzt im Zentrum für Schlafmedizin und Schlafstörungen in Dortmund. Beim Schnarchen verengen sich die Atemwege oder fallen bei manchen Menschen zeitweise völlig zu, dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut beträchtlich ab. Zudem werden Stresshormone ausgeschüttet. Das hat Folgen für die Gesundheit. Schnarcher erleiden häufiger Herzinfarkte, haben eine niedrigere Lebenserwartung und oft hohen Blutdruck. „In vielen Fällen sind die Patienten auch übergewichtig“, ergänzt Sylvia Frankowski. Abnehmen könne zwar in einigen Fällen das Problem lindern, allerdings kommen auch normalgewichtige Menschen zu der jungen Ärztin in Ausbildung ans Alfred-Krupp-Krankenhaus. Dort forscht sie in der Abteilung für Schlafmedizin und Schnarchoperationen von Dr. Winfried Hohenhorst.
So ist der Patient an diesem Tag schlank, in den besten Jahren und scheinbar gesund.
Doch kurz nachdem die Ärzte ihm das Schlafmittel Propofol gespritzt haben, wandelt sich das Bild. Das Mittel wirkt besonders rasch und lässt ihn innerhalb kurzer Zeit einschlafen. Wenige Minuten später erfüllt ein unregelmäßiges, rasselndes Geräusch den OP-Saal. Der Mann schnarcht – doch heute im Dienst der Forschung. Behutsam führt Frankowski im Beisein von Hohenhorst und Knaack ein Endoskop über die Nase in die Atemwege des Patienten ein. „Am Ende befindet sich eine flexible Kamera“, erklärt sie.
Alles läuft jedoch nach Plan. Frankowski und die beiden Ärzte blicken auf den Monitor neben der Liege. Im Rhythmus mit dem Schnarchen des Mannes ist auf dem Bildschirm das Pulsieren von rosafarbenem Gewebe zu sehen, in der Mitte ein kleiner Kanal, die Luftröhre. Bei den besonders intensiven Schnarchgeräuschen flattern die Wände des Kanals. Dann plötzlich bricht der Kanal völlig zusammen. Es gelangt keine Luft mehr in die Lunge. Mediziner sprechen bei solchen Atemaussetzern von einer Schlafapnoe, die in Extremfällen zwei bis drei Minuten anhalten kann. „Ersticken kann der Patient daran jedoch nicht, da ein Schutzmechanismus des Gehirns eine Weckreaktion auslöst. Der Patient erwacht also ein Stück weit und atmet dann wieder weiter“, so Knaack. Für den Körper ist das allerdings Stress pur.
Bei Frankowskis Patienten auf der Liege verschließt sich die Luftröhre im Schnitt sechs Mal je Stunde. „Mit dem Endoskop kann ich orten, wo die Atemwege zufallen und welche Stellen sozusagen der Grund für das Schnarchen sind“, erklärt Frankowski. Was für den Laien nicht erkennbar ist, können die Mediziner auf dem Bildschirm problemlos zuordnen: Bei diesem Patienten rührt der nächtliche Krach zu einem Großteil vom Zungengrund her. Beim Schlafen fällt die Zunge nach hinten. Wenn sie zu groß und zu schlaff ist, kann sie den Weg der Luft blockieren oder behindern. „Manchmal sind es auch die Mandeln, die den Kanal zudrücken oder die Gaumensegel“, berichtet Frankowski.
Wenn punktuelle Bereiche blockiert sind, kann der Schnarcher operiert werden. In einem kurzen Eingriff wird beispielsweise der Zungengrund gestrafft. Diese Behandlung dauert wenige Minuten. „Diesen Patienten hatten wir bereits vor einigen Jahren bei uns im Schlaflabor, da hatte er noch 26 Atemaussetzer in der Stunde. Nach einer ersten Behandlung im Alfred-Krupp-Krankenhaus schrumpfte die Zahl der Atmungsstopps dann auf sechs je Stunde. „Mit der Behandlung heute können wir die restlichen Aussetzer beseitigen und das Schnarchen weiter vermindern“, erläutert Hohenhorst.
Um auf Nummer sicher zu gehen, haben die Mediziner zuvor im Dortmunder Schlafzentrum mit weiteren Methoden abgeglichen, welche Stellen des Atemtraktes tatsächlich betroffen sind. Nur so können sie feststellen, ob die Bilder des Endoskops sie nicht auf die falsche Fährte gelockt haben. Mit einem Sauggerät können sie im Schlaflabor messen, wie hochgradig die Neigung des Gewebes im Atemtrakt ist, zusammenzufallen. Bei der Saugmethode braucht es kein Schlafmittel, da die Testpersonen während der Messung meist nicht aufwachen. „Es ist Inhalt meiner Arbeit solche Methoden zu vergleichen, da es diese noch nicht sehr lange gibt und wir nur so die Schlafapnoe und das Schnarchen optimal behandeln können“, erklärt Frankowski.
In manchen Fällen lässt sich sowohl Schnarchen als auch die Schlafapnoe für immer beseitigen. „Wir können dem Patienten vorhersagen, wie die Chancen für einen Behandlungserfolg stehen“, ergänzt Frankowski. Nur Menschen, bei denen das Schnarchen sich nicht auf eine exakte Stelle im Atemtrakt zurückführen lässt, können nicht operiert werden. Ihnen empfehlen die Ärzte für die Nacht eine Atemmaske. „Leider nehmen viele Patienten das Problem nicht ernst und verwenden zum Beispiel die Maske gar nicht“, bedauert Frankowski. Andererseits reizt sie gerade an der Schlafforschung, dass ihre Patienten Dauergäste in der Klinik sind und über Jahre hinweg begleitet werden.
Propofol:
Narkosemittel, das rasch wirkt, aber den Patienten auch rasch wieder erwachen lässt.
Schlafapnoe:
Mediziner sprechen von einer Schlafapnoe, wenn während des Schlafes kurzzeitig die Atmung aussetzt. In Extremfällen dauert der Atemstillstand zwei bis drei Minuten.
Endoskopie:
Ausleuchten und Ausspiegeln einer Körperhöhle mit einem optischen Instrument.
Susanne Donner ist freie Wissenschaftsjournalistin und Chemikerin. Sie schreibt seit fünf Jahren für verschiedene Printmedien.
Dr. Winfried Hohenhorst, Oberarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Plastische Operationen, Stimm- und Sprachstörungen und Allergologie.
Telefon: (0201) 434-2563
Dr. med. Lennart Knaack arbeitet als Schlafmediziner im Zentrum für Schlafmedizin in Dortmund.
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