Liebe auf den ersten Blick (2)
Dass zwei Partner oft ähnlich attraktiv sind, ist seit langem bekannt und gut untersucht. Eine Analyse des Psychologen Alan Feingold an der Yale Universität in New Haven, Conneticut, in der die Ergebnisse von 19 Studien mit mehr als 1600 Paaren ausgewertet wurden, zeigte: Wer selbst schön ist, hat eher auch einen schönen Lebensgefährten, und wer selbst hässlich ist, hat eher ein hässliches Pendant. Der Zusammenhang hierbei ist mittelstark, das heißt, es gibt natürlich auch Ausnahmen. Dieser Effekt ist in der Forschung unter der Bezeichnung „Attraktivitäts-Matching“ bekannt.
Der Partnermarktwert
Es gab die Hypothese, jeder würde einen möglichst gleich attraktiven Lover suchen – nicht attraktiver, da sonst das Risiko bestehe, dass der Schönere fremdgehe…
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Ein Phänomen steht jedoch in Widerspruch zur „Partnerähnlichkeits-Hypothese“: Es ist der Umstand, dass wir am anderen Geschlecht genau die Merkmale sexy finden, die typisch für das andere Geschlecht sind. So gelten zum Beispiel bei Männern ein kräftiger, breiter Unterkiefer, Augenbrauenwülste, eine eher etwas größere Nase und dicke tiefliegende Augenbrauen als attraktiv – bei Frauen sind es jedoch genau die entgegengesetzten Merkmale, nämlich ein kleines Kinn, ein zierlicher Unterkiefer, eine kleine Nase, eine gewölbte Stirn und dünne, hoch liegende Augenbrauen (generell Merkmale des sogenannten Kindchenschemas.
Hier hat die Ähnlichkeitsthese definitiv ihre Grenze: Ein besonders männlich aussehender Mann würde bestimmt keine Liebste haben wollen, die genauso männlich aussieht wie er. (Diese Vorliebe für typische Merkmale des anderen Geschlechts berücksichtige ja auch das Aufsehen erregende Perrett-Experiment: Ähnlichkeit ja, aber mit den Merkmalen des anderen Geschlechts!)
Oder liegt gerade hier der Schlüssel für die Erklärung von Ähnlichkeiten, die sich nicht auf ähnliche Attraktivitätswerte von Paaren reduzieren lassen? Hat zum Beispiel eine Frau einen besonders markanten Unterkiefer, sieht dies zunächst einmal unvorteilhaft und unweiblich aus. Es könnte jedoch sein, dass sie gerade deswegen einen Mann bevorzugt, der einen mindestens ebenso kräftigen Unterkiefer besitzt wie sie. Denn bei einem Typen mit einem runderen, zierlicheren Kinn wären sozusagen die typischen Geschlechtsmerkmale „vertauscht“ und jeder würde neben dem anderen unvorteilhaft wirken.

Foto: Suzi Malin
(s. Literaturliste)
Bei einem anderen Merkmal ist diese Regel gut belegt, nämlich bei der Körpergröße: Frauen wollen in der Regel Männer, die größer sind als sie selbst, umgekehrt wählen die Herren der Schöpfung gerne kleinere Damen. Möglicherweise gilt dies auch für Charakterzüge des Gesichts, bei denen es geschlechtstypische Unterschiede gibt. Wenn dies tatsächlich ein Kriterium für die Partnerwahl wäre, wäre sichergestellt, dass Er stets männlicher aussieht als Sie und Sie weiblicher als Er. Dies wäre eine Erklärung für auffällige Einzelmerkmale zwischen zwei Partnern, zum Beispiel wenn beide einen besonders kleines Kinn haben (typisch weiblich) oder eine große Nase (typisch männlich).
Was bedeutet dies alles für unsere eigene Suche nach einem Partner? Sollen wir gezielt nach jemandem suchen, der uns ähnlich sieht? Und was sagt die Ähnlichkeit im Aussehen oder der Attraktivität über das Gelingen einer Partnerschaft aus? Eigentlich gar nichts. Viel wichtiger als das Äußere sind die vielzitierten „Inneren Werte“ – auch dort gesellt gleich und gleich sich gern: Gleiche Interessen und Hobbys, vergleichbare Einstellungen, Werte und Weltanschauungen, Übereinstimmungen in Herkunft, Kultur, Religiosität, Bildung, Intelligenz, Lebensstil und Lebensziel. Die wissenschaftliche Psychologie weiß dies seit den 50er Jahren, und irgendwie hat unsere Oma das auch schon immer gesagt. Oder wie der US-Psychologe David Buss es einmal formuliert hat: Paare können nicht den geringsten Unterschied zwischen sich ertragen – außer einen einzigen, das Geschlecht.