Der Funken der Forschung
sg: Sie sind Wissenschaftler und Dozent an der Universität Oxford - Wie wählen Sie Ihre Studenten aus?
PF: Ich glaube nicht, dass wir unsere Studenten nach einem einzelnen Kriterium auswählen. Ich persönlich suche nach Begeisterung, einem Glitzern in den Augen, dem überspringenden Funken. Nach echtem Interesse für das Thema. Ich glaube Enthusiasmus ist wirklich wichtig.
sg: Neugier vielleicht?
PF: Ja definitiv. All diese Sachen sind so wichtig bei einem Wissenschaftler. Das Basiswissen ist zwar von Bedeutung, aber es ist nicht das einzige, was zählt. Ich glaube schon, dass viele Wissenschaftler darauf achten, wie viel Wissen ein Student mitbringt, aber wir können Menschen diese Kenntnisse auch beibringen. Daher spielt es für mich keine so große Rolle. Enthusiasmus hingegen kann man keinem beibringen.
sg: Woran erkennen Sie, ob jemand enthusiastisch ist? Am Lebenslauf? Oder eher bei einem persönlichen Gespräch?
PF: Natürlich schauen wir auch auf den Lebenslauf. Und natürlich suchen wir auch nach dem eingesendeten Material die Studenten aus, die wir zu Gesprächen einladen. Aber ich finde es immer wieder faszinierend, wie anders Menschen sind, wenn man sie dann tatsächlich vor sich sieht – ganz anders als man sie sich vorgestellt hat. Es ist fast immer das gleiche: Nach dem Lesen der Lebensläufe habe ich eine ganz bestimmte Person im Kopf, die ich wahrscheinlich einstellen werde – und ich glaube bei jedem einzelnen Mal haben wir letztlich jemand ganz anderen eingestellt! Weil diese Person einfach diesen Enthusiasmus hat, den Funken, das Interesse. Und die Person, die ich ursprünglich wollte, hatte das eben nicht.
sg: Macht dann dieser Enthusiasmus einen guten Wissenschaftler aus?
PF: Es ist ein weiter Weg zu einem guten Wissenschaftler. Enthusiasmus ist da leider nicht das einzige, was dazu gehört. Technische Kompetenz ist offensichtlich auch wichtig. Und ein bisschen Wissen natürlich auch.
sg: Was raten Sie also den jungen Forschern, die jetzt auf der Uni sind? Schnell sein? Auch andere Dinge neben der Uni zu machen, die einen begeistern? Auslandsaufenthalte?
PF: Natürlich sind alle diese Sachen sehr wichtig! Ich würde nicht unbedingt so viel Wert auf Schnelligkeit legen. Eher darauf, dass man wirklich Freude daran hat, was man macht. Es ist wahrscheinlich die einzige Zeit im Leben, in der man sich vollständig einem Projekt hingeben kann – ohne all diese peripheren Probleme, wie Anträge für Finanzierung schreiben, Gutachten erstellen, Vorlesungen vorbereiten und so weiter. Deswegen finde ich wirklich, dass ein Student diese wenigen Jahre, die er mit seinem Thema verbringen darf, genießen sollte! Auf der anderen Seite predige ich auch immer, dass ein Mensch eine ausgeglichene, runde Persönlichkeit sein muss und dass er auch andere Interessen haben sollte. Ich bin vielleicht einer der wenigen, der seine Studenten wirklich nach Hause schickt und gar nicht will, dass sie endlos im Labor bleiben. Nein, man muss andere Interessen haben. Wenn man all seine Energie in die Wissenschaft steckt und dann geht die Wissenschaft schief – dann stürzt doch das ganze Leben ein!
sg: … und dann kann man auch nicht mehr enthusiastisch sein…
PF: … nein, leider nicht…
sg: Also die Zeit, die jemand für eine Doktorarbeit braucht, scheint für Sie gar nicht wichtig zu sein? Wir Deutschen denken immer, wir haben einen Nachteil, weil wir erst mit 30 fertig sind und in anderen Ländern wie England ist man mit 26 Doktor – aber für Sie zählt das nicht?
PF: Nein, nicht wirklich. Die Dauer der Doktorarbeit ist natürlich schon relevant, hier in England werden wir sogar bestraft, wenn unsere Studenten länger brauchen als vier Jahre – also da wird auf die Studenten auch Druck ausgeübt, dass sie innerhalb der normalen drei Jahre fertig werden.
sg: Wie sind sie selbst denn in die Immunologie gekommen? Ich habe gehört, Sie haben einige Karriereentscheidungen getroffen, weil jemand ihnen geraten hatte, es gerade nicht zu tun?
PF: Ja, das ist etwas peinlich – aber da ist was Wahres dran. Am Anfang, im Grundstudium war die Immunologie das einzige Fach, das ich einfach nicht verstanden habe. Bei allen anderen Fächern gab es furchtbar viele Informationen, die man lernen musste, aber es war wenigstens möglich sie zu lernen und sie zu verstehen. Bei der Immunologie war einfach alles verloren, ich hatte absolut keine Ahnung! So vieles war damals noch unbekannt: Man wusste zwar schon, dass es den Haupt-Histokompatibilitätskomplex gibt, aber niemand wusste, was er macht, der T-Zell-Rezeptor war noch nicht gefunden worden – also herauszufinden was um aller Welt da vor sich ging, war irrsinnig schwierig. Deswegen wusste ich: ich muss meinen Doktor in Immunologie machen, einfach damit ich versuchen könnte, es etwas besser zu verstehen. Aber zu dieser Zeit wurde mir auch von einem Professor und guten Freund geraten, was immer ich machen wollte, ich sollte bloß nicht nach Oxbridge – also Oxford oder Cambridge – gehen. Und ja, deswegen bin ich dann erst nach Oxford, dann nach Cambridge und jetzt wieder zurück nach Oxford gegangen.
sg: Was ja am Ende auch nicht die schlechteste Entscheidung war…
PF: Ja das denke ich auch…
sg: Paul Fairchild, wir danken für das Gespräch.
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