Immunzellen helfen, Transplantate zu tolerieren
Im Zentrum seines Interesses stehen dabei die dendritischen Zellen. Sie steuern, ob die anderen Zellen des Immunsystems Moleküle angreifen oder tolerieren. Und damit haben sie auch die Macht über die Akzeptanz eines Transplantates.
Sehen Sie hier einen kleinen Film (ca. 4 MB), in dem Stephen Yates selbst erklärt, wie die Toleranz-Therapie funktionieren soll:
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An jenem 17. Dezember sind es bereits zweieinhalb Jahre, in denen Stephen versucht, eben diese Macht zu erlangen. „Ich habe alles versucht. Ich weiß nicht wie viele verschiedene Ansätze. Andere Modelle, verschiedene Zeitpunkte, immer wieder neue Medikamente“. Interleukin 10, TGF beta, Vitamin D3 – was immer im Verdacht steht, bei Toleranz eine Rolle zu spielen.
Besonders in dem Vitamin D3 liegt an diesem Tag seine Hoffnung. Er hat vorher gelesen, dass Transplantate besser angenommen werden, wenn Vitamin D3 gegeben wird. Und in der Tat: Nach zweieinhalb Jahren Enttäuschungen und erfolglosen Experimenten ist das Experiment zum ersten Mal gut verlaufen.

Fotos (4): Sina Bartfeld
Drei Käfige mit je fünf Mäusen holt er aus dem Regal. Versuch Nummer 03/63. Alle haben ein Stück Haut transplantiert bekommen. In einer Box sitzt die Kontrollgruppe, sie wurden nicht mit dendritischen Zellen behandelt. Und wie erwartet sieht man auch die charakteristischen schwarzen Flecken um das Haut-Transplantat – es wird abgestoßen. In den anderen beiden Käfigen sitzen therapierte Mäuse. Und bei einer Gruppe ist die Haut angewachsen, sie sieht gesund aus, sogar die ersten feinen Härchen sind zu sehen.
Diesen Mäusen hat Stephen vorher mit Vitamin D3 behandelte dendritische Zellen verabreicht, das Medikament muss bewirkt haben, dass die dendritischen Zellen Toleranz erzeugt haben. Noch heute, mehr als zweieinhalb Jahre später, strahlen die Augen des 26-Jährigen, wenn er von seinem ersten, wirklich bedeutsamen Ergebnis spricht. Damals konnte er die Freude kaum aushalten, lief zum nächsten Telefon und rief seine Eltern an.

Heute hat er seine Ergebnisse bestätigt, seine Doktorarbeit geschrieben und die Doktorwürde verliehen bekommen. Doch wie funktioniert es nun? Was verändert das Vitamin D3 in den dendritischen Zellen und warum führt das zu Toleranz?
So ganz genau weiß das noch niemand. Und auch die Ideen, die die Forscher bis jetzt haben, sind recht diffus und widersprechen sich zum Teil. Einige Forscher sind zum Beispiel davon überzeugt, dass das Stadium des Reifungsprozesses eine wichtige Rolle spielt: Unreife dendritische Zellen erzeugen Toleranz, während reife genau das Gegenteil bewirken, nämlich eine Immunreaktion ankurbeln.
„Das ist aber nur eine Art, die Sache zu definieren. Andere Forscher machen die Unterscheidung nicht am Reifungsprozess fest, sondern am Vorhandensein oder Fehlen eines bestimmten Oberflächenmoleküls, das wir CD8 nennen“, so Yates. Dendritische Zellen ohne CD8 aktivieren das Immunsystem, die Zellen mit CD8 drosseln die Abwehrreaktion. Und das wiederum ist nicht abhängig von ihrem Reifungsstadium.

Doch welcher Zustand auch immer bestimmt, ob die Zellen Toleranz oder Abstoßung auslösen – für Stephen Yates ist die Hauptsache, dass er sie mit Medikamenten in das Stadium bringen kann, in dem sie Toleranz erzeugen und dass sie vor allem auch sicher in dem Stadium bleiben.
Das scheint mit dem Vitamin gut zu klappen – warum das aber funktioniert, bleibt unklar: „Ich weiß bisher noch nicht, was das Vitamin D3 mit den dendritischen Zellen macht. Daran arbeite ich im Moment gerade.“
Stephen Yates gewinnt seine dendritischen Zellen aus dem Knochenmark der Mäuse. Er arbeitet also nicht mit embryonalen Stammzellen. Aber seine Erkenntnisse werden helfen, die aus embryonalen Stammzellen gewonnenen dendritischen Zellen manipulieren zu können.
Und was ist so speziell an den Toleranz erzeugenden Zellen, was machen sie anders, als diejenigen, die das Immunsystem aktivieren? „Das wird heiß diskutiert! Unsere eigenen Untersuchungen zeigen, dass sie wahrscheinlich eine Art Inaktivierung bei den T-Zellen erzeugen. Oder sie sorgen dafür, dass regulierende T-Zellen entstehen, die wiederum das Immunsystem drosseln. Es gibt viele Theorien, was da vor sich gehen könnte – aber die widersprechen sich auch größtenteils.“
Es gibt also noch viele entscheidende Fragen zu klären, bevor eine Therapie mit dendritischen Zellen in greifbare Nähe rückt. Wenn die Forscher sich eines Tages einig sein sollten und wissen, was die erstaunlichen Zellen mit dem Immunsystem anstellen, könnten sie vielleicht auch die Immunreaktion sicher dirigieren – „Nach den heutigen Ergebnissen sind wir aber von einer Therapie noch zehn bis zwanzig Jahre entfernt“.
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Zur Person
Stephen Yates ist 26, in Manchester aufgewachsen und hat seine Doktorarbeit an der Sir William Dunn School of Pathology im Labor Herman Waldmann und Paul Fairchild gemacht. Jetzt forscht er in der Gruppe als Postdoc weiter.
