Wie funktioniert RNAi genau? Für Leser mit biologischen Vorkenntnissen.
RNAi ist wahrscheinlich ein natürlicher Abwehrmechanismus von Zellen gegen Viren. Denn die Moleküle, die die Maschinerie starten, sehen dem Erbgut von einigen Viren sehr ähnlich: Es ist doppelsträngige Ribonukleinsäure (dsRNA). Gelangt diese Nukleinsäure in die Zelle, schaltet sie das Abwehrprogramm ein. Ein Enzym, das „Dicer“ genannt wird, schneidet die RNA in kurze Stücke, die ungefähr 21 Nukleotide lang sind und „siRNA“ (englisch „small interfering RNA“) genannt werden.

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Diese kleinen Schnipsel bilden mit einigen Proteinen zusammen einen Komplex: RISC (englisch „RNA induced silencing coplex“). Dieser Komplex scheint dann die Sequenz der RNA als Vorlage zu nehmen, um ähnlich aussehende RNA-Stücke zu zerstören. Trifft RISC auf ein RNA-Molekül, das die passende Sequenz hat wird das neu gefundene Molekül geschnitten und für die Vernichtung freigegeben. „Passend“ heißt in diesem Falle: die Sequenz muss komplementär sein, so dass die beiden Stränge gemeinsam einen Doppelstrang bilden können.
Mikro RNA
Wahrscheinlich ist RNA Interferenz viel mehr als nur ein Viren-Abwehrsystem: Forscher vermuten jetzt, dass dahinter auch ein riesiger Apparat steckt, mit dem die Zelle selbst ihre eigene Proteinproduktion regelt – sozusagen das Feintuning der Gen-Expression. Dafür produziert die Zelle selbst kleine RNA-Schnipsel, die Mikro-RNAs, und löst damit selbst RNA Interferenz aus. Derzeit sind die miRNAs eines der heißesten Forschungsgebiete.
Wenn also die am Anfang in die Zelle eingeschleuste RNA tatsächlich von einem Virus stammt, wird RISC sämtliche RNA der Krankheitserreger vernichten – eine gute Abwehrstrategie also.
Was aber, wenn die RNA von Forschern in die Zelle geschleust worden ist? Zum Beispiel ein Stück RNA, das die genetische Information für ein Enzym enthält, das Petunienblüten violett macht? Dann zerstört RISC all die mRNA, die die Zelle hergestellt hatte. Die Folge: es gibt kaum noch oder sogar keine Anleitung für die Proteinproduktion. Daher wird das Enzym kaum mehr geliefert – kein Violett entsteht, die Blüte bleibt weiß.
Das Faszinierende an der Technik ist, dass ganz gezielt die Produktion von einem einzelnen Protein abgeschaltet werden kann – man muss nur die genetische Sequenz kennen. Daher kann zum Beispiel ein HIV-Gen oder ein Krebsgen – einfach alle Gene – spezifisch unterdrückt werden. Heute ist eines der größten Probleme der Anwendung von RNAi in der Therapie, die RNA auch dorthin zu schleusen, wo sie benötigt wird.
Lesen Sie hier weiter:
- Das Schweigen der Gene: Wie RNAi entdeckt wurde.
- Die erste Anwendung: RNAi gegen altersbedingte Blindheit (Makula Degeneration).
- HIV, Marburg und andere – Zukunftsvision RNAi in der Therapie.
- Der Haken: Wie kommt die RNA an den Zielort?
- Ein Interview mit Thomas Tuschl, dem Entdecker der siRNA.
Links zum Thema
- Wie funktioniert siRNA? Eine Animation.
- Die Firma Ambion hat für Biologen zahlreiche Informationen mit Referenzen zusammengestellt.
- RNAi in der Fachzeitschrift Nature – mit tollem Film
Zur Person
Sina Bartfeld ist Redakteurin bei sciencegarden und Doktorandin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Sie arbeitet selbst mit RNA-Interferenz im Labor.
