Mai 2006

Zehn Jahre DSP

*Der Deutsche Studienpreis der Körber-Stiftung feiert zehnjähriges Jubiläum. Beim ersten Alumni-Treffen in Hamburg diskutierten fünf Preisträger-Generationen über ihre „Wunschmaschine Wissenschaft“.

Eine lustige Vorstellung: Die Wissenschaft ist eine große, ratternde Wunschmaschine! An allen Ecken und Kanten knirscht und dampft es, die Nieten knarzen. Dutzende von Maschinisten und Technikerinnen, Steuerfrauen und Heizern tummeln sich auf dem riesigen, schnaufenden Gefährt. Ein gemeinsames Reiseziel scheint die bunte Truppe nicht zu haben. Aber dafür jede Menge unterschiedlichster Pläne, Visionen und Bedenken.

Die Körber-Stiftung in Hamburg, gegründet vom 1992 verstorbenen Industriellen Kurt A. Körber, gehört zu den größten privaten Stiftungen Deutschlands.
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Entsprechend kontrovers ging es zu, Ende März in Hamburg. Die dort ansässige Körber-Stiftung feierte die ersten zehn Jahre eines überaus erfolgreichen Projekts – des Deutschen Studienpreises – standesgemäß: mit einer Tagung (sciencegarden veröffentlicht fünf Tagungsbeiträge in dieser Ausgabe).
Ein Wochenende lang diskutierten über vierzig ehemalige und aktuelle Studienpreisträger aus fünf Jahrgängen über ihre „Wunschmaschine Wissenschaft – Forschung zwischen Ökonomisierung und Eventisierung, Expertokratie und Erkenntnis“, ergänzt durch eine Handvoll hochkarätiger Sparringspartner, darunter Bundesministerin a. D. Andrea Fischer und der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), Prof. Günter Stock.
Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a. D. und Kuratoriumsvorsitzender des Studienpreises, bereicherte die Tagung am zweiten Abend mit einem öffentlichen Vortrag zur Lage der Wissenschaft im Kraftfeld von Markt, Macht und Erkenntnis.

*
Fotos (5): Körber-Stiftung

Die inhaltlichen Gräben (und Brücken) lagen während der gesamten Tagung kreuz und quer zur oft zitierten vermeintlichen Dichotomie von Geistes- und Naturwissenschaften, den „zwei Kulturen“ der Alma Mater.
Junge Kulturwissenschaftler geißelten mit Nachdruck jenes auch außerhalb der Universität weit verbreitete Effizienz- und Nützlichkeitsdenken, das primär auf die Verwertbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse schielt und Studiengänge wie die Slawistik oder die Philosophie zu „nutzlosen“ Orchideenfächern degradiert.
Zugleich unterbreiteten sie Vorschläge, wie sich die Differenz von ökonomischem Interesse und Erkenntnisgewinn produktiv in die Wissenschaft hineintragen ließe. Etwa durch ein verpflichtendes Studium Generale zu Beginn der Unikarriere, begleitet durch intensive Beratung, um möglichst früh abschätzen zu können, ob sich ein berufsorientiertes oder doch eher wissenschaftliches Studium lohnt.

*Gegen heftige Emotionen musste sich ein Deutschlandfunker wehren, der aus der eigenen wissenschaftsjournalistischen Praxis sprach. Manch ein Naturwissenschaftler gestand, den Pressemenschen lieber gar nichts mehr erzählen zu wollen, zu grob, zu verfälschend werde man zitiert. Dass Wissenschaftsjournalismus keine Hofberichterstattung sein kann, leuchtete hingegen allen Anwesenden ein.
Einig war man sich ebenfalls, dass junge Nachwuchswissenschaftler, auch und gerade aus den „weichen“, den vermeintlich „nutzlosen“ Fächern, durchaus mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen dürfen. Die wissenschaftliche, aber auch menschliche Qualität der jungen Studienpreisträger und ihrer Statements, Redebeiträge und Arbeitsprojekte sprach für sich.

*Das sah auch Matthias Meyer so, der bei der Körber-Stiftung als Projektleiter für den Deutschen Studienpreis verantwortlich ist. Auf die Frage nach den Höhepunkten aus zehn Jahren Studienpreis antwortet er schmunzelnd: „Abgesehen von mehreren ,garantiert funktionierenden‘ perpetua mobilia und einer eingesandten Bombenattrappe zum Beispiel das lebensgroße Modell einer Gefängniszelle, das zwei angehende Rechtswissenschaftler bei uns vorbeibrachten, und das Teil ihres Beitrags zur Reform der Juristenausbildung war – übrigens bekamen sie am Ende einen ersten Preis dafür. Aber die eigentlichen Höhepunkte waren immer wieder die Begegnungen mit Menschen, vor allem mit den klugen, hellwachen und engagierten Preisträgerinnen und Preisträgern.“

Und die beschlossen am Ende der Tagung umgehend, noch in diesem Herbst einen Alumni-Verein zu gründen, um weiter in Kontakt zu bleiben, aber auch Buchprojekte, Ausstellungen oder neue Tagungen zu organisieren. Ein Buch mit den Diskussionsbeiträgen der Tagung ist bereits in Vorbereitung und soll im Herbst erscheinen.
Den Machern des Studienpreises kommt das alles sehr entgegen: „Wir verwenden sehr viel Mühe auf die Auswahl der – wie wir finden, auch in der Rückschau – ,Richtigen‘, betont Mayer. „Es wäre töricht, diese Menschen dann nach der Preisverleihung einfach wieder aus dem Blick zu verlieren. Und vielleicht ist diese Gruppe ja auch ein wenig infiziert von Körber- und Studienpreis-Idealen, von der Idee, der Gesellschaft, der man vieles verdankt, wieder etwas zurück zu geben und von der Überzeugung, dass es sich lohnt, verständliche, interdisziplinäre und gesellschaftlich relevante Wissenschaft zu betreiben.“

*Und was erwartet Matthias Mayer von seiner Wunschmaschine Studienpreis?:
„Dass es uns gelingt, den Studienpreis an die veränderten Rahmenbedingungen an den deutschen Hochschulen anzupassen. Bachelors werden kaum noch Zeit für solche ,Extras‘ wie einen Beitrag zum Deutschen Studienpreis haben. Wir werden uns also vor allem auf Abschlussarbeiten oder Dissertationen konzentrieren müssen. Vieles spricht auch dafür, einmal Ausschreibungen ohne ein vorgegebenes Thema zu wagen, denn es ist immer schwer, von außen vorherzusagen, in welchem Bereich die wirklich originellen und innovativen Fragestellungen verfolgt werden. Und schließlich wollen wir die Plattform für junge Forschung, als die sich der Studienpreis versteht, weiter ausbauen.“
Na dann, volle Kraft voraus!

Beitrag von Christian Dries
Bidlquelle: Körber-Stiftung

Links zum Thema

  • Zur Körber-Stiftung
  • Die Homepage des Deutschen Studienpreises

Zur Person

Christian Dries ist Studienpreisträger 2002/03 und Chefredakteur dieses Magazins.

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