Aus dem Roboterkopf ins Navigationssystem
Eine Fahrt auf der Autobahn in naher Zukunft: „Papa, wann sind wir denn endlich da?“ quengelt die kleine Lisa auf dem Rücksitz. Mama Elfriede ist sich sicher: „Wir müssen da vorne links abbiegen“. Papa Klaus bleibt ganz gelassen – und sein neues Navigationssystem mit Spracherkennung auch. Denn auch ohne dass Klaus sich schreiend in Richtung Mikrofon wendet, um nach der richtigen Route zu fragen, wird es genau wissen, auf welche Stimme es ,hören‘ muss und welche Geräusche – zum Beispiel von der lärmenden Autobahn – es besser wegfiltern sollte.
Einen großen Anteil daran, dass Papa Klaus wohl schon bald entspannter mit seiner Familie in den Urlaub fahren kann, haben junge Wissenschaftler der Technischen Universität in Darmstadt. Denn dort forschen Studenten unter Leitung von Prof. Jürgen Adamy und Dipl.-Ing. Kyriakos Voutsas an Hörsystemen für Roboter.

Foto: Christina Kunkel
Das Büro von Kyriakos Voutsas an der Darmstädter Hochschule liegt irgendwo am Ende des hintersten Ganges im fünften Stock des TU-Hochhauses. Gerade einmal ein Schreibtisch findet darin Platz. Der 29jährige wirkt auf den ersten Blick eher wie ein ,normaler‘ Student und nicht unbedingt wie ein ambitionierter Nachwuchswissenschaftler.
Er trägt Jeans und T-Shirt und spricht mit einem sympathischen griechischen Akzent. „Wahrscheinlich bin ich nicht gerade der typische Forscher“, klärt er gleich auf. „Ich bin nicht so besessen von der Arbeit, dass ich in meinem Büro übernachte und habe auch sonst eigentlich ganz normale soziale Kontakte.“ Das klinge zwar im ersten Moment komisch, doch genauso könne man sich viele Nachwuchsforscher vorstellen.
Seit 2001 ist Kyriakos Voutsas wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Darmstadt. Vorher studierte er Elektrotechnik an der Universität in Thessaloniki (Griechenland), wo er sich vor allem mit Industrierobotern beschäftigte. Ein Stipendium ermöglichte es ihm dann vor fünf Jahren nach Darmstadt zu kommen, um dort an seiner Promotion zu arbeiten. Bereits in Griechenland hatte er angefangen Deutsch zu lernen und es machte ihm daher kaum Probleme, sich in Darmstadt einzuleben.
„Eigentlich sollte ich auch an der TU weiter an Industrierobotern forschen, weil ich mich schon in Griechenland damit beschäftigt hatte“, erinnert sich Voutsas. „Doch ich wollte lieber etwas anderes machen, weil ich fand, dass es im Bereich Industrieroboter nicht mehr viel Neues zu erforschen gibt.“ So sei er schließlich auf humanoide Roboter gestoßen und habe sich dabei auf den Bereich Hörsysteme spezialisiert. Unterstützt wird der Nachwuchsforscher bei seiner Projektarbeit von Studenten sämtlicher naturwissenschaftlicher Fachrichtungen, für die er auch Diplomarbeiten anbietet.
Auf einem kleinen Tisch in seinem Büro steht ein Roboterkopf-Modell mit einer orangefarbenen Irokesen-Frisur, das auf den ersten Blick auch gut in einen Science-Fiction passen würde. Doch bei dem etwas seltsam anmutenden Objekt handelt es sich um den „Darmstädter Roboterkopf“, den Voutsas selbst entwickelt hat und an dem er seit seinen Anfängen in Darmstadt arbeitet.
„Der Kopf selbst ist eigentlich nur eine Plattform, um die von uns entwickelten Hör- und Bildverarbeitungssysteme auszuprobieren“, erklärt Kyriakos Voutsas. Die Optik sei dabei nur insofern wichtig, als dass der Kopf möglichst der Form eines menschlichen Schädels entsprechen sollte, um die Forschungsergebnisse später auch auf humanoide (menschenähnliche) Roboter übertragen und dementsprechend anwenden zu können.
Die Entwicklung seines Roboterkopfs erklärt Kyriakos Voutsas so: „Ein Biologie-Professor aus unserer Hochschule hatte ein Modell erstellt, wie Hörsignale im menschlichen Gehirn aufgenommen und verarbeitet werden. Ich habe dann versucht, diese Theorien durch mathematische Simulationen entweder zu bestätigen oder zu widerlegen.“
Dabei entstand vor fünf Jahren quasi über Nacht das Modell des Roboterkopfes, das mit zwei Mikrofonen und zwei Kameras ausgestattet ist und sich mit Hilfe eines fahrbaren Untersatzes frei im Raum bewegen und orientieren kann. Zudem ist es in der Lage, Stimmen verschiedener Personen zu unterscheiden und diese auch aus einem dichten Geräuschteppich herauszufiltern. Genau diese Fähigkeit sollen nun auch die Navigationsgeräte der nächsten Generation besitzen, die ein großer deutscher Chip-Hersteller demnächst auf den Markt bringen will und deren Spracherkennungsfunktion unter anderem auf den Forschungsergebnissen des jungen Griechen beruhen wird. Ohne direkt in ein Mikrofon zu sprechen, soll der Fahrer Anweisungen erteilen können, wobei er nicht auf Geräusche von anderen Personen oder Straßenlärm Rücksicht nehmen muss. Denn diese soll das Spracherkennungssystem automatisch erkennen und wegfiltern.
Derartige Produktentwicklungen sind zwar ein großer persönlicher Erfolg für den jungen Forscher. Doch es ist nicht in erster Linie das, was die Hochschule von ihrem Nachwuchs erwartet. „Ziel der Forschung an der Universität ist es, neue Wege zu finden, neue Methoden zu entwickeln, neue Prinzipien zu produzieren“, betont Voutsas. Diese könnten natürlich auch zum Entwurf und letztlich auch zur Herstellung eines Produktes benutzt werden. Das habe allerdings an einer Hochschule nicht die gleiche Bedeutung wie unabhängige Forschung.
Trotzdem sind Industrie und Hochschulen oft gar nicht weit voneinander entfernt. Ganz im Gegenteil: Es entstehen immer mehr Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen, von denen sowohl die Industrie als auch die Wissenschaft profitiert: Die Firma bekommt neue Ideen für die Entwicklung von Produkten, und die Universität erhält so die notwendige finanzielle Unterstützung für ihre Forschungsprojekte. So arbeitet beispielsweise eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern aus dem Fachgebiet „Regelungstheorie und Robotik“ der Darmstädter Hochschule mit dem Honda Research Institute in Offenbach zusammen. Die von den Nachwuchsforschern entwickelten Systeme sollen unter anderem in Hondas humanoidem Roboter Asimo zum Einsatz kommen.
In diesem Sommer beendet Kyriakos Voutsas seine Arbeit an der TU Darmstadt. Christian Voigt führt sein Projekt dann weiter. Was für Voutsas danach kommt, weiß er noch nicht genau. Auf jeden Fall will er erst einmal weg von der reinen Wissenschaft. „Mir hat es gut gefallen, auf neuen Wege zu forschen. Forschung ist aber nun mal sehr schwierig. Nach der Promotion werde ich deshalb produktorientierter arbeiten.“
Links zum Thema
- Homepage des Instituts Regelungstheorie und Robotik der TU Darmstadt
- Private Homepage von Kyriakos Voutsas
- Homepage der TU Darmstadt
Zur Person
Anja Guhlan, Tanja Morschhäuser und Christina Kunkel studieren im vierten Semester Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt.