sciencegarden Blog

Begriffsabrüstung 3: Management

Es gab Zeiten, da gab es nur Leute, die was zu sagen hatten und solche, bei denen das nicht der Fall war. Die einen hießen - nein, falsch: Eigentümer, die anderen waren deren Beschäftigte, die nicht viel zu sagen hatten. Aus, basta. Dann wuchsen die Unternehmen, und die Eigentümer holten sich Helfer auf die Kommandobrücke - das Management war geboren und übernahm nun auch echte Leitungsfunktionen. Irgendwann gingen mancherorts auch die Eigentümer. Stattdessen kamen die Aktionäre, die fortan das Management einsetzten. Dieses steuerte nun Unternehmen, die weder ihm selbst noch einem ihrer Auftraggeber wirklich gehörten. So vermehrte sich seine Macht, und damit wuchsen auch das Prestige der Position und der Glanz des Wortes. Vom Abglanz nun wollten alle etwas abbekommen, und pfiffige Personal-"Manager" schafften es, die Illusion zu transportieren: Vom Content-"Manager" bis zum Facility-"Manager". Was nicht blieb, waren allerdings die Tätigkeitsinhalte. Der eine ist immer noch ein Redakteur - mit der Einschränkung, dass die Texte nun auch zur Webung passen müssen. Und der andere feiert seine Sternstunden nach wie vor mit der Wasserpumpenzange in der Hand bei Rohrbruch. Wen der billige Trick ganz schlimm trifft, schuftet für den tollen "job title" in unterbezahlter Position, gegängelt von anderen "Managern". Da lobt man sich das Wort "Führungskraft", das neben dem schönen Schein wenigstens auch den Anspruch vermittelt - und sich schon deshalb nicht zum inflationären Gebrauch eignet!

Abrissreif

Die meisten Seminarräume, an die ich mich erinnere, atmeten nicht den Muff von tausend Jahren, allerdings den von wenigstens dreißig. Schon als Grundstudent lernte man, dass in diesem Land kein Geld mehr vorhanden ist, um seine Akademiker in menschenwürdigen Räumen unterzubringen. Verfallene Außenfassaden, bröckelnde sanitäre Anlagen und Assistenten, die sich ihr Büro zu zweit oder zu dritt teilen, sind nichts Außergewöhnliches. Einst spiegelte sich das hohe gesellschaftliche Ansehen der Universität in ihren Bauten. Freiburg, Bonn, erst recht Berlin oder München zeugen heute noch durch ihre Schloss- bzw. schlossartigen Bauten von diesem längst vergangenen Geist. Lassen die heutigen Hochschulbauten und ihr erbarmungswürdiger Zustand umgekehrte Rückschlüsse zu? Dies steht zu befürchten. Zugegebenermaßen geben sich nun seit der sogenannten "Exzellenz-Initiative" (in der Hoffnung auf ungekannte Geldsegen) einige Universitäten bauliche Mühen, auch ihr äußeres Erscheinungsbild aufzupolieren. Bislang sind das aber eher potemkinische Dörfer. Versammlungsräume für Studenten - an jeder britischen Universität eine Selbstverständlichkeit - gibt es in Deutschland nicht. Einen Salon für die Dozenten, in dem sie mal miteinander und nicht nur übereinander reden? Fehlanzeige. Der deutschen Universität fehlen Räume zur Kommunikation. Daher ist es mehr als begrüßenswert, dass das Fraunhofer-Institut vom 27. - 28.11.2007 unter dem Titel Räume für Wissensarbeit - Zukunftsweisende Architektur für die Wissensgesellschaft in Dresden eine Konferenz ausrichtet, in deren Mittelpunkt solche und ähnliche Fragen stehen werden. Hoffentlich unter Teilnahme zahlreicher Rektoren, Hochschul- und Finanzpolitiker!

Neuer Name für Fossil gesucht

Im Blog tiefes leben bittet Björn Kröger um Unterstützung bei der Namensgebung für ein "bisher unbekannte Nautiloideen", was wohl eine Art Ammonit zu sein scheint (Ammonit bei Wikipedia). Das versteinerte Tier erinnert mich stark an ein angeknabbertes Frühstückshörnchen. Vielleicht hat aber jemand eine bessere Idee...

Begriffsabrüstung 2: Innovation

Wir brauchen mehr Innovation, behaupten sogar die Konservativen. Begriffsabrüstung bedeutet in diesem Fall: der Jungen Union, dem RCDS, der Adenauer-Stiftung, der CDU/CSU und auch gleich dem ADAC einen Fremdwörterduden auszuleihen. Sie alle wünschen leider primär finanzielle Veränderungen (= Privatisierung) in Wirtschaft, Forschung, Bildung, Sozialsystem -- also eigentlich überall. Konservatives ist Bezogen auf erhaltenswerte Traditionen, ganz früher sogar auf die christliche Sozialethik. Daher verwundert die Hochrüstung des Begriffs Innovation zum konservativen Programmbegriff. Denn das Sozial- und Bildungssystem, traditionelles Wirtschaften und Forschen werden ja keineswegs erhalten, sondern radikal modernisiert. Innovation ist der radikalste Traditionsunterbrecher, ja Traditionszertrümmerer. So sagt es der Begriff! Das erstaunliche ist ja, dass die ehemals "Fortschrittlichen" (also Innovativen) heute die sind, die "traditionell" sind und bewahren wollen: sie sind also die neuen Konservativen. Aber was sind dann die ehemals Konservativen?

Begriffsabrüstung 1.2: Kreativität

"Begriffsabrüstung" muss eine Reihe werden, Herrn Dries danke ich für die kreative Leistung, diese erfunden zu haben. Allein der erste Begriff ist noch nicht endgültig abgerüstet, er ist ja der Scheinriese der Gegenwart. "Kribbeln im Kopf" von Mario Pricken ist ein Longseller im Bereich Design. "Kreativitätstechniken & Brain-Tools" ist leider der Untertitel. Den kann man nur damit entschuldigen, dass auch Werber -- nicht gerade eine Berufsgruppe mit "brain" -- das Buch kaufen sollen. Würde man einfach auf die U1 schreiben, was sich im Buch findet, wären die Begriffe abgerüstet: es geht um IDEENFINDUNG. Unter diesem Titel ist das Buch sogar sehr nützlich. Zum Glück kribbeln Ideen nicht im Kopf, damit würde man ja eher zum Fall für den Neurologen. Das Buchthema ist nicht zu verwechseln mit "Ideenmanagement", einem weiteren noch nicht abgerüsteten Begriff. Manche würden zur sciencegarden-Blog-Begriffsabrüstungsreihe jetzt sagen: die ist wirklich "innovativ". Aber die sollen sich hüten! Weil der Begriff "Innovativ" ...

Begriffsabrüstung

Kaum eine öffentliche Äußerung - von Politikern, Wissenschaftlern, Managern -, in der nicht von Kreativität die Rede ist; davon, dass wir mehr von ihr bräuchten, um endlich wieder zur Weltspitze...; dass wir am besten schon im Kindergarten! Und überhaupt seien die heutigen Bedingungen ja ganz furchtbar kreativitätsabträglich. In seinem Essay "Kreativität. Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff" nimmt Hartmut von Hentig die ganze Chose gehörig und intelligent aufs Korn. Er sei hiermit zur Lektüre empfohlen. A propos: Intelligenz - auch so ein "keyword" der Spätmoderne. Wer sich darüber amüsieren will, muss Enzensberger lesen: "Der Irrgarten der Intelligenz. Ein Idiotenführer". Voilà!

Museum der Nachdenklichkeit

Wer schon immer einmal ins schönste Museum der Welt wollte, der kann jetzt in Köln aussteigen. Gemeint ist nicht der Kölner Dom (mit den schönsten Kirchenfenstern der Welt, Gerhard Richter sei Dank), sondern das einen Steinwurf weiter gelegene neue Dommuseum "Kolumba". Der Architekt Peter Zumthor hat um die Ruine einer uralten Kapelle herum ein Haus entworfen, das seine Besucher in meditative Ruhe versetzt. Alles ist hier überzeitlich. Statt vieler Kunstwerke auf wenig Raum, wie es der neue Trend der Best-of-Art-Shows diktiert, sind wenige Werke in großen Räumen verteilt. Und dies, fast wie auf den Gemälden von Raffael, in vollkommener Harmonie: Architektur, Kunstwerke, selbst der Ausblick sind wunderbar. Zwischen Mittelalter und Andy Warhol ist auch zeitlich der Raum weit. Wer den grandiosen Bau verlässt, steht mitten im quirligen Zentrum der Stadt. So ähnlich muss sich die Vertreibung aus dem Paradies angefühlt haben.

Wissenschaft für alle

Wissenschaft ist nicht nur für Wissenschaftler ein mitunter hartes Geschäft, ihre Ergebnisse sind auch für interessierte Laien oft nur schwer verdaulich. Esoterische Fachsprachen verhindern den Dialog mit der Gesellschaft. Die Klaus Tschira Stiftung, die sich der Förderung von Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik verschrieben hat, will diesen Missstand angreifen und lobt jedes Jahr bis zu sechs Preise à 5.000 Euro für verständlich dargestellte Forschung aus. Den PreisträgerInnen winkt zudem eine Veröffentlichung ihrer Beiträge in einem Sonderheft von "Bild der Wissenschaft". Zu den Teilnahmebedingungen geht's hier. Viel Erfolg!

Leseempfehlung: Ehre, wem Ehre gebührt? Wissenschaftliche Publikationen und das Gerangel um die “Pole Position”

Marc Scheloske vom Blog Wissenswerkstatt erörtert sehr informativ den Prestigekampf unter Forschern um die Platzierung in den Autorenlisten wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Sehr lesenswert!
  • Zum Artikel in der Wissenswerkstatt

Die Verbachelorisierung Deutschlands

Ein Qualitätssprung mag es ja gewiss sein - Bachelor hier, Master da. Nur die Frage ist, ob dieser Sprung nach oben oder nach unten geht. Sie wissen nicht, was ich meine? Dann kommen Sie doch mal in meine neue Vorlesung "Agrarökologie". Da sitzen Studenten aus fünf verschiedenen Studienrichtungen gleichzeitig im Publikum - eine bunte Mischung aus Erstsemestern und Leuten, die schon kurz vor dem Diplom, pardón, Masterabschluss stehen. Und nun stellen Sie sich mal vor, Sie wollen diesem breiten Spektrum an Leuten gleichzeitig gerecht werden. Nun, man versucht es natürlich - so gut es eben geht. Aber man kann eben fast keine Vorkenntnisse mehr voraussetzen - ganz anders als zu Zeiten des Diploms. Da musste jeder Studierende im Grundstudium Mathe, Physik, Chemie und Biologievorlesungen hören, und man konnte die Leute irgendwie verschiedenen Studienrichtungen zuordnen. Aber jetzt? Für die einen ist alles, was ich erzähle, Schnee von gestern; wiederum andere kommen zu mir und monieren, das alles wären ihnen zu viele Fachbegriffe. Natürlich, es gibt keinen Weg mehr zurück - und international anerkennbare Abschlüsse brauchen wir allemal. Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es zumindest schwierig, ein für alle akzeptables Niveau in eine Lehrveranstaltung zu bringen. Also: Niveau hoch, auf die Gefahr hin, dass keiner mehr etwas versteht? Dann wären wir zurück bei dem Mangel, den wir eigentlich beseitigen wollten. Oder: Am besten, wir setzen an den Unis einfach Gymnasiallehrer ein. Die haben das wenigstens gelernt.
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