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Managementkompetenz, lieber nicht

Manager bekommen 40 Millionen Euro Abfindung, wenn sie den Karren in den Dreck fahren. In Deutschland wird man, wenn man dann vor Gericht kommt, frei gesprochen. Warum will man eigentlich deren Kompetenzen auch außerhalb der Konzerne? Und sogar in der Wissenschaft? Noch schlimmer: Sogar in den Verlagen. In der deutschen Buchkultur werden die Lektoren langsam aber sicher zu "Produktmanagern", also zu Marketingexperten, die dafür nicht ausgebildet wurden. Die denken dann über Geld nach, statt über Texte. Wissenschaftler, die dafür nicht ausgebildet wurden, sollen jetzt Manager werden. Unsinn! Ohne Lektoren gibt es keine guten Bücher, und die unlektorierten Fachbücher, die man in die Hände bekommt, beweisen das auf traurigste Weise. Kein Wunder, dass weniger gelesen wird. Wenn sich die Wissenschaftler der Zukunft mehr mit Maliks Managementphrasen beschäftigen als mit der Wissenschaft, dann haben wir bald gut organisierte Lehrstühle: allerdings ohne Forschungsinhalte. Und die sind dann vollends überflüssig. (Die BWL in St. Gallen natürlich ausgenommen). Wissenschaftler brauchen eine Befreiung von Organisationsaufgaben, die Institute brauchen also Geschäftsführer, die NICHT forschen: Damit die Forscher wieder forschen können.

Fürs Leben lernen 1: Poker

„Man muss smart sein und mutig. Man muss sich ganz auf das Spiel konzentrieren, und deshalb hilft einem Poker, alle Probleme, die man hat, für ein paar Stunden zu vergessen.“ sagt der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo. Er ist 70, in der Bronx aufgewachsen und keiner schreibt besser. Poker ist „in“. Alle Studenten spielen es, sogar mit ihren Eltern. Erst im Spiel, so schrieb Friedrich Schiller, ist der Mensch ganz Mensch. Später kam der Homo ludens hinzu. Aber Hand aufs Herz: wer dachte an Poker? Ein Moralphilosoph würde fragen: Welche Eigenschaften sind nötig, um ein Spiel zu gewinnen? Ein Soziologe: Was sagt es über die Gesellschaft, wenn ein Spiel zur Massenbewegung wird? Um beim Poker zu gewinnen braucht man Beobachtungsgabe, gute Rhetorik und Eiseskälte des Gemüts. Vereinfacht: man muss lügen können. Andere müssen taxiert, hinters Licht geführt und schließlich besiegt werden. Es ist natürlich nur ein Spiel, was einen nicht daran hindert, anderen das Geld abzunehmen. Um das auch noch zu legitimieren gilt eine der unmoralischsten ethischen Regeln: Spielschulden sind Ehrenschulden. (Es ist also kein Spiel!). Poker ist also kein Spiel unter Freunden, deshalb spielt man lieber mit Unbekannten. Also im Internet oder auf Turnieren. Warum wird nicht Schach zum Trend? (Und endlich wieder zum Schulfach?) Nicht Glück, Rhetorik und Geld sind maßgebend, sondern Strategie, Intelligenz und Gedächtnis. Aber halt! Schach war im Ostblock verbreitet, also in Diktaturen. Es machte die Leute klug, und nur sehr kluge Leute überlebten den real existierenden Sozialismus, obwohl sie klug waren. Sie sahen nämlich die Schachzüge der staatlichen Organe voraus. Im Kapitalismus aber ist Klugheit gar nicht nötig um zu erkennen, dass es nur ums Geld geht. Nicht die Stasi bedroht uns, sondern Geldmangel. Und für diese Kultur reicht Poker völlig aus. Smart sein, mutig, vergessen können – die Tugenden von heute.

Warum Management-Kompetenz für Wissenschaftler notwendig ist.

Ich habe ein interessantes kleines Interview gefunden mit Prof. Dr. Fredmund Malik vom Malik Managementzentrum St. Gallen zur Frage, warum ein Wissenschaftler heute auf jeden Fall über Management-Kompetenzen verfügen sollte. Herr Malik ist aktuell mit dem Aufbau eines Weiterbildungsprogramms bei der Fraunhofer Gesellschaft beschäftigt, dass eben solche Kompetenzen vermitteln soll. Hoffentlich bleiben solche Bemühungen nicht nur auf die großen Forschungsinstitutionen beschränkt! Das ganze gibt es auch als Audio-Datei zum Dowload.

Weiß ist das neue Silber

Von meinem Küchenfenster aus schaue ich auf einen Parkplatz. Die letzten Jahre waren die meisten Automobile, die dort standen, silbern. Ein silbernes Auto symbolisierte lange die deutsche Variante der Feigheit. „Da macht man nichts falsch!“ Der Widerverkaufswert sei höher. (Das war der Grund und leider nicht der legendäre Silberpfeil.) Eine Frage der Ästhetik wird also im Lande Friedrich Schillers wieder einmal durch Nützlichkeitserwägungen verhunzt. Meine Eltern wollten vor zwei Jahren einen weißen VW Polo verkaufen. Jeder zweite Anrufer sagte: Nein, ein weißes Auto käme nicht in Frage. Der Wagen ging also unter Wert weg. Jetzt blicke ich auf den Parkplatz und sehe immer mehr weiße Autos. Die Autoverkaufsshows haben den Trend angekündigt: Weiß ist das neue Silber – und zwar bei Limousinen! Ich sah schon: einen Scheingeländewagen von Porsche in weiß, einen großen BMW-Komi, sogar einen großen Mercedes. In Südeuropa fahren die kleinen Leute weiße Kleinstwagen, es ist heiß dort. Aber große Autos haben Klimaanlagen, weiß ist da eigentlich nicht nur unpassend, sondern auch überflüssig. Die Fahrer großer deutscher Autos machen sich also die nächsten Jahre damit lächerlich, dass sie schöne Autos in einer unpassenden Farbe fahren. Porsche, Mercedes, BMW, Jaguar, Lexus, Land Rover, wahrscheinlich bald Ferrari in weiß! Die Farbe suggeriert Reinheit. Ein Auto aber mit 400 PS kann niemals rein sein. (Und wer 100.000 Euro für ein Auto ausgibt, kann keine weiße Weste haben.) Die Waschanlagenbesitzer werden sich freuen! Im Ausland wird man lachen. Menschen ästhetischen Geschmacks, gestern noch über die Monokultur silberne Autos klagend, werden weiter leiden müssen. Schön sind in Zukunft also die Fahrräder, nicht die Autos. Und zu hoffen bleibt, dass nicht bald auch die umweltfreundlichen, reinen, schwarzen (!) Gazelle-Hollandräder in weiß lackiert werden, nur weil Deutsche es wünschen.

Den Kulturpessimismus versalzen

"Ilsebill salzte nach.", so der erste Satz von Günter Grass' Der Butt. Es ist, so will es die Jury aus Fersehmoderatorin, Richterin, Handballtrainer und anderen, der schönste erste Satz der deutschen Literatur. Völlig berechtig, egal, wer in der Jury sitzt. Die, die Grass nicht mögen, hassen meist die auf Krawall gebürstete "öffentliche Person". Aber ein Blick in seine Romane, wenn sie ihn wagen würden, wird auch sie in Verzücken setzen. Es hätte aber dennoch auch ein anderer Satz werden können, es gibt sehr viele schönste erste Sätze. Patricia Highsmith hat nicht ohne Grund über die Energie, die Schriftsteller eigens für den Romaneinstieg verwenden, einen schönen Essay verfasst. ("Der erste Entwurf" in Über Patrica Highsmith, Diogenes, Zürich: 1980) Aber egal welcher Satz nun prämiert wurde, der Wettbewerb schleift vor allem Kulturpessimisten die Schneidezähne ab. 17.000 Menschen haben sich beteiligt und Begründungen eingereicht. Ja, Sie lesen richtig: Siebzehntausend lesen und lieben nicht nur die deutsche Literatur, sie schreiben sogar darüber. Sehr schade, dass es dazu am Ende dann doch eine FERNSEH-Gala geben musste, aber was solls. Auch Fernsehzuschauer können dann nicht mehr ignorieren, dass andere lieber nicht verpassen, was sie verpassen würden, wenn sie das Fernsehen einschalten. Große erste Sätze zum Beispiel in endlos vielen grandiosen deutschen (!) Romanen. Wie den von Irmgard Keun aus Nach Mitternacht von 1937, ein Exilroman: „Einen Briefumschlag macht man auf und zieht etwas heraus, das beißt oder sticht, obwohl es kein Tier ist.“ Hätte auch gewinnen können, oder? Aber doch gut, dass Grass gewonnen hat, es ist nämlich überfällig, endlich über sein Werk und nicht nur über seine Person reden, lesen und schreiben zu können. (Für Grass Fans ist der gerade erschienene Briefwechsel mit Uwe Johnson empfehlenswert.) Günter G. ist der einzige deutsche Autor nach Goethe und Thomas Mann, der im Chor der Weltliteratur laut mitsingt. Das wird jeder nachempfinden, der mehr als die Zeitung und mehr als den ersten Satz liest. Im Butt geht es nämlich weiter: "... Bevor gezeugt wurde, gab es Hammelschulter zu Bohnen und Birnen, weil Anfang Oktober. Beim Essen noch, mit vollem Mund sagte sie: 'Wolln wir nun gleich ins Bett oder willst willst du mir vorher erzählen, wie unsre Geschichte wann wo begann?' Ich, das bin ich jederzeit. ..." Also auch noch der beste zweite Satz, usw.

Vom Aderlass zum Untergang

Der Deutsche an sich hat bekanntlich ein Faible für Melancholisches im Weltmaßstab und Untergangsszenarien aller Art. Da darf ein vorzeitiger Nachruf auf die deutsche Universität, die sich gerade anschickt, zur Elite aufzusteigen, nicht fehlen.

Wer nämlich abseits der Lobreden auf die neuerdings wie Pilzflechte erblühende akademische Exzellenz in unserem Land schaut, traut seinen Augen nicht: Die jungen Nachwuchskräfte verlassen die Universität in Scharen, besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Überall und ganz gleich, mit wem man spricht: Die Ernüchterung ist groß. Und es sind - vorsichtig formuliert - nicht die Schlechtesten, die der Alma Mater spätestens nach der Promotion entsagen, um ihr Glück (und ein halbwegs gefülltes Bankkonto) andernorts zu suchen. Nicht, weil man in Deutschland grundsätzlich keine gute Forschung (mehr) betreiben könnte. Sondern vor allem, weil der einst so attraktive Beruf des Hochschullehrers - für welche anderen Berufe haben Menschen je so große Entbehrungen auf sich genommen? - zunehmend überfrachtet wird: mit bürokratischem Papierkram, Gremiensitzungen und Managementaufgaben. Auf der Strecke bleibt wie immer das Wesentliche. Und die Gehälter sind auch nicht gerade gestiegen (sondern, unter dem Deckmantel der Flexibilisierung nur notdürftig kaschiert, für viele eher abgesackt).

Fazit: Wenn wir nicht Acht geben, wird der dramatische Aderlass der deutschen Universitäten alsbald in einem veritablen Untergangsszenario münden. Und das dürfte nicht nur dem zarten Exzellenzpflänzchen überhaupt nicht gut bekommen.

Gerontologisches Wochenblatt

Am Kiosk gibt es viele Zeitungen, früher hat man (vielleicht aus Gewohnheit) auch DIE ZEIT gekauft. Das ist leider vorbei. Zum einen gibt es die FAS -- darin finden sich lesenswertere Beiträge. Zum anderen bin ich zu jung geworden. Die 80-jährigen haben die ZEIT übernommen, angeführt von Helmut Schmidt. Der doziert und schreibt nur über sich. Das ist interessant, aber nicht im redaktionellen Teil. Und nicht jede Woche. Dann sind da noch andere Redakteure, die geistig-habituell 80-jährige imitieren: also auch nur noch über sich selbst schreiben. Oder über ihre großartige Zeitung. Da ich die Autoren nicht persönlich kenne, hat das aber keinen Mehrwert. Die Aussage, wie unglaublich wichtig DIE ZEIT ist, bleibt schließlich leer. "Beschreiben, nicht behaupten!" lautet doch eine journalistische Tugend. Ich wollte eine Sammlung dieser selbstbezüglichen ZEIT-Passagen angelegen, aber die wächst so schnell, dass ich wieder aufgeben musste. Der Leser ist ein Gewohnheitstier: ich traure der ZEIT also auch nach. (Dieter E. Zimmer oder Gunter Hoffmann, beide sehr lesenswert!) Aber Dreizwanzig für eine versteckte, informative Spalte des Redaktionspraktikanten? Einen Text in einer Zeitung suchen, der nicht in den ersten vier Absätzen den Autor selbst thematisiert (und in den folgenden die ZEIT lobt)? Nein, nein -- die ZEIT lese ich erst wieder, wenn ich alle Redakteure persönlich kennen gelernt habe, dann lassen sich Selbstaussagen zuordnen. Früher war der RHEINISCHE MERKUR keine ernsthafte Konkurrenz, inzwischen ist es aber die anregendste Wochenzeitung, die am Kiosk ausliegt. Vielleicht erscheint dort eines Tages der Nachruf auf die ZEIT ...

In die Schule gehen

Ist Sprache eigentlich verräterisch? Neulich hörte ich einen Bachelor-Studenten, wie er seine Kommilitonen "Mitschüler" nannte. "Schüler?", fragte ich. Er wusste nicht, worüber ich mich wunderte. Das ist natürlich einfacher auszusprechen, vom Schreiben abgesehen. Tja, so gehts. Auch gibt es keine Fragen nach dem Inhalt von Seminaren mehr. Was denn klaussurrelevant sei, wie hoch der Workload, wieviele Creditpoints es gebe, zum Beispiel für "Mediensoziologie" oder "Kreatives Schreiben". Das Vorlesungsverzeichnis sollte also eigentlich gleich als Quartett erscheinen: "Medien" schlägt "Habermas". Finde ich alles nicht schlimm, mein Studium liegt hinter mir. Nur: Es sollten doch bitte andere Leute unterrichten an den Hochschulen. Könnten die Quereinsteigerprogramme für Lehrer nicht gleich die Hochschulen mitversorgen? Die fällige Antwort auf "Schüler" sind "Lehrer" und nicht Professoren. Lehrer können besser unterrichten, dafür darf man sie schlechter bezahlen -- ein Vorteil für die Hochschule. Die Lehre soll verbessert werden, es gibt also kein Gegenargument.

Das sciencegarden-Blog ist eröffnet!

Liebe Leserinnen und Leser,

seit heute gibt es auf sciencegarden.de auch ein Blog.

In Zukunft wird die Redaktion an dieser Stelle kurze Meldungen und Meinungen zum Thema Wissenschaft & Forschung veröffentlichen. Sie sind herzlich eingeladen, sich zu Wort zu melden und mit unseren Autoren zu diskutieren.

Viel Vergnügen!

Ihre sg-Redaktion

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