sciencegarden Blog
Megastädte...
...sind zutiefst verwundbar. Das erfuhr die japanische Stadt Kobe, gemeinsam mit Osaka die nach Tokio zweitgrößte Metropole Japans, am 17. Januar vor dreizehn Jahren schmerzlich, als die Region an der Osaka-Bucht 20 Sekunden von einem gewaltigen Erdbeben heimgesucht wurde. Die Bilanz: über 6.000 Tote und 44.000 Verletzte, 300.000 Obdachlose und 100.000 völlig zerstörte Gebäude. Geschätzter Schaden: 100 Mrd. US-Dollar.
Und das war Glück im Unglück: Denn als das Beben um 05:45 Uhr Ortszeit tobte, steckten tausende Menschen noch in den Federn - und nicht bereits in Büros, Schulen, Ministerien... Unvorstellbar die Katastrophe, hätte es sich zwei, drei Stunden länger Zeit gelassen.
Zu den mittelbaren Folgen des Bebens gehörte übrigens auch der Zusammenbruch der Barings Bank, deren Mitarbeiter Nick Leeson hohe Summen auf Nikkei-Optionen gesetzt hatte. Als der Nikkei-Börsenindex am Tag des Bebens um 1000 Punkte fiel, verlor Leeson 400 Millionen britische Pfund. Wenig später ging die traditionsreiche britische Investmentbank mit Verlusten von insgesamt 1,4 Mrd. US-Dollar Pleite.
Wer mehr über die Megastadt Kobe und ihre Probleme als Millionenmetropole erfahren will, kann sich in einem ausführlichen Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung informieren - oder am besten gleich einen eigenen Beitrag zum sciencegarden-Schreibwettbewerb verfassen. Am 30. April ist Einsendeschluss!
Die Hörisch-Affäre...
...köchelt weiter. Gestern antwortete der preisgekrönte Buchautor Georg Klein auf den offenen Brief, den Jochen Hörisch als Reaktion auf die Rezension seines neuesten Buches durch den Literaturkritikers Burkhard Müller in der Süddeutschen Zeitung (nachzulesen bei buecher.de) per Mail an alle möglichen Kulturjournalisten verschickt und zur beliebigen Veröffentlichung freigegeben hat. Nun hat sich auch Müller selbst zu Hörischs harschem Brief geäußert.
Was zunächst wie ein berechtigtes Aufbegehren gegen die nicht immer gewissenhafte, manchmal selbstherrliche und egozentrische Kritikerkaste aussah und als Appell zu mehr Sachlichkeit und weniger persönlichen Angriffen auch meine Zustimmung fand, zeigt nun mehr und mehr befremdliche Züge.
Natürlich gibt es unter Kritikern schwarze Schafe, und nicht selten läuft die Herde den publizistischen Leithammeln nach, so dass anders lautende Bewertungen kaum mehr durchdringen. Das ist für den Autor bedauerlich.
Ein paar kritische Fragen an denselben drängen sich im konkreten Fall, der sich zur Affäre ausgewachsen hat, aber doch auf: Mindestens die, ob es klug war, in so scharfer Weise auf eine Buchkritik zu antworten, und das dann sowohl via Mailverteiler als auch durch die Aufzählung vermeintlicher Fehler des Rezensenten, die als Bumerang zurückkommen mussten - handelt es sich bei Müller doch durchaus um einen sachkundigen Sprachwissenschaftler!
Auch hat der für seine Polemik gefürchtete, aber meist geschätzte Hörisch den Ton schon besser getroffen. Ein astreines Eigentor hat er mit der Bezugnahme auf eine vier Jahre zurückliegende SZ-Kritik geschossen, die ebenfalls seinen Unmut hervorrief. Souveränität sieht anders aus.
Fazit: In der webbasierten Wissensgesellschaft ist Gegenwehr möglich, aber auch gefährlich. Das Internet vergisst nichts. Schlechte Kritiken genauso wenig wie missratene Reaktionen. Hörisch weiß, dass gerade die Wissenschaft von öffentlichen Diskussionen lebt. Daraus kann man in diesem und anderen Fällen nur den Schluss ziehen: Wer sich ihr in Buchform aussetzen will, sollte seine Gedanken mehr als bisher in Freundes- und Kollegenkreisen durchsprechen, bevor er sie drucken lässt. Darüber hinaus hilft nur Gelassenheit.
Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Autoren kämpfen gern gegen Verrisse ihrer Bücher. Wer mit den Autoren selbst spricht, der versteht warum: sie sind den Journalisten ausgeliefert und müssen auch persönliche Beleidigungen über sich ergehen lassen. Juli Zeh sagte einmal, dass sie sich über begründete Verrisse manchmal sogar freue. Wenn sich ein Fachjournalist ernsthaft auf ihr Buch einlasse und darlegt, was er misslungen findet, dann bereichert das Autoren und Leser. Der Kampf der Zeitungen gegeneinander und Antipathien gegen Autoren, die im Kulturbetrieb nicht mitspielen wollen, führen aber zu etwas anderem: persönliche Diffamierung, Beleidigung und vor allem sachliche Fehler erzeugen niederträchtige Buchkritiken. (Buchverlage kennen inzwischen sogar Anrufe der Anzeigenredaktionen, in denen angedeutet wird, dass positive Kritiken auch mit dem Schalten von Anzeige im Zusammenhang steht.) Gegen diffamierende Kritik wehrt sich nun entschieden der Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch. Dankenswerter Weise bietet der Perlentaucher ein Forum für die neue Textgattung, in der Autoren die Kritiker kritisieren dürfen. Es könnte sogar sein, dass der Perlentaucher eine neue Art Pressedienst wird: einer, der die Macht der Großen durch seine unabhängigen Kommentare bedroht. Damit zeigt sich, dass das Internet ein Segen sein kann -- für Leser und Autoren. Journalisten hingegen zwingt es zur Sachlichkeit, weil eine Gegenrede möglich ist: www.perlentaucher.de/artikel/4562.html
Video: Verkehrsstaus als Naturphänomen
Für manchen Verkehrsstau scheint es keine ersichtliche Ursache zu geben. Kein Unfall, keine Baustelle, keine Straßenglätte – und trotzdem steht der Autoverkehr. Im Englischen wird dieses Phänomen auch „Phantom Jam“ genannt.
Japanische Wissenschaftler haben in einem Experiment anschaulich gezeigt, dass Verkehrsstaus eventuell automatisch ab einer gewissen Verkehrsdichte entstehen können. Ist die Dichte von Autos auf der Straße zu groß und sind die Abstände zwischen den Fahrzeugen zu gering, führen im Experiment schon geringe Verzögerungen einzelner Verkehrsteilnehmer zu massiven Stauungen im Verkehrsfluss. Ein Video zeigt das Phänomen eindrucksvoll:
> Zur Studie
Mit moderner Technik gegen Bewegungsmangel
Viele Schüler bewegen sich zu wenig – und merken es nicht einmal. Abhilfe schaffen kann da Mark Plischke von der TU Braunschweig mit seiner Doktorarbeit. Das dahinter stehende Konzept heißt cybermarathon. Kleine, am Körper befestigten Sensoren registrieren dabei die körperliche Aktivität der Jugendlichen. Das Besondere: auch die Betroffenen selbst können die gesammelten Daten einsehen. Plischke hofft, dass seine Probanden dadurch ein besseres Gefühl für das eigene Bewegungsverhalten entwickeln – und so zu mehr körperlicher Aktivität animiert werden. Für seine Arbeit erhielt er den „Preis für bürgernahe Anwendungen von Informations- und Kommunikationstechnologien“ der Integrata-Stiftung.
Ist Schönheit messbar?
Das 12. Berliner Kolloquium der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung befasst sich am 7. Mai in den Räumen der Konrad Adenauer-Stiftung (Tiergartenstraße 35) mit der Frage, ob sich Schönheit wissenschaftlich messen und bestimmen lässt. Mit von der Partie sind zahlreiche akademische Disziplinen. Manfred Spitzer bestreitet den Abendvortrag zum Thema aus der Sicht der Hirnforschung.
Studierende zahlen 25 Euro Tagungsgebühr.
Wer sich vorab informieren möchte, sollte dazu den sciencegarden-Artikel über Blondinen lesen.
Kosmopoliten ohne Heimat?
Ist das größte Problem der auswärtigen Kulturpolitik Deutschlands ihr chronischer Geldmangel? Oder ist es vielmehr ihr ubiquitärer Kulturbegriff, der ihre vornehmste Aufgabe, die Vermittlung deutschen Kulturgutes und der deutschen Sprache im Ausland, an den Rand zu drängen scheint?
Wer Kosmopolit sein möchte, sollte sich seiner eigenen Kultur gewiss sein, nur so kann er Vertrauen und Verständnis des Anderen gewinnen. Das scheint oft ebenso in Vergessenheit zu geraten, wie man sich leichtfertig einredet, dass das "Europäische Haus" bereits erdbebensicher sei.
Gegenseitige Ressentiments und Feindschaften zwischen den europäischen Völkern sind hingegen weiterhin virulent: Davon legt nicht nur das Trauerspiel der jüngeren polnisch-deutschen Zerwürfnisse Zeugnis ab. Und gerade wegen dieses gegenseitigen (kulturellen) Unverständnises erscheint es als Gefahr, voreilig eine gemeinsame "Europäische Auswärtige Kulturpolitik" zu fordern, auch wenn tiefgehendere Kooperationen gewiss sinnvoll wären.
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Kulturpolitik an der Stiftung Universität Hildesheim findet vom 10. bis 11. April 2008 eine Konferenz zur "Europäischen Integration als Herausforderung Auswärtiger Kulturpolitik" statt, in deren Rahmen hoffentlich auch solche grundsätzlichen Fragen zur Debatte gestellt werden.
Die Teilnahmegebühr beträgt 25 Euro, 15 Euro für Studierende.
Neue Forschungen rund um die Stadt
Die "Difu-Berichte", der aktuelle Newsletter des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), sind erschienen. Neben Forschungsergebnissen und Neuerscheinungen des Instituts informiert die Zeitschrift über neue Forschungsprojekte, Fortbildungsangebote und Veranstaltungen rund um das Thema "Stadt". Im aktuellen Heft werden unter anderem Themen zur Gestaltung einer neuen Verkehrspolitik, zum kommunalen Denkmalschutz und zur sozialen Stadtplanung behandelt.
Interessierte finden hier vielleicht Inspiration für einen Beitrag für den laufenden sciencegarden-Schreibwettbewerb: „Die Stadt in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft“
Hochschulen jetzt Bock und Gärtner?
Vor einem knappen Monat hat der Akkreditierungsrat das Verfahren für die Systemakkreditierung von Hochschulen beschlossen. Hochschulen, deren Qualitätsmanagement den Regeln entspricht, sparen sich damit die zeit- und personalintensive Akkreditierung und Re-Akkreditierung, wie sie für Bachelor- und Masterstudiengänge in regelmäßigen Abständen vorgesehen ist.
Dass die Hochschulen die Überprüfung ihrer Studiengänge eigenverantwortlich durchführen, ist dabei zentraler Bestandteil des Konzepts. Auch eventuelle Kurskorrekturen sollen von den unmittelbar Betroffenen eingeleitet und umgesetzt werden. Bewerten Studierende Lehrveranstaltungen oder Betreuungsangebote auffällig negativ, ist es an Hochschulgremien, Professoren oder auch Verwaltungsmitarbeitern, geeignete Maßnahmen zu ersinnen und umzusetzen.
So viel Gestaltungsspielraum für "Experten in eigener Sache" ist zwar keine neue, aber eine durchaus zukunftsträchtige Idee. Für ihren Erfolg bedarf sie allerdings eines gewissen Einvernehmens der beteiligten Akteursgruppen sowie der Fähigkeit und des aufrichtigen Willens, Bestehendes zu verändern. Ist also die Systemakkreditierung nichts als ein lahmer Bock, der einen verwilderten Garten in Form bringen soll? Dieses skurrile Szenarion ist angesichts der mageren Reform- und Modernisierungsbilanz deutscher Hochschulen zumindest nicht auszuschließen.
Die Zukunft der drahtlosen Datenübetragung
Bei der Nutzung so genannter Terahertz-Wellen gelang einem Forscherteam aus Braunschweig jüngst ein bedeutender Schritt in Richtung Zukunft der drahtlosen Kommunikation. Mit den Wellen, deren Frequenzbereich laut Pressemeldung der TU Braunschweig zwischen dem von Mikrowellen und Infrarot liegt, übertrugen sie ein Videosignal über 22 Meter. Das Verfahren soll künftig die Übertragung großer Datenmengen ermöglichen, kommt jedoch aufgrund des geringen Energiegehalts der hochfrequenten Strahlung nur schwer über einzelne Räume hinaus. Dazu passend der Versuchsraum: ein Flur der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).