Schrecksenmeisterlich belesen!
Nur eine Buchseite von Walter Moers reicht aus, um zu belegen, dass es sich um einen großartigen Autor handelt. Seine Bücher sind unterhaltsam, lustig, wunderbar illustriert. Aber das sind auch andere. Nur: Wo finden sich auf einer ersten Seite eines Fantasie-Unterhaltungsromans so viele intertextuelle Verweise, dass auch festen Anhängern der E-Literatur die Knie weich werden? Nehmen wir als Beispiel Moers "Schrecksenmeister". Abgesehen vom Motto, welches die Hexen von Macbeth oder auch Goethes Hexen aus Faust in Erinnerung ruft; Hauptfigur und Kapitel heißen "Echo". Eine "Kratze", eine zamonische Variante von Fritz the Cat? Echo, eine Figur aus der antiken Sage, die dazu verdammt ist, die letzten Sätze des Satzes des Geliebten zu wiederholen. Bei Moers wird Echo schon auf Seite eins zum Waisen -- alle Waisen der Weltliteratur lassen also grüßen. Der erste Satz lautet: "Stellt Euch den krankesten Ort in ganz Zamonien vor!", der erste Satz aus Rilkes Malte Laurids Brigge lautet: "So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier." Und so geht es, bei Moers und Rilke, weiter: Krankheiten werden geschildert, bei Rilke: "Ich habe gesehen: Hospitäler, Ich habe einen Menschen gesehen, welcher schwankte und umsank." Bei Moers und Rilke werden dann die morbiden Gerüche geschildert, Jod und Tod bei beiden. Dieser Ort heißt bei Moers "Sledwaya", und da fällt einem zumindest zweierlei ein: zum einen "Seldwyla", wo Gottfried Keller seine Geschichten spielen lies. Mit Keller denkt man an dessen Hauptwerk, dem Grünen Heinrich -- einer Untergangsautobiographie eines Künstlers! Zum anderen denkt man aber auch an "Suleyken", in dem Siegfried Lenz seine lustigen masurischen Geschichten ansiedelt. Wahrscheinlich fände ein wahrhaft belesener Mensch (Peter von Matt?) noch dreihundert Anspielungen mehr. Auf der ersten Seite. Eines Fantasieromans!

Kommentare
Das...
geht durch das komplette Buch so weiter. Man kann Tage damit zubringen, die ganzen literarischen Querverweise aufzudröseln.
na ja
Dennoch fällt es nach der ersten Seite ab, zu viele Pointen, zu viele witzige Ideen hintereinander. Und eine Funktion der Zitate erkenne ich nicht immer.
Und Echo ist das akustische
Und Echo ist das akustische Gegenstück zu Spiegel, dem Kätzchen aus Gottfried Kellers (oder sollte ich als Anagramm sagen: Gofid Letterkerl) Werk "Spiegel, das Kätzchen" aus dem Buch "Die Leute von Seldwyla".