Das Scheitern von Bologna

Mittlerweile ist auch Staatsminister a.D. Julian Nida-Rümelin zu der Einsicht gelangt, dass der sogenannte Bologna-Prozess in jeglicher Hinsicht ein Fehlschlag ist.
In seinen "Thesen zur Hochschulpolitik in Deutschland" stellt der Münchner Philosophieprofessor fest, dass  kein einziges der mit den Beschlüssen von Bologna verfolgten Ziele ereicht wurde. Im Gegenteil hätten u.a. die neue Modularisierung und Verschulung der Studiengänge, die Abschaffung renommierter Studienabschlüsse oder die europaweit ganz unterschiedliche Vergabe von "ECTS-Punkten" zu gesunkener Mobilität, zu weniger internationaler Vernetzung, zu geringerer Konkurrenzfähigkeit, zu gestiegenen Studienabbrecherquoten geführt. So sehr diese Feststellung zu begrüßen ist, fragt sich doch, wie lange unsere Universitäten noch Schaden nehmen müssen, bis endlich der hochschulpolitische Mut zur klaren Umkehr gefunden wird.    

Kommentare

Aussitzen

Das erstaunliche ist doch, dass jetzt, wo die Misere für alle ersichtlich ist, der Protest dagegen völlig marginal ausfällt, wenn überhaupt. So als habe man sich in sein Schicksal ergeben - weil man gegen die EU ja eh nichts rückgängig machen kann, ohne gleich als böser Bube dazustehen; weil man einfach müde ist... Die Folgen werden künftige Generationen ausbaden, begleitet von wehmütigen Erinnerungen der letzten Diplomierten und Magistrierten, zu denen (noch) zu gehören man sich glücklich schätzen darf. Aber das Problem ist ja nicht eines von zu viel Nostalgie. Was die Kahlrasur der Universität und der Umbau unserer Hochschulen in Servicenter für den gehobenen Arbeitsmarktbedarf bedeutet, wird uns vermutlich erst dann wirklich klar werden, wenn es zu spät ist. Dann schmecken auch die alten Erinnerungen nur noch schal.

Wem nützt es?

Die Frage, die ich mir stelle, seit ich den Bologna-Prozess aufmerksam verfolge, ist: Wem nützt er eigentlich? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die nun offenbar werdenden Nebenwirkungen vorher niemandem aufgefallen sind. Einem Philosophieprofessor wie Herrn Nida-Rümelin traue ich durchaus zu, den Verlust einer gewachsenen Lern- und Lehrkultur durch die Modularisierung voraus zu sehen. Und jeder mit einem einigermaßen entwickelten Gefühl für Zahlen konnte erkennen, dass für die zunehmenden verpflichtenden Anwesenheitszeiten auch das entsprechende Lehrpersonal zu bezahlen sein würde. Die Studierenden schließlich hätten aufstehen müssen, als klar wurde, dass man künftig eben nicht mehr mit seinen Seminaren jonglieren können würde, um wohl oder übel mit eigener Arbeit einen Teil des dringend benötigten Studi-Budgets zu erarbeiten. Diese Entwicklung zusammen mit der Einführung von Studiengebühren macht das Gerede vom Mangel an Hochqualifizierten zu blankem Hohn. Allerdings scheint es ja ganz angenehm zu sein, von nun an Wissen in gehirngerechten Portiönchen eingeflößt zu kriegen; und sich der Uni zunächst einmal nur für drei statt geschlagene viereinhalb Jahre anzuvertrauen. Denn neben den Arbeitgebern, denen "jung und willig" möglicherweise wichtiger ist als "gut ausgebildet", und der Politik, die vor allem sparen möchte, sind auch die derzeitigen Studis auf fast schon unheimliche Weise still. Sind sie wirklich so ausgebucht mit Pflichtseminaren, oder ist es nicht eher so, dass die Abschaffung des Selbstdenkens der Mehrheit eigentlich entgegen kommt?
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