Wissenschaftskarriere

Wer eine Karriere in der Wissenschaft anstrebt, darf kein Problem mit Langstrecken haben. Vom Studienabschluss bis zur Berufung vergehen gut und gerne 10 bis 15 Jahre, manchmal mehr. Dazwischen liegen hübsch standardisierte sechs mal sechs Qualifikationsjahre inklusive Publikationszwang, Konferenzen, Ausschusssitzungen, Lehrverpflichtungen und Verwaltungskram - bekanntlich keine Herrenjahre.

Wer daran keinen gesteigerten Gefallen findet, weil er oder sie Wissenschaft allen Zeitgeistern zum Trotz immer noch für eine Frage der Muße, der Kreativität und der Bildung hält, was nur ein anderes Wort für Umweg ist, darf sich bei den Alten Rat und Trost holen:

"Ich habe die Erfahrung gemacht [...], daß die Wirkung meiner eigenen Sachen [...] in Wahrheit gar nicht mit individueller Begabung, Intelligenz und ähnlichen Kategorien etwas Entscheidendes zu tun hat, sondern vielmehr damit, daß ich durch eine Reihe von Glücksfällen, deren ich mich keineswegs rühmen möchte und an denen ich ganz unschuldig bin, in meiner eigenen Bildung nicht in derselben Weise den Kontrollmechanismen der Wissenschaft ausgesetzt gewesen bin, wie das sonst der Fall ist. Daß ich es also nach wie vor riskiere, ungedeckte Gedanken zu denken, die sonst von diesem übermächtigen Kontrollmechanismus, der da Universität heißt, den meisten Menschen schon sehr früh, vor allem in der Zeit, in der sie - wie man das so nennt - Assistenten sind, abgewöhnt werden. Es zeigt sich nun dabei, daß die Wissenschaft selber durch diese Kontrollmechanismen in den verschiedensten Bereichen so kastriert und so steril wird, daß sie dann gleichsam dessen bedarf, was sie selber verpönt, um überhaupt sich halten zu können."

Fraglich nur, wie lange die durchmodularisierte Bologna-Universität die Verpönten, von denen Theodor W. Adorno einst sprach, noch zur Promotion zulässt...

Kommentare

36 Qualifikationsjahre ???

...erscheinen mir als Zeit zwischen Studienabschluss und Berufung selbst angesichts einer ergrauten Professorenschaft zu viel. Danke für diesen schönen Verschreiber!!!

publish or perish

Ein schönes Zitat! Zur sterilen Attitüde und zum "publish or perish" hat auch der "Aussteiger" Peter Bieri kürzlich über die analytische Philosophie bemerkt (was sich wahrscheinlich auf die gesamte Wissenschaftslandschaft ausweiten lässt): "Es gibt inzwischen auch viel Scholastik in der analytischen Literatur. Damit meine ich nicht nur die formalen, technischen Dinge, die sich verselbständigt haben und nur noch für ein paar wenige Eingeweihte von Bedeutung sind. Ich meine auch begriffliche Turnübungen, in denen man keine philosophische Motivation erkennen kann. Sie sind leicht auszumachen, denn sie sind einfach unendlich langweilig. Man sieht sofort: Der Aufsatz wurde vor allem geschrieben, weil jemand eine berufliche Identität brauchte und eine Stelle haben wollte. Das klingt gehässig, aber hinter vorgehaltener Hand würden die meisten zustimmen. Am Abend eines Tages, wo ich es nur mit solchen Texten zu tun hatte, würde ich auf die Frage nach der Zukunft der analytischen Philosophie bissig sagen: Sie hat keine." (P. (2007). Was bleibt von der analytischen Philosophie?, in: DZPhil (3), 333-344, 342f)

...es muss natürlich "2 mal

...es muss natürlich "2 mal 6" Jahre heißen. :-)
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