Das Ebenbild Gottes - dauerevaluiert

Bildung. Ja, was ist das eigentlich?, fragt Thomas Petersen heute in der FAZ und guckt dazu erst einmal in den Brockhaus von 1843 (soviel Platz für bildungsbürgerliche Traditionen muss wenigstens in dieser Zeitung noch sein).

Im Vormärz verstanden zumindest die Redakteure des Brockhauses unter Bildung noch die „durch den selbstbewussten und freitätigen Geist geleitete Entwicklung“, die dazu diene, dass „der Mensch seine Bestimmung erkenne und erstrebe, die keine andere ist, als in seinem ganzen Sein und Leben das Ebenbild Gottes darzustellen“.

Wie bitte?

In unseren Zeiten der Dauerdiskussionen um "Effizienz und internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schulsystems"ein wahrlich verstörender Bildungsbegriff, wie Petersen feststellt. Umso beruhigender, dass noch im Jahr 2008 immerhin mehr als drei Viertel der Deutschen die Schulbildung nicht in eine reine Berufsvorbereitungsphase umgewandelt sehen wollen: 77 Prozent stimmten in der von Petersen vorgestellten Allensbach-Umfrage der folgenden Aussage zu: "Meiner Meinung nach ist die Schule vor allem dafür verantwortlich, den Kindern eine möglichst gute Allgemeinbildung beizubringen. Die ist nicht nur für den Beruf wichtig, sondern für das ganze Leben. Kenntnisse und Fähigkeiten, die man für seinen Beruf braucht, lernt man sowieso bei der Arbeit am besten.“

Manchmal scheint des Volkes Stimme doch um einiges weiser als so manche ausgemachte Expertenrunde zu sein.

Der komplette Artikel findet sich hier.

Kommentare

Die, die es sich leisten

Die, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder auf Schulen, die dem Bildungsideal entsprechend lehren, welches nicht nur die Berufsvorbereitung präferiert.
Ansonsten ist man anscheinend zufrieden, Arbeitnehmer und Konsumenten heranzubilden.

Privat

Die meisten zur Zeit gegründeten Privatschulen werden von fundamentalistischen protestantischen Sekten in Betrieb genommen -- die gerade im Badischen in den Industriegebieten die Hallen füllen. Eltern zahlen dafür, dass ihre Töchter nicht mit der Evolutionstheorie belästigt werden.

Mir scheint in der ganze Diskussion eine Dimension übersehen zu werden: Bildungsprozesse sind in zu großen Institutionen fast zum Scheitern verurteilt, weil die Verwaltung und die Massenpsychologie zu viel Raum hat. Die Metaphorik, Bildung als Standort- und Konkurrenzfaktor, stört mich auch. "Bildung" ist unter geldökonomischen Aspekten eher schädlich, nur Qualifikation zählt. Qualifikationsprozesse kann man auch gut industrialisieren, Bildung hingegen braucht Zeit und Mut zur Beschäftigung mit ganz unpraktischen Wissensgebieten.

Beruhigend

Ich finde es äußerst beruhigend, dass bei Allensbach noch 77 Prozent der Befragten mit "Bildung" etwas anderes verknüpfen als die reine Qualifikation für den Arbeitsmarkt. Wobei sich für mich sofort die Frage anschließt: Welcher Arbeitsmarkt überhaupt? Wer heute "berufsorientiert" lernt, wird schon morgen merken, dass seine Kenntnisse veraltet sind. Schlimmstenfalls wird er/sie dann arbeitslos - und bestenfalls(?) Bildungspolitiker, Arbeitsmarktexperte oder Personalchef, drei Sektoren, in denen man mit gestrigen Dogmen viel Geld verdienen kann!

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