Familienweihnachten als Pflichtveranstaltung

 

"Wie kommen Kriegskinder und Friedenskinder miteinander aus? Wie funktionieren die Beziehungen zwischen Generationen, die auf verschiedenen Planeten aufgewachsen sind? Wenn Eltern über die verheerenden Erlebnisse ihrer Kindheit in einer Weise redeten, als hätte ihnen das alles nichts ausgemacht ("Das war für uns normal"), wenn sie ihre frühe Erschütterung und Prägung nicht wahrnahmen, konnte das folgenlos für die nächste Generation bleiben? (...) Wie geht es eigentlich den deutschen Kriegskindern heute? Meine Recherchen bezogen sich nicht nur auf die entsprechenden Jahrgänge 1930-1945, sondern ich wurde genauso hellhörig, wenn mir damals eine Generation tiefer 30 bis 40-jährige von schlechten Beziehungen zu Mutter und Vater erzählten. Dabei tauchte wortgleich immer wieder auf: "Meine Eltern wissen gar nicht, wer ich bin." Es stellte sich heraus, dass die Kinder eine weit bessere Ausbildung als ihre Eltern erhalten hatten und sozial aufgestiegen waren. Doch ein einleuchtender Grund für schlechte Beziehungen ist das nicht. Wenn Ältere und Jüngere nichts mehr miteinander anfangen können, wenn das Familienweihnachten für die erwachsenen Kinder eine reine Pflichtveranstaltung ist, wo nur über Banales geredet wird, wenn keiner mehr dem anderen zuhören mag, dann kann das nicht allein an einer kulturellen Entfremdung liegen ..."

Sabine Bode: Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation. Klett-Cotta, Stuttgart: 2009, S.17

 

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