Lassen Sie es sich schmecken!

Es gibt Filme, die suggerieren, jeder müsse Veganer werden. Der Dokumentarfilm Earthlings gehört nicht dazu. Er stellt die Fragen nach Minimalstandards, es geht um Respekt. Wie geht der Mensch mit Tieren um? Gerade der Westen macht viel Aufhebens um ethische Fragen, aber sogar das Christentum mit seinen hohen moralischen Zumutungen hat die Tiere vom Tötungsverbot ausgeklammert, auch wenn sich dazu Begründungen in der Bibel nicht finden. Es heißt sehr einfach: "Du sollst nicht töten." Albert Schweizer hat darauf hingewiesen: "Geschöpfe" Gottes sind mit gewissem Respekt zu behandeln, sie sind keine bloße Ware. 

Es geht in Earthlings nicht um Sonderfälle oder Extreme, sonder um den Alltag in jedem vorstädtischen Industriegebiet. Dort finden sich, außerhalb unserer Sichtweite, die Fabriken, die Fastfoodketten, Discounter und Supermärkte mit Fleisch versorgen. Es ist scheinbar ganz einfach, man tut, was alle tun: Ins Regal greifen und an der Kasse zahlen, ein unschuldiger Akt. Allerdings nur, solange die Produktionsrealität der Fleischindustrie verdrängt werden kann. Wer sich den Dokumentarfilm zutraut, der bekommt etwas zu Gesicht, was lebenslang im Gedächtnis haften bleiben wird. Man hat es sich grauenvoll vorgestellt, aber Earthlings zeigt Bilder, die jenseits der Vorstellungskraft liegen. Er zeigt es im ästhetisierten Stil, mit der Musik von Moby unterlegt. Anschließend liegt man wach um Bett und droht den Glauben an die Menschheit zu verlieren! Was tun?

Woher nimmt sich unsere Gattung das Recht, so mit fühlenden Wesen umzugehen? Den eigenen Hund traut sich kaum noch einer zu schlagen, weil das Gewissen sich dann meldet. Nur: Warum lieben wir Haustiere und die sentimentalen Tiersendungen, aber lassen zu, was Earthlings zeigt? Warum finanzieren und legalisieren wir Fabriken, in denen 24 Stunden am Tag geschieht, was in Worte nicht mehr zu fassen ist? Der Film Earthlings ist also notwendig. Keiner kann behaupten, er hätte nicht gewusst, was geschieht. Der Trailer steht frei im Netz, jeder hat dazu Zugang -- und es ist zu hoffen, das viele den Mut aufbringen, sich anzuschauen, welche Folgen leichtfertig ausgegebenes Geld haben kann. Der Film ist schon deshalb etwas besonderes, weil man davon ausgehen kann, das allein der Trailer die Welt verändern wird:

http://www.earthlings.com/  

 

Kommentare

"Es gibt Filme, die

"Es gibt Filme, die suggerieren, jeder müsse Veganer werden. Der Dokumentarfilm Earthlings gehört nicht dazu."

Was suggeriert er denn sonst? Um die Zustände, die dort gezeigt werden, zu beenden, gibt es keine andere Möglichkeit als vegan zu werden. Daher bin ich durchaus der Meinung, dass der Film genau das suggeriert (bzw. faktisch belegt).

"Es gibt Filme, die ...

Der Film zeigt die wirkliche Realität. Alle Lebewesen sind grausam! Der Mensch im Umgang mit Tieren (Haltung/Verzehr/Forschung), untereinander (Alltag/Krieg/Verbrechen).
Tiere bei der Nahrungssuche (sie ertränken, erwürgen, vergiften, reißen, zerhacken ihre Beute). Sämtliche Kreaturen auf unserem "Blauen Planeten" sind dazu verdammt zu überleben und handeln nach ihren Bedürfnissen. Der Film weckt auf, denn es geht auch rücksichtsvoller, mit mehr Respekt gegenüber der hilflosen Kreatur und Verzicht auf Gewohntes.

Wichtiger Beitrag!

Ich finde es sehr gut, dass jetzt endlich diese Diskussion auch mal in einer Bildungsstätte angekommen ist.
Seht doch auch noch THE COVE bitte.
Oder einfach mal im PeTA Video-Kanal einige weitere Themenvideos ansehen.
HINsehen, nicht WEGsehen.
Es wird auch das QS, das 'deutsche Qualitätssiegel' behandelt.
Nennen wir es Qual-Siegel, denn das trifft es eher.
99 % ALLER Tiere die weltweit auf unseren Tellern landen hatten kein Leben.

Unser Magen ist grösser als unser Herz.
Das sollte sich schnellstens ändern.

"Alle Lebewesen sind

"Alle Lebewesen sind grausam"

In der Tat. Nur mit dem Unterschied, dass andere Tiere keine Wahl haben. Menschen haben eine Wahl und wenn sie sich dennoch gegen fundamentale Ethik entscheiden (Tiere ausbeuten und töten, obwohl dies völlig unnütz ist), ist das zu kritisieren und nicht das gleiche, wie wenn Löwe eine Antilope jagt (denn er hat keine Wahl).

"Keiner kann behaupten, er hätte es nicht gewusst."

Ich weiß nicht, ob der Film etwas Bestimmtes nahelegen will, da gebe ich dem Autor völlig Recht. (Aber wenn, dann natürlich den Schluss zum Veganismus. Aber den muss man selbst ziehen, und das ist das Gute an diesem Film, der schonungslos und nüchtern die nackte Realität zeigt und das Denken seinen Zuschauern überlässt. Er lässt sie allerdings auch allein mit der Gewissheit, keine allzu großen gedanklichen Spielräume mehr zu haben. Wer DAS schönreden will, der hat vermutlich ein Psychiatrisches Problem.)

Der Satz "Keiner kann behaupten, er hätte es nicht gewusst" weckt hingegen eindeutige Assoziationen - und auch das ist gut so. Wer vor 70 Jahren wissentlich weggesehen hat, der war mitschuldig, in welcher Form auch immer. Wer heute wegsieht und weiterkonsumiert, der ist es ebenso.

Wie schrieb der Sozialphilosoph Günther Anders schon vor 30 Jahren: "Vierzehn Tage bin ich auf Ferien gewesen. Habe keine einzige Fliege, Mücke, Biene und keinen Schmetterling gesehen. Und dabei haben früher die Schwärme von Insekten die Majorität der lebenden Wesen ausgemacht. Wir sind uns gar nicht bewußt, daß das Auschwitz der "lebensunwerten" Insektenwelt bereits hinter uns liegt. War es das Ideal Hitlers gewesen, daß nur Arier übrigbleiben, so ist es das Ideal der heutigen Technokraten, nur Menschen übrig zu lassen."

Sehr lesenwert in diesem Zusammenhang: Charles Patterson: "Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka". Über die Ursprünge des industrialisierten Tötens. Frankfurt.

Respekt vor dem Zuschauer

Ich weiß nach wie vor nicht genau, ob ich Respekt oder
Angst vor denjenigen haben soll, die es schaffen, diesen
Film bis zum Schluss zu schauen. Mir gelang es nicht.
Denn der Respekt, den der Film für alle Arten von Leben
auf Erden fordert, geht ihm da ab, wo der des Zuschauers
beginnt . . .

Earthlings ist es wert gemacht worden zu sein und gezeigt
zu werden, weil er Diskussionen anstößt. Wenn das sein
erklärtes Ziel ist, so darf man ihn beglückwünschen,
denn das vollbringt er auf einmalige Weise.

Mit herkömmlicher Filmbetrachtung und Filmanalyse
wird man an diesem Streifen allerdings kein Vergnügen
finden. Denn der Film selbst tut uns die Qualen an, die
er selbst anprangert. Ohne Spannungsbogen konfrontiert
er uns mit einem undifferenzierten Dauerfeuerwerk von
Slasher-Gewalt. Was wir sehen gelingt uns nicht argumentativ
nachzuvollziehen. Das macht es so erschreckend. Selbst
dem perfidesten Horror-Psychopathen können wir noch
mit einiger psychologischer Windungen die Verpflichtung
irgend einer Kausalität gegenüber unterstellen (am Ende
war es die schlimme Kindheit).

Diese Chance zur Rationalisierung lässt uns Earthlings nicht.
Damit verspielt er seine Chance ein guter Film zu werden,
der mehr als nur anstöße. So bleibt er ein wildes Geschnipsel,
das keines der möglichen Mittel nutzt, um mehr zu sein, als
seine Bilder. Schade.

Rationalisierung?

Einem Film vorzuwerfen, er verbaue uns den Weg zu einer "Rationalisierung", ist ziemlich seltsam, oder?!
In Wikipedia lässt sich unter dem Eintrag "Rationalisierung" folgendes Lesen:
"Der Begriff bezeichnet in der Psychologie kognitive Vorgänge, bei denen gemachten Erfahrungen, Erlebnissen oder Beobachtungen nachträglich (ex post) rationale Erklärungen zugeschrieben werden. Diese müssen keinesfalls wirklich ursächlich für das Erlebnis sein, sondern sind oft konstruiert und persönlich eingefärbt. Die vermeintliche Logik reduziert kognitive Dissonanzen und vermittelt der Person einen Sinn. Dies kann soweit gehen, dass Erinnerungen konstruiert werden, um den Sinn aufrechtzuerhalten." In der Psychoanalyse gilt R. bekanntlich als Abwehrmechanismus.
Man kann das, was man sieht, mit gutem Grund abwehren, weil man die unfassbare Brutalität nichnt erträgt. Dem Film einen Vorwurf machen, kann man deswegen aber nicht. Manchmal gilt es - und zwar im Gegensatz zu einem schnöden Horror-Schocker! - Bilder reiner, perverser und beschämender Gewalt einfach auszuhalten.
Ja, so sind "wir", wir Fleisch essenden, Lederklamotten tragenden und Raubbau betreibenden "Vernunftwesen"...

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