Bad News

Der 6. August ist weltgeschichtlich betrachtet kein unschuldiges Datum. Vor 65 Jahren explodierte an eben diesem Tag die Atombombe über Hiroshima. Vor drei Tagen starb in New York der berühmte Historiker Tony Judt an den Folgen einer 2008 diagnostizierten Amyotrophen Lateralsklerose (an der auch sein Landsmann, der ebenfalls weltbekannte Physiker Stephen Hawking leidet).

Judt engagierte sich in jungen Jahren in der zionistischen Bewegung für den damals ebenso jungen Staat Israel, wurde später einer der schärfsten (und scharf attackierten) Kritiker der israelischen Palästinenserpolitik und setzte mit seinem opus magnum "Postwar", zu Deutsch: "Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart", bleibende Maßstäbe. Niemand vor ihm hat die lange Epoche des Kalten Krieges, die mit dem Abwurf der Atombombe beginnt und - laut Judt - 1989 endet, so klug und kenntnisreich, so souverän und inspirierend erzählt, wie der Gründer und Leiter des renommierten Remarque Institute zum Studium der amerikanisch-europäischen Beziehungen .

Tony Judt verkörperte - profiliert und streitlustig - den typisch "alteuropäischen" Intellektuellen, gepaart mit angloamerikanischer Klarheit. Er schätzte Europa wegen seiner sozialpolitischen Errungenschaften und er liebte seine zweite Heimat Frankreich, über dessen Geistesgrößen er geschliffene Essays verfasste (z.T. erschienen in: "Reappraisals. Reflections on the Forgotten Twentieth Century").

Tony Judt, dessen intellektuelles Leben mit der Liebe zu den Wörtern am elterlichen Familientisch begann, hat sich bis zuletztschreibend und dozierend gegen seine Krankheit gestemmt - wie Sisyphos, von dem Judts großes Vorbild Albert Camus einst schrieb, man müsse ihn sich als einen glücklichen Menschen vorstellen. Eine berührende Vorstellung vom Denker - und vom Menschen - Tony Judt bewahrt dieser sehenswerte Kurzfilm .

Der 6. August war wieder kein besonders guter Tag.

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