Kaizen des Alltags

Bushaltestelle in Japan

Die Liebe der Japaner zum Detail und den Hang, Gegenstände und Technologien bis zur (Über-)Perfektion zu verbessern, ist in der westlichen Welt ebenso legendär wie gefürchtet. Von ihr kündet eine Bandbreite von Phänomenen, angefangen vom liebevoll gestalteten Blumengesteck über den Zen-Garten bis hin zum Design elektronischer Geräte. Jedoch hört die eifrige Suche nach der perfekten Lösung zur freudigen Überraschung des unbedarften Besuchers nicht an der Grenze des Exportierbaren und Bewundernswerten auf.

Zum Beispiel die Sache mit der Dusche: Wer hat sich nicht schon darüber geärgert, in einem Hotel (oder gar zuhause) Wassertemperatur und Wasserdruck nur abhängig von einander reguieren zu können. Wenn ich mich recht erinnere, ist dies in Europa vielerorts eine Aufgabe von der Komplexität einer Gleichung 4. Grades - und mitnichten immer lösbar. In Japan dagegen, selbst in einem ansonsten nicht sehr exklusiven Studentenwohnhein, macht man es sich unter der Dusche problemlos bequem: Einfach am Durchlauferhitzer die Temperatur des heißen Wassers eingestellt und dann mit einem dafür vorgesehenen Hebel an der Armatur das Wasser mit dem gewünschten Druck aus dem Duschkopf sprudeln lassen. Funktioniert auch nach Beimischung kälteren Wassers. Vor der lästigen Alternative, entweder unfreiwillig zu heiß zu duschen oder alle mitgebrachten Habseligkeiten mit einem schwer zu zähmenden Wasserstrahl alles im Umkreis zu durchnässen, steht hier niemand.

Oder nehmen Sie die Bushaltestelle auf dem obigen Foto. Angenommen, der Bus nähert sich auf der Straße rechts im Bild, was fällt ihnen auf? Richtig, das Wartehäuschen steht richtig herum. Nicht so, dass es die Wartenden vor dem unwahrscheinlichen Fall eines angreifenden Gartenschlauchs aus dem Vorgarten des Hauses hinter ihrem Rücken schützt.  Sondern so, dass Spritzwasser, Schlamm oder aufgewirbelter Dreck von der Straße möglichst abgehalten und so ein tatsächlich geschütztes Warten ermöglicht werden.

Beide Beispiele beinhalten wenig High-Tech und sicher keine nobelpreiswürdige Denkleistung. Aber wenn "wir" so etwas auch könnten, warum tun wir es dann nicht?

Neueste Kommentare

backprinttop