Dezember 2007

sciencegarden blog

8. November 2007 | Frank Berzbach | 12:57

Kant? Nie gehört …

Der Philosoph Immanuel Kant hat seine Pflichtethik so präzise ausgearbeitet, dass einem angst und bange wird. Nach der Lektüre der “Kritik der praktischen Vernunft” ist man überzeugt: Auch nachts, wenn weder Autos noch Polizisten drohen, muss man brav warten, bis die Ampel auf Grün springt. Vernunft zeigt sich eben durch pflichtgemäßes Handeln. Nun: Bis Köln ist der Königsberger nie gekommen. Die Stadt zeigt einen von jeder Pflichtethik unberührten Alltag. Im Stehcafé, in dem ich jeden mittag meinen Kaffee trinke, gibt es jetzt ein Angebot. Vor 12 Uhr sind Croissant&Kaffee preiswerter. Dafür gibt es keinen Stempel in die Bonuskarte. Um 12:01 Uhr müsste es mit dem Angebot also vorbei sein, folgt man Kant. Ich allerdings habe allein deshalb noch keinen einzigen Stempel in meiner Bonuskarte, weil das Angebot — in der typischen kölner Interpretation — auch um 13:20 irgendwie noch gilt. Ich zahle also weniger und bedanke mich preußisch korrekt. (Ich gebe dann den Rest natürlich als Trinkgeld.) In Köln geht alles, Hauptsache man erwähnt niemals “Prinzipien”, auch ein Begriff von Kant. Prinzipienerwähner werden nämlich scharf mit “Sie” angesprochen (sonst in Köln völlig unüblich) — und dann gibt es auch um 11 Uhr nicht mehr den Angebotspreis. Dann gibt es vielleicht gar keinen Kaffee, sondern Hausverbot. Wer sich also anpassen kann an Köln, der lebt wie auf einer Insel: ohne Kant, ohne störende Pflichtethik im Kleinen, ohne die weit entfernte Idee, fünf sei eine ungerade Zahl. Deshalb ist Köln eine der beliebtesten Studentenstädte — die ganze Stadt gibt sich, als hänge man auf dem Sofa einer Fachschaft ab. Und es gibt schlimmeres …

Kategorien: Allgemein, Zeitgeist | Kommentare (2)
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