“Samstag ist Selbstmord” sangen Tocotronic einmal: und der Blick raus in diesen November lässt einen so eine Zeile gleich verstehen. Warum darf man eigentlich nie übers Wetter reden? Den ganzen Tag habe ich mir eingeredet, übers Wetter dürfe ich nicht schreiben, das sei “kein Thema”. Da gerät man in den Verdacht, nur Smalltalk abzusondern. Dabei prägt das Klima ungemein: Menschen haben Beschwerden, wenn es zu kalt, zu nass, zu heiß ist. Die Kleidung und geistige Getränke unterscheiden sich, sobald man die Klimazone wechselt. Über Wolkenformen, Terperaturfühligkeit, den Wechsel von Sonnenschein und dicken Wolken, Farbverläufe des Himmels, weite Ausblicke nach einem Regen und die Jahreszeiten sind Gedichte geschrieben, Musik komponiert, Bilder gemalt, Fotos gemacht worden. Nur REDEN darüber soll oberflächlich sein? Völlig falsch! Im November zum Beispiel ziehen sich die Farbwerte so sehr aus der Landschaft, dass Menschen schwermütig und antriebsschwach werden. Manche hören auf ihrem iPod allein aus Protest gegen das Wetter nur noch Shakira, in Kolumbien gibt es keinen Herbst. Jeden morgen und jeden Abend am Bahnsteig zu frieren (”die S9 hat ca. 15 bis 20 Minuten Verspätung, wir bitten um …”), das ist nicht oberflächlich, sondern es friert einen bis auf die Knochen. Das ist existenziell, darüber muss man doch sprechen! Frauen frieren ja immer, aber jetzt frieren alle — ein Verschärfung der Lage. Könnte man gegen ein nieselregengraues Deutschland eine NGO gründen, ich wäre dabei. Natürlich ist das quatsch, aber nur Fantasielose flüchten in die Realität (meinte Arno Schmidt). Dem Thema sollten sich die Klimaleute einmal ordentlich widmen: ihnen fehlt im Nebenfach die Psychologie. Dabei hat die Wettervorhersage oft schlimmere Folgen als ein Horoskop. Und an schlimmen Tagen, da stimmen sogar beide.