Dezember 2007

sciencegarden blog

11. November 2007 | Frank Berzbach | 09:54

Das Lächeln der Bäckersfrau

Für L.M.R.

Vorm Frühstück gibt es nur Interaktion mit einem Menschen: der Dame hinter der Bäckertheke. Ein sensibler Moment also. Ich gehe nicht mehr zum Bäcker, aus psychologischen Gründen. Nicht weil die Verkäuferinnen unfreundlich sind wie früher, sondern weil sie freundlich sind. Das ist doch eigentlich wunderbar: noch verschlafen ins lächelnde Gesicht einer schönen Verkäuferin zu schauen, fast wie in Frankreich. (Dort sind ja bekanntlich alle Frauen schön.) Aber genau die haben mich in eine Falle gelockt und nun esse ich täglich Müsli. Zum ordentlichen Frühstück gehörte sonst eine Alibischnitte Vollkornbrot. Dann aber: Ein helles Brötchen mit Nutella. Oft ging ich daher zum Bäcker und bestellte ein Brötchen. Und dies scheint, aus der Perspektive der Verkäufer(innen), so unerhört, dass sie anfingen, mich in Privatgespräche zu verwickeln. Erst noch zurückhaltend: „Das ist nicht viel.“, sagte mir eine junge Dame. Aber schon am nächsten Tag: „Ihre Frau ist sicher verreist, oder?“. Da ich nicht darüber Auskunft geben wollte – sie isst Müsli – schwieg ich einfach. “Ach, Sie leben sicher allein.” Ich bin jetzt der Kunde, der täglich ausgehorcht, kommentiert oder gleich erzogen wird. „Ein Brötchen, davon können Sie doch nicht satt werden!“ meinte eine sonst umgängliche Dame zu mir. Die neue Verkäuferin drehte es so: „Ja, da sieht man es, deshalb bleiben Sie so schlank, nur ein Brötchen. Reicht völlig aus.“ Das ganze Frühstück quälte mich mein schlechtes Gewissen und Nutella kaufe ich jetzt nicht mehr beim Bäcker, sondern verborgen im Supermarkt. Heute aber war ich das letzte Mal beim Bäcker. Die Diskriminierung dort übersteigt das für mich im Halbschlaf aushaltbare Maß. Auf meine Bestellung von einem Brötchen sagt ein junger Verkäufer (!) vor umstehenden Kunden zu mir: „Noch immer solo, was? Na, essen Sie mehr, dann kommen Sie zu Kräften!“

Kategorien: Allgemein, Zeitgeist |
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1 Kommentar »

  1. Ich kenne diese Situation. Bei mir mündet die Diskriminierung allerdings oft in Bevormundung!
    Denn mehr als einmal bekam ich schon mit den Worten: “Nur eins? Das soll reichen?” gleich zwei Brötchen eingepackt und wurde mit “eins aufs Haus” verabschiedet. Dann muß man sich auch noch bedanken und verläßt unter den eifersüchtigen Blicken der nachvollgenden Kunden den Laden.

    Kommentar von Jill Bioskop — 13. Dezember 2007 @ 22:20

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