Medien
Zweierlei Maß
Gewollt oder ungewollt, werden wir Einwohner Deutschlands derzeit Zeugen von Entscheidungen, die sich im Rückblick als historische Weichenstellungen herausstellen könnten: So wurde am vergangenen Freitag in Brüssel der Euro ein weiteres mal "gerettet". Griechenland wurden 109 Milliarden zugesprochen, der Währungs-Schutzschirm EFSF soll nun ausgebaut werden. Damit bröckelt der Damm immer mehr, der die "Währungsunion ohne politische Einheit" davor schützte, mit dem Einkommen der besser gestellten Staaten für die teils desolaten Haushalte des Rests einzuspringen. Bundeskanzelerin Merkel kommentiert laut Spiegel online lapidar: "Was wir in diesen Zeiten für Europa und den Euro aufwenden, das bekommen wir auf ein Vielfaches zurück."
Auf der anderen Seite steht nun seit dem 7. Juni dieses Jahres fest: Deutschland steigt aus der Nutzung der Kernenergie aus. Eine Entscheidung, die nicht nur wegen Fukushima längst überfällig war. Schließlich war sie am 14. Dezember 2001 schon einmal gefällt worden. Der "Ausstieg aus dem Ausstieg" durch Schwarz/Gelb dürfte wohl als einer der schlimmsten Siege des Lobbyismus gegen etablierte demokratische Entscheidungsverfahren in die Geschichte eingehen. Von denselben Politikern und weitergetragen von denselben Medien wie die Euro-Berichterstattung ist aber zur so genannten Energiewende vor allem Folgendes zu vernehmen: Sie wird Geld kosten - jeden Einzelnen, klar, und dann auch noch die Volkswirtschaft als Ganze!
Nun befürchte ich, dass die Mathematiker und Volkswirte recht haben, wenn sie prophezeien, dass wir alle für den Traum von nachhaltigen Strom tiefer in die Tasche greifen müssen. Tiefer auch als die 10 Euro pro Monat, die wir laut Umfragen beizutragen bereit sind. Aber sind wir nicht auch das Land mit der Technologieführerschaft in diesem Bereich? Und exportieren wir deshalb nicht jetzt und in Zukunft zahlreiche Ökostrom-Anlagen? - Dann bekommen wir das doch auch auf ein Vielfaches zurück. Oder wir messen mit zweierlei Maß!
Web 2.0 in Berlin
"Natives", interessierte Beobachter und Kritiker des Web 2.0 kommen vom 18.-21. März 2010 in Berlin voll auf ihre Kosten.
Am 18. März lädt InWent, die ehemalige Carl-Duisberg-Gesellschaft zum Thema "Citizen Journalism" ins FAZ-Forum in Berlin ein. Renommierte Redner, vor allem aus Entwicklungsländern, sprechen zur Bedeutung neuer Medien und eines "neuen Journalismus" als Stimme der Benachteiligten.
Mit einem eher leeren Tagungsprogramm beginnt am 20. März das "Politicamp .10" . Die Generation der "Digital Natives" lädt Politiker zum Dia- bzw. Multilog ein. Als Besonderheit sind für einen Großteil der Zeit nur Räume reserviert - die es gilt, mit eigenen Ideen und Konzepten zu füllen.
Förderpreis: Frauen + Medientechnologie
"Eine Idee besser." Unter diesem Motto schreibt die ARD.ZDF medienakademie den Förderpreis »Frauen + Medientechnologie« 2010 aus. Mit diesem Preis wollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Frauen motivieren, sich im Rahmen ihrer Praktika, Studienschwerpunkte und Abschlussarbeiten mit technischen Fragestellungen aus dem Bereich der audiovisuellen Medienproduktion und –distribution auseinander zu setzen.
Der Förderpreis richtet sich an Absolventinnen von Hochschulen und Universitäten mit Abschlussarbeiten, die sich mit aktuellen technischen Fragestellungen aus dem Bereich der audiovisuellen Medien befassen. Honoriert werden herausragende Abschlussarbeiten an deutschen, österreichischen und schweizerischen (Fach-) Hochschulen und Universitäten, die nach dem 01.01.2008 eingereicht worden sind. Bewerbungen sind ab sofort online möglich, der Bewerbungszeitraum endet am 28.02.2010.
Weitere Informationen zum ARD/ZDF Förderpreis »Frauen + Medientechnologie« 2010 und das Bewerberinnenportal finden sich unter www.ard-zdf-foerderpreis.de
DRadio Wissen
Am 18. Januar startete das Deutschlandradio einen neuen Sender: DRadio Wissen. Dort gibt es nicht nur Vorlesungen, viel über die virtuelle und reale Welt, sondern als gewollten Nebeneffekt noch etwas anderes: Die wissenschaftliche Sachlichkeit kehrt in die Medien zurück und wirkt als Kritik. Ein Highlight ist es jetzt schon, dass aktuelle Studien -- z.B. die des DIW über Beamtenrenten vers. Angestelltenrenten -- einfach einmal von einer Statistikerin gelesen werden. Und da vergeht einem Hören und Sehen! Wenn das neue Internetradio so weiter macht, dann könnte vielleicht die gegenwärtige Berlusconisierung der deutschen Politik sachlich gebremst werden, allein durch die Konfrontation mit der (nicht-kommerziellen) Wissenschaft. Dem neuen Sender sind also viele viele Fans und Hörer zu wünschen! Und ihm ist auch zu wünschen, dass die Politik sich im Sender nicht einmischen darf ...
"Öffentliches Interesse"
"Welche Maßnahmen planen Sie zur Eindämmung des Konflikts im Mittleren Osten ? Oder zur Senkung der Inflationsrate, der Kriminalitätsrate, der Arbeitslosenquote ? Wie sehen Ihre Pläne für den Schutz der Umwelt oder die Verminderung der Gefahr eines Atomkrieges aus ? Was planen Sie, im Hinblick auf die NATO, die OPEC, die CIA, die Bemühungen um eine stärkere Integration von Ethnische Minderheiten und Frauen in das öffentliche und wirtschaftliche Leben und die ungeheuerliche Behandlung der Bahais im Iran zu tun ? Was gedenken Sie zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu unternehmen. Ich bin so frei und antworte an Ihrer Stelle: Gar nichts."
Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode, 1985.
Grafik: Dieter Schütz/pixelio.de
Bedrückend real
Das Studium ist kein Zuckerschlecken. Diese Erfahrung macht jedenfalls der Zuschauer des Kinofilms "13 Semester", wenn er Momo, der endlich aus der brandenburgischen Provinz weg will und "nach 20 Jahren endlich wieder Moritz heißen", durch diese quälend lange Zahl akademischer Zeiteinheiten begleitet.
Dabei ist es nicht einmal das mit Ach und Krach bestandene Vordiplom, das sich der sympathische Protagonist (Max Riemelt) durch eine ungleiche Freundschaft mit seinem indischen Kommilitonen Raswin halb erschleicht und halb erkämpft. Vielmehr sind es die vielen, kleinen Stiche - die Entscheidung für die Liebe und damit leider gegen den Erfolg oder die Notwendigkeit, sich nach zermürbender Suche schließlich mit einer unpassenden WG zu arrangieren und so sich und den eigenen Werdegang teilweise einem Menschen auszuliefern, mit dem man nichts gemeinsam hat außer dem Bedürfnis nach einer Bleibe -, die den Film so schwer erträglich machen.
Mit einer unerbittlichen Scharfstellung auf Details setzt Regisseur Frieder Wittich die Trostlosigkeit des Studentenlebens in Szene: Wenn "Momo" - wie er immer noch genannt wird, nach einer WG-Party auf der Couch aufwacht, ekelt sich (auch) der Zuschauer davor, die nackten Füße in all das zu stellen, was da auf dem Teppich die ekelhaftesten Assoziationen von Party-Hinterlassenschaften weckt. Und wieviel banaler und deshalb zum Unwohlsein real kann die Ärmlichkeit manches Studentenlebens dargestellt werden, als durch einen männlichen Partner, der während der Beinrasur seiner Freundin in der Badewanne sein Nutellabrot schmiert - unterdessen deren offenbar erfolgreicherer Studienkollege durchs Fenster sieht? Da verwundert es dann auch nicht, dass Momo an seinem 24. Geburtstag die letzten ihm verbliebenen Gefährten mit einem Satz wie eine gedämpfte Haubitze vor den Kopf stößt: "Ich kann im Moment nunmal nicht auf Menschen."
Und die realistische Erzählweise lässt auch den Zuschauer nicht aus der Ödnis des wirklichen Studentenlebens entkommen: filmische Mittel wie Rückblenden werden in "13 Semester" nur selten und dann so auffällig eingesetzt, dass sie statt einer Flucht eher eine Verstärkung der bedrückenden Stimmung bedeuten. So prasseln kurz vor der erlösenden Diplomprüfung alle mühsam gepaukten Formeln und Merksätze mit halluzinatorischen Hall auf Momo ein. Und die Wahl, die Handlung chronologisch zu erzählen, erzeugt spätestens bei der Einblendung "Semester 8" das Gefühl, dass es hier um ein Leiden fast ohne Ende geht.
Zwar gibt es schließlich ein allzu rundes Happy End. Aber davor müssen der Protagonist und sein alter Freund Dirk (Robert Gwisdek) zunächst wieder zusammen finden. Und sich, dem anderen und den Zuschauern gestehen, dass die Uni eine Autobahn ist. Der eine habe irgendwann Angst bekommen, wieder aufzufahren, weil er dann vielleicht merke "dass ich 5 Jahre lang in die falsche Richtung unterwegs war". Und der andere beschreibt seine Uni-Karriere ohne den ihm sonst eigenen Elan als "Überholspur mit 220 Sachen, immer schön Blinker links, Gas rechts" - und fragt sich, ob er nicht mal hätte "aussteigen und sich die Landschaft angucken sollen." Das tut weh in einer Gesellschaft, die vielleicht mit Erfolgreichen und "Losern" umgehen kann. Aber doch nicht mit Zweiflern auf beiden Seiten.
Die Realität der Massenmedien
Es gibt keine Politikverdrossenheit -- sondern nur falsche Mediennutzung. Die Politiker reden nicht so, weil sie so reden: sie reden IM FERNSEHEN so, weil das Fernsehen die boulevarleske Struktur vorgibt. Wer sich bequemt gute Bücher oder eine überregionale Zeitung zu lesen oder sogar den Deutschlandfunk einzuschalten, der wird eine ganz andere Medienrealität teilen. Das ist noch immer nicht die Realität, aber auch Medienkonstruktionen kennen gewaltige Niveauunterschiede. Die erste Wahl findet also nicht an der Wahlurne statt, sondern zwischen Medienrealitäten. Wer Schimpfen will, der halte sich ans TV, wer etwas über Politik erfahren will, lieber an gute Tageszeitungen oder das Qualitätsradio.
Politiker mühen sich ab an der Steuerung komplexer Systeme; diese Aufgabe ist wesentlich schwieriger als die Fernbedienung eines Fernsehens. Auf vielen Ebenen ist Politik konsensorientiert, sachlich, bedacht und fachlich. Die Unterhaltungsmedien nennen das "langweilig". Aber ist Politik eine Unterhaltungssendung? Politikern wird hierzulande alles vorgeworfen, aber auf welcher Grundlage? Ist die bundesdeutsche Demokratie so schlecht? Gibt es Alternativen zur Demokratie? Ein Blick ins Geschichtsbuch oder in viele andere Länder mahnt zur Zurückhaltung. Die fortgeschrittene Demokratie braucht Kritik, keine wohlständige Verdrossenheit. Sie braucht auch Zuspruch. Und vor allem: anspruchsvolle Medien, die anspruchsvoll genutzt werden -- und das sind bisher die "alten Medien" und weniger Fernsehen und Internet.
Eckert-Preis für Bildungsmedienforschung
Das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung verleiht 2010 erstmals und künftig alle zwei Jahre den von der Verlagsgruppe Westermann in Braunschweig gestifteten Preis für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der internationalen Bildungsmedienforschung. Er ist mit 2500 Euro dotiert und umfasst außerdem die Übernahme der Druckkosten durch den Stifter.
Ausgezeichnet werden herausragende Monografien, Dissertationen oder Habilitationen. Gemeinschaftswerke werden berücksichtigt, wenn sich alle Autoren bewerben. Es werden sowohl Eigenbewerbungen als auch Nominierungen akzeptiert.
Eingereicht werden können bisher unveröffentlichte Arbeiten in deutscher oder englischer Sprache, die zum Zeitpunkt der Einreichung nicht älter als zwei Jahre sind.
Eine Jury aus namhaften Wissenschaftlern und einem Vertreter der Verlagsgruppe Westermann befindet unter Ausschluss des Rechtsweges über die Zuerkennung des Preises. Die Verleihung findet im Frühjahr 2010 statt.
Die ausgezeichnete Arbeit wird in der Reihe "Eckert. Die Schriftenreihe. Studien des Georg-Eckert-Instituts zur internationalen Bildungsmedienfor-schung" (Verlag V&R unipress, Göttingen) veröffentlicht.
Weitere Informationen:
http://www.gei.de
Wissenschaftsjournalismus vs. Blogs?
Carsten Könneker, Chefredakteur von Gehirn&Geist sowie epoc, präsentiert in seiner Guten Stube die mehrteilige Aufzeichnung einer Podiumsdiskussion der gerade vergangenen Frankfurter Buchmesse. An dem von science2public veranstalteten Science Sunday diskutierten unter der Moderation von Annette Leßmöllmann (Hochschule Darmstadt sowie Brainlogs) er selbst, Sven Keßen (Begrenzte Wissenschaft), Mathias Schindler (Wikimedia Deutschland), Marc Scheloske (Scienceblogs.de sowie wissenswerkstatt), Thomas Wanhoff (Wanhoffs Wunderbare Welt der Wissenschaft) und für sciencegarden Chefredakteur Christian Dries über Chancen und Risiken von Blogs für den Wissenschaftsjournalismus.
Hier ein Auszug: