Zeitgeist
«Die Mauer». Von allen Seiten
Müsste man einem entsprechenden Werk weniger als „großen Facettenreichtum“ bescheinigen, Verlag und Herausgeber hätten grundlegend etwas falsch gemacht. Tatsächlich schafft es Herausgeber Klaus-Dietmar Henke mit „Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung“, das geschichtsträchtige Bauwerk von allen Seiten zu beleuchten. Der bei dtv-Premium erschienene Band umfasst auf 468 Textseiten 29 Aufsätze, deren Spannweite von der weltpolitischen Einordnung über die Deutschlandpolitik in West und vor allem auch in Ost und die Kunst bis hin zur Erinnerungskultur reicht.
Dass „die Mauer“ eigentlich gar keine Mauer war, erfährt der Leser gleich im einführenden Aufsatz des Herausgebers. Mit der bedeutenden Rolle des „Mauer“-Topos, um den es eigentlich geht, setzt sich Leo Schmidt auseinander. So waren es nicht zuletzt Überlegungen zur Außenwirkung, die die DDR-Spitze dazu brachten, statt der praktischeren Drahtsperren eine Mauer zu errichten – als „Symbol für Entschlossenheit – und auch für eine Dauerhaftigkeit, die zu diesem Zeitpunkt aber noch keineswegs beschlossene Sache war“, wie er darlegt. In der westlichen Welt hingegen sei die Mauer-Ikonographie mehr von dem Gedanken an ein Instrument zur Freiheitsunterdrückung verknüpft gewesen. Das von Schmidt erwähnte Foto des Unteroffiziers Conrad Schumann, der mit einem kräftigen Sprung den Stacheldraht überwindet, ist mir aus meinem eigenen, westdeutschen Geschichtsbuch geläufig.
Mehr als nur eine Ergänzung zu Schmidts Auseinandersetzung mit der bildlichen Sphäre ist die Gegenüberstellung der sprachlichen und medialen Stilisierungen der „Mauer“ in West und Ost durch Elena Demke. So lernt man als Nachgeborene, dass parallel zur leicht durchschaubaren Rede vom „antifaschistischen Schutzwall“ in der DDR in Westdeutschland mit ähnlicher Vehemenz die Figur des „Ulbricht-KZs“ bemüht wurde – und dies durchaus im Bewusstsein des vollen Bedeutungsumfangs. Demke erörtert aber auch, inwiefern der „antifaschistische Schutzwall“ die Fortführung der kommunistischen Ideologie und somit mehr als eine Augenblicksbildung war. Schließlich galt die Abschottung nach außen seit der Abkehr Lenins vom weltweiten Kommunismus-Export als probates Mittel beim „Aufbau des Kommunismus in einem Land“ – und alle Gegner dieses Vorhabens als „Faschisten“.
Damit ist Demkes Beitrag anschlussfähig an andere in dem Sammelband, die sich anstelle der Symbolik unmittelbar mit den ideologischen, vor allem aber den realen Hintergründen des Mauerbaus und der deutschen Teilung in der DDR auseinandersetzen. So macht Michael Kubina in seinem Beitrag „Die SED und ihre Mauer“ den ideologischen Hintergrund des Mauerbaus explizit, wenn er die Mauer als „Gefängnismauer zur Rettung des sozialistischen Experiments“ bezeichnet. Mit einer ausführlichen Erörterung verbindet er Ulbrichts Rechtfertigung für den „antifaschistischen Schutzwall“ mit Rosa Luxemburgs Menetekel von „Sozialismus oder Barbarei“. Beide seien von der Überzeugung gestützt, dass „Marxisten-Leninisten über die einzig ‚wissenschaftliche Weltanschauung‘ verfügen“. Die Umdeutung aller Vorteile des Westens in Chimären und Lockmittel verwundert vor diesem Hintergrund nicht.
Noch tiefer ins Innerste der DDR-Ideologie und vor allem der aus ihr resultierenden Politik dringen Thomas Lindenberger und Gerhard Sälter vor. Während Lindenbergers Aufsatz argumentativ brillant und in den Fakten detailreich nachzeichnet, welche alltäglichen Begrenzungen die mauergesicherte sozialistische Gesellschaft mit sich brachte, erörtert Sälter mit der gebotenen Nüchternheit, wie die SED Zivilisten – Verwaltungsmitarbeiter, Vorgesetzte und weitere – „gegen den inneren Feind mobilisiert[e]“. Das Ergebnis war, wenn auch von vielen DDR-Bürgern durchschaut und von nicht wenigen boykottiert, in Sälters Worten ein „ubiquitäres Grenzregime“. Gemeint ist damit nichts anderes als der berüchtigte Überwachungsstaat, den der Autor hier in den Kontext einer vom Regime gewollten Erziehung der Bürger zum Sozialismus im „geschützten Raum“ stellt.
Wenn auch niemals entschuldigend, so wecken viele Beiträge in „Die Mauer“ doch Verständnis – immer im Sinne intellektueller Nachvollziehbarkeit – für die Handlungen der DDR-Führung. Vertreten sind in dem Band außerdem zeitgeschichtliche Beiträge klassischen Inhalts, namentlich die Einordnung in das weltpolitische Geschehen durch Michael Lemke und die Erörterung der Rolle der DDR und Ulbrichts – ihrer Absichten und Handlungsspielräume – durch Manfred Wilke. Diese Aufsätze sind aber, wohl wegen ihrer Informationsdichte und impliziten Verknüpfung mit einem weiteren historischen Horizont, die am schwersten lesbaren des gesamten Bandes. Äußerst empfehlenswert, da ebenso komplex, aber mit einem Schuss Agenten-Thrill ausgestattet, ist dagegen Daniala Münkels Aufsatz „CIA, BND, MfS und der Mauerbau“. Wie es der Titel verspricht, geht es hier um die Einschätzungen der jeweils anderen Seite durch die Geheimdienste – und das gegenseitige Wissen um diese Einschätzungen. Dabei sticht auch anhand der quellengesicherten Fakten die gute Vernetzung und der leichtfüßige Zugang der Staatssicherheit zum Westen heraus, neben den Agenten, die für beide Seiten unvermeidlich die Bühne betreten. Aufschlussreich auch, dass die Regierungen selten auf ihre Spionagetruppen hörten – und sich nach außen unwissender gaben, als sie tatsächlich waren.
Die »Mauerkunst« eingerechnet, behandeln gleich sieben Beiträge den Umgang mit Mauerrelikten von der Wendezeit bis heute. Dass dieses Thema bis heute ideologische Kontroversen und schwer zu überbrückende Interessenkonflikten hervorruft, stellt Konrad H. Jarausch im Hinblick auf den ehemaligen Alliierten-Übergang „Checkpoint Charly“ in der Berliner Friedrichstraße kurz und bündig dar. Die volle Wucht der Auseinandersetzung um das richtige Gedenken, aber vielmehr noch um dessen Stellenwert gegenüber den praktischen Bedürfnissen von Anliegern, schildern Gabriele Camphausen und Manfred Fischer in „Die bürgerschaftliche Durchsetzung der Gedenkstätte an der Bernauer Straße“. Der im Stil eines Berichts verfasste Beitrag lässt die Turbulenzen geradezu spüren, die jeder Vorstoß der Bürgerinitiative, jeder offenen Brief eines Bundespolitikers und letztlich auch die Freigabe der benötigten Gelder durch die Politik verursachte. Die Erinnerungskultur scheint damit zurecht ein besonderes Anliegen des Herausgebers von „Die Mauer“ zu sein.
Alles in allem ist dem dtv mit „Die Mauer. Errichtung, Überwindung, Erinnerung“ ein vielfältiges, in seinen Einzelbeiträgen fundiertes Sammelwerk gelungen. Die Beiträge sind nicht strikt nach inhaltlichen Gesichtspunkten angeordnet, und aufgrund der hohen Informationsdichte und der Bandbreite des Gesamtwerkes empfiehlt es sich, seinen Inhalt in maßvollen Portionen zu genießen. Beiträge wie » Mauerkunst « und „Mauerrelikte“ bieten unter anderem Anhaltspunkte, sich vor Ort vertieft mit der Mauer und den mit ihr assoziierten Themen auseinanderzusetzen. Ansonsten eignet sich der Sammelband als Geschichtslektüre, die weit über das gewohnte Themenspektrum von Berlinblockade und Blöcke-Konfrontation hinausgeht, und in dieser schillernden Pose zu überzeugen weiß. Die Mauer. Von allen Seiten.
Zweierlei Maß
Gewollt oder ungewollt, werden wir Einwohner Deutschlands derzeit Zeugen von Entscheidungen, die sich im Rückblick als historische Weichenstellungen herausstellen könnten: So wurde am vergangenen Freitag in Brüssel der Euro ein weiteres mal "gerettet". Griechenland wurden 109 Milliarden zugesprochen, der Währungs-Schutzschirm EFSF soll nun ausgebaut werden. Damit bröckelt der Damm immer mehr, der die "Währungsunion ohne politische Einheit" davor schützte, mit dem Einkommen der besser gestellten Staaten für die teils desolaten Haushalte des Rests einzuspringen. Bundeskanzelerin Merkel kommentiert laut Spiegel online lapidar: "Was wir in diesen Zeiten für Europa und den Euro aufwenden, das bekommen wir auf ein Vielfaches zurück."
Auf der anderen Seite steht nun seit dem 7. Juni dieses Jahres fest: Deutschland steigt aus der Nutzung der Kernenergie aus. Eine Entscheidung, die nicht nur wegen Fukushima längst überfällig war. Schließlich war sie am 14. Dezember 2001 schon einmal gefällt worden. Der "Ausstieg aus dem Ausstieg" durch Schwarz/Gelb dürfte wohl als einer der schlimmsten Siege des Lobbyismus gegen etablierte demokratische Entscheidungsverfahren in die Geschichte eingehen. Von denselben Politikern und weitergetragen von denselben Medien wie die Euro-Berichterstattung ist aber zur so genannten Energiewende vor allem Folgendes zu vernehmen: Sie wird Geld kosten - jeden Einzelnen, klar, und dann auch noch die Volkswirtschaft als Ganze!
Nun befürchte ich, dass die Mathematiker und Volkswirte recht haben, wenn sie prophezeien, dass wir alle für den Traum von nachhaltigen Strom tiefer in die Tasche greifen müssen. Tiefer auch als die 10 Euro pro Monat, die wir laut Umfragen beizutragen bereit sind. Aber sind wir nicht auch das Land mit der Technologieführerschaft in diesem Bereich? Und exportieren wir deshalb nicht jetzt und in Zukunft zahlreiche Ökostrom-Anlagen? - Dann bekommen wir das doch auch auf ein Vielfaches zurück. Oder wir messen mit zweierlei Maß!
Zwei Seelen?
Wenn es tatsächlich zum Äußersten kommt, wird in mindestens einem Reaktor in Japan der Kern schmelzen. Atomkritiker sprechen in diesem Zusammenhang gern vom GAU. Und einige, sogar Medienvertreter frohlocken schon mit dem schlagenden Argument, das eine Atomare Katastrophe im japanischen Fukushima ihnen liefern könnte.
Dabei steht in Japan gerade vor allem das Leben von Menschen auf dem Spiel. Das, was immer auf dem Spiel steht, wenn es auch um die zivile Nutzung von Atomkraft geht. Und das, was auch die Atomkraftgegner eigentlich schützen möchten. Allein deshalb scheint jeder Zynismus, jeder Versuch, die Lage zu instrumentalisieren, unangebracht.
Stattdessen stellen sich Fragen. Was sind die Alternativen zur Atomenergie? Hier bei uns in Deutschland und in Europa. Aber auch in Japan, das als dicht besiedeltes, sich über mehrere Klimazonen erstreckender Archipel noch viel größere Schwierigkeiten haben dürfte, einen tragfähigen Mix aus regenerativen und ggf. fossilen Energieträgern zu finden.
Natürlich können wir den Menschen raten, weniger Auto und mehr Fahrrad und Zug zu fahren. Das tun bei uns schon viele - und in Japan gefühlt noch mehr. Aber können - sollten und dürfen - wir beispielsweise einem Land vorschreiben, bis zur Lösung des Energieproblems auf wirtschaftlichen Fortschritt zu verzichten? Wieviel unsere materiellen Wohlstands wären wir für so etwas aufzugeben bereit?
Und weiter: Können wir der ganzen Menschheit verbieten, potenziell brisante Phänome zu erforschen?
Falls ja, müssen wir uns auch den positiven Seiten des Fortschritts - Krankheiten verlieren ihren Schrecken, Technik wird sicherer - verabschieden. Falls nein, wird der Einsatz vergleichsweise gefährlicher "Brücken"-Technologien ein Dilemma bleiben. Für welchen Grad an "gutem Zweck" diese dann als Mittel legitim sind, ist und bleibt eine schwierig zu beantwortende Frage.
Also befindet sich in der Brust nicht eine Anti-Atomkraft- und eine Seele für die Menschen. Sondern eine Seele im Angesicht eines apokalyptischen Desasters und seiner ethischen Begleiterscheinungen.
Möge Japan und möge den Menschen dort in diesem Ernstfall das Allerschlimmste erspart bleiben!
Psst!
Themen- und Gedenktage gibt es viele. Aber bei kaum einem ist es so schwierig, ihn angemessen zu begehen, wie bei diesem: Der 28. April ist der "Tag gegen Lärm"
Unter dem Motto "Kostbare Ruhe - teurer Lärm" finden an zahlreichen Orten in ganz Deutschland Informations- und Mitmach-Veranstaltungen statt. Ziel ist, wenn man den englischen Namen "Noise Awareness Day" zugrunde legt, den modernen Menschen für ein immer stärker werdendes Problem zu sensibilisieren. Dabei geht es - natürlich - um das Gehör, aber Themen wie "Geräuscharmer Straßenbelag" oder "Verkehrsfreie Wohnsiedlung" lassen die Breite der Themen - und die Reichweite des Problems - erahnen.
Also raus aus den Pumps, rauf aufs Fahrrad und mp3-frei die Strecke zum Veranstaltungsort zurücklegen. Oder gleich bei Zeitungsrascheln und Vogelgezwitscher zuhause bleiben...
Web 2.0 in Berlin
"Natives", interessierte Beobachter und Kritiker des Web 2.0 kommen vom 18.-21. März 2010 in Berlin voll auf ihre Kosten.
Am 18. März lädt InWent, die ehemalige Carl-Duisberg-Gesellschaft zum Thema "Citizen Journalism" ins FAZ-Forum in Berlin ein. Renommierte Redner, vor allem aus Entwicklungsländern, sprechen zur Bedeutung neuer Medien und eines "neuen Journalismus" als Stimme der Benachteiligten.
Mit einem eher leeren Tagungsprogramm beginnt am 20. März das "Politicamp .10" . Die Generation der "Digital Natives" lädt Politiker zum Dia- bzw. Multilog ein. Als Besonderheit sind für einen Großteil der Zeit nur Räume reserviert - die es gilt, mit eigenen Ideen und Konzepten zu füllen.
"Öffentliches Interesse"
"Welche Maßnahmen planen Sie zur Eindämmung des Konflikts im Mittleren Osten ? Oder zur Senkung der Inflationsrate, der Kriminalitätsrate, der Arbeitslosenquote ? Wie sehen Ihre Pläne für den Schutz der Umwelt oder die Verminderung der Gefahr eines Atomkrieges aus ? Was planen Sie, im Hinblick auf die NATO, die OPEC, die CIA, die Bemühungen um eine stärkere Integration von Ethnische Minderheiten und Frauen in das öffentliche und wirtschaftliche Leben und die ungeheuerliche Behandlung der Bahais im Iran zu tun ? Was gedenken Sie zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu unternehmen. Ich bin so frei und antworte an Ihrer Stelle: Gar nichts."
Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode, 1985.
Grafik: Dieter Schütz/pixelio.de
Bedrückend real
Das Studium ist kein Zuckerschlecken. Diese Erfahrung macht jedenfalls der Zuschauer des Kinofilms "13 Semester", wenn er Momo, der endlich aus der brandenburgischen Provinz weg will und "nach 20 Jahren endlich wieder Moritz heißen", durch diese quälend lange Zahl akademischer Zeiteinheiten begleitet.
Dabei ist es nicht einmal das mit Ach und Krach bestandene Vordiplom, das sich der sympathische Protagonist (Max Riemelt) durch eine ungleiche Freundschaft mit seinem indischen Kommilitonen Raswin halb erschleicht und halb erkämpft. Vielmehr sind es die vielen, kleinen Stiche - die Entscheidung für die Liebe und damit leider gegen den Erfolg oder die Notwendigkeit, sich nach zermürbender Suche schließlich mit einer unpassenden WG zu arrangieren und so sich und den eigenen Werdegang teilweise einem Menschen auszuliefern, mit dem man nichts gemeinsam hat außer dem Bedürfnis nach einer Bleibe -, die den Film so schwer erträglich machen.
Mit einer unerbittlichen Scharfstellung auf Details setzt Regisseur Frieder Wittich die Trostlosigkeit des Studentenlebens in Szene: Wenn "Momo" - wie er immer noch genannt wird, nach einer WG-Party auf der Couch aufwacht, ekelt sich (auch) der Zuschauer davor, die nackten Füße in all das zu stellen, was da auf dem Teppich die ekelhaftesten Assoziationen von Party-Hinterlassenschaften weckt. Und wieviel banaler und deshalb zum Unwohlsein real kann die Ärmlichkeit manches Studentenlebens dargestellt werden, als durch einen männlichen Partner, der während der Beinrasur seiner Freundin in der Badewanne sein Nutellabrot schmiert - unterdessen deren offenbar erfolgreicherer Studienkollege durchs Fenster sieht? Da verwundert es dann auch nicht, dass Momo an seinem 24. Geburtstag die letzten ihm verbliebenen Gefährten mit einem Satz wie eine gedämpfte Haubitze vor den Kopf stößt: "Ich kann im Moment nunmal nicht auf Menschen."
Und die realistische Erzählweise lässt auch den Zuschauer nicht aus der Ödnis des wirklichen Studentenlebens entkommen: filmische Mittel wie Rückblenden werden in "13 Semester" nur selten und dann so auffällig eingesetzt, dass sie statt einer Flucht eher eine Verstärkung der bedrückenden Stimmung bedeuten. So prasseln kurz vor der erlösenden Diplomprüfung alle mühsam gepaukten Formeln und Merksätze mit halluzinatorischen Hall auf Momo ein. Und die Wahl, die Handlung chronologisch zu erzählen, erzeugt spätestens bei der Einblendung "Semester 8" das Gefühl, dass es hier um ein Leiden fast ohne Ende geht.
Zwar gibt es schließlich ein allzu rundes Happy End. Aber davor müssen der Protagonist und sein alter Freund Dirk (Robert Gwisdek) zunächst wieder zusammen finden. Und sich, dem anderen und den Zuschauern gestehen, dass die Uni eine Autobahn ist. Der eine habe irgendwann Angst bekommen, wieder aufzufahren, weil er dann vielleicht merke "dass ich 5 Jahre lang in die falsche Richtung unterwegs war". Und der andere beschreibt seine Uni-Karriere ohne den ihm sonst eigenen Elan als "Überholspur mit 220 Sachen, immer schön Blinker links, Gas rechts" - und fragt sich, ob er nicht mal hätte "aussteigen und sich die Landschaft angucken sollen." Das tut weh in einer Gesellschaft, die vielleicht mit Erfolgreichen und "Losern" umgehen kann. Aber doch nicht mit Zweiflern auf beiden Seiten.
Schnelle Kunst
17 Meisterschüler, 3 Ausstellungen, 2 Wochen. Kein Zweifel, wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Das Projekt hub:kunst.diskurs hat den Zeitgeist zum Programm erhoben und präsentiert ab Donnerstag, den 27.11.09 in Hannover eine Blitzausstellung herausragender Absolventen der HBK Braunschweig. Dokumentiert und kommentiert wird alles in einem eigenen Blog: http://www.kunst-diskurs.de/
Ein neues Deutschland?
Zu Beginn dieses Jahres bat das Feuilleton der FAZ den Schriftsteller Jörg Albrecht, in Anklang an Stefan Zweigs Umbruchserfahrungen ("Die Welt von gestern") die Brüche in seiner eigenen Lebenswelt zu schildern . Leider ist nicht nur die Vermessenheit, den Erinnerungen eines schicksals- und leidgeprüften Exilanten des Zweiten Weltkrieges diejenigen eines in den BRD-Wohlstandsspeck der achtziger Jahre geborenen Jungautors gegenüberzustellen, der Redaktion anzulasten.
In seinem verhedderten Patchwork-Text "The world of morgen" beweist Albrecht vor allem, dass man im Jahr 2009, anders als in seinem Geburtsjahr 1981, weder Deutsch noch Englisch schreiben muss, um von der FAZ gedruckt zu werden. Ansonsten beschränken sich die Umbruchserfahrungen Albechts in erster Linie auf banale Beschleunigungserlebnisse vor der Videospielkonsole. Ob sich diese stark eingeschränkte Wahrnehmung daraus erklärt, dass Albrecht die meiste Zeit seines Lebens im Internet, vor dem Fernseher oder im "Strukturwandel" steckengebliebenem Ruhrgebiet verbracht hat, wissen wir nicht. Dass der Buchautor die dramatischen Zeitenwandel, die sich während seiner Lebensspanne inmitten Europas ereigneten, auf das Web 2.0 und die Erfindung der Digitalkamera reduziert, ist zweifelsohne mehr als ärgerlich. Als Altersgenosse schämt man sich ein wenig für derlei Nabelschau. Wäre doch so viel darüber zu sagen gewesen, wie sich das Deutschland, in das wir geboren wurden, in unseren Jugend- und Studienjahren einschneidend und atemberaubend rasch veränderte. (Auch für West-Deutsche.)
So bleibt es einem alten Hasen überlassen, von außen einen Blick auf "New Germany" zu werfen. Der Historiker Perry Anderson ergreift in der aktuellen Ausgabe der "New Left Review" die Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme der tiefgehenden Veränderungen von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Kultur in Deutschland. In einem umfassenden Essay, dessen Ausführungen vom neoliberalen Schockprogramm der Schröderjahre, über den Bevölkerungsexodus in Ostdeutschland und die neuen Kriege bis hin zu gegenwärtigen Tendenzen im politischen Denken reichen, zeichnet Anderson ein Portrait der deutschen Gesellschaft, das befreit vom alltäglichen Nachrichten-Klein-Klein die gewaltigen Veränderungen aufzeigt, die uns aus der Nahperspektive so leicht zu entgehen drohen.
April fools
Passend zum 1. April: die 100 besten
Aprilscherze der letzten Jahrzehnte. Die Nummer 1 von 1957 ist die Swiss Spagehtti Harvest mit youtube-Video!
Klein four
The path of love is never smooth
But mine's continuous for you
You're the upper bound in the chains of my heart
You're my Axiom of Choice, you know it's true
Was, bitte schön, ist das, mag sich der eine oder andere fragen?! Die Mathematiker unter unseren Lesern werden sich jedoch freuen: Endlich eine klare Sprache, ist der Text doch gespickt mit Anspielungen auf die Mathematik - continuous, upper bound, Axiom...!
Es handelt sich dabei um die erste Strophe des Smash Hits Finite Simple Group (of order two) von der Gruppe klein four. klein four sind eine acapellea Mathematiker-Band der amerikanischen Northwestern University, die mit abgeänderten Coverversionen und eigenen Liedern die Zuhörer amüsieren.
Wer die Gruppe hören möchte, kann dies beispielsweise hier und hier (wenn auch neun Monate zu früh) tun. Die Webseite der Gruppe mit mehr Informationen ist unter http://www.kleinfour.com/ zu finden.
Und für alle Mathematiker und Physiker, aber auch für diejenigen, die sich mit Mathematik eher schwer tun, hier die musikalische Einstimmung auf die nächste erste, zweite oder dritte Ableitung: I will derive!
Nicht nur der Zeit hinterher
Wie die F.A.Z. heute berichtet, haben sich Hochschulrektorenkonferenz, Kultusministerkonferenz und ZVS auf die Einrichtung einer Tauschplattform für Studienplätze geeinigt. Hintergrund ist die von ihnen selbst beschlossene weitgehende Entmachtung der ZVS bei der Studienplatzvergabe. In deren Folge bewerben sich nun allsemsterlich zahlreiche Studienwillige bei mehreren Hochschulen, und akzeptieren dabei je nach Geduld häufig das erste und selten das beste Angebot.
Allein, hat den hohen Damen und Herren der Wissenschaftsbürokratie schonmal jemand gesagt, dass Studienplatztauschbörsen bereits in Hülle und Fülle existieren? So hat die deutsche Hochschulpolitik einmal mehr bewiesen, dass sie ihrer Zeit hinterher ist. Nicht nur, weil der Vorstoß erst jetzt kommt, sondern auch, weil es tatsächlich Serviceleistungen gibt, die kommerzielle Anbieter mindestens genau so gut (weil effektiv und kostensparend) abdecken können.
Nerds III
Menschen können ja sooo kompliziert sein. Wie viel einfacher und schöner ist da die Kommunikation Mensch-Maschine? Und wie wunderbar ist es da erst, wenn Maschine mit Maschine kommuniziert?!
Dass dies weit über den Austausch von Nullen und Einsen hinausgehen kann, zeigt der im Juni letzten Jahres erschienene Film WALL-E. Die Erde wurde von uns Menschen endgültig zugemüllt und verlassen. Während die Nachkommen der letzten Erdbewohner nun schon 700 Jahre auf einem Vergnügungsraumschiff leben, von Robotern umsorgt und unfähig, sich selbst zu bewegen oder die reale Welt wahrzunehmen, wird auf der Erde aufgeräumt. Von einem einzigen, letzten Roboter: WALL-E, dem Waste Allocation Load Lifter – Earth-Class. Dieser hat in den Jahrhunderten der Einsamkeit dazugelernt, ist emotional, sammelt Lieblingsstücke und träumt von der Liebe, die er, wie soll es anders sein, von einem Video mit einem Musicalfilm lernt. Eines Tages kommt eine nagelneue Raumschiffdrohne auf der Suche nach Leben auf die Erde. Für WALL-E ist es (zunächst unerwiderte) Liebe auf den ersten Blick. Als die Drohne wieder vom Mutterschiff abgeholt wird, gibt es auch für WALL-E kein Halten und er folgt ihr ins Abenteuer.
Der Film funktioniert, auch wenn die Handlung nur bedingt überraschend ist, durch die unnachahmliche Darstellung der Schauspieler, das heißt, der animierten Figuren. Wenn man sieht, wie sehnsüchtig, traurig, glücklich oder wütend WALL-E mit seinen Fernglasaugen schauen kann, vergisst man die Maschine und sieht den Menschen.
Für Nerds ein Pflichtprogramm, aber auch für alle anderen eine gute Wahl als Abwechslung zum hundertsten Liebesfilm ala Hollywood.
Nerds II
Nerds werden unterhaltungstaulich. Die US-amerikanische Sitcomserie The Big Bang Theory, welche bereits in der zweiten Staffel beim US-amerikanischen Sender CBS läuft, portraitiert vier Nerds schlechthin:
Sheldon, der hochintelligente, aber leider völlig lebensuntaugliche theoretische Physiker, Howard, Raumfahrtingenieur, dessen siebziger Jahre Hemden immer ein wenig zu eng sind, der bei seiner Mutter wohnt, in schwarzer Satin-Bettwäsche schläft und sich für absolut unwiderstehlich hält, der indisch-stämmigen Physiker Rajesh, der kein Wort sagt, solange sich eine Frau in der Nähe befindet und nicht zuletzt Leonard, der eigentlich ganz normal ist und versucht, zwischen der Welt seiner Freunde und der Draußenwelt, dargestellt durch die Nachbarin Penny, die natürlich jung, knackig, blond und Kellnerin ist.
Es geht um den coolsten Roboter, die neuesten Computerspiele, um Star Trek und um das zwischenmenschliche Miteinander, das ja sooo kompliziert sein kann.
Nerds lieben Nerds, deshalb schadet es nicht, wenn man selbst ein kleines bisschen Nerd ist, um diese Serie zu mögen. Aber auch alle anderen werden ihren Spaß daran haben. Leider läuft sie noch nicht im deutschen TV, aber wer einmal die Chance hat, eine Folge zu sehen, dem sei dies wärmstens empfohlen.
Hier kann man sich Ausschnitte aus der Serie Big Bang Theory anschauen!
Nerds I
Junge Wissenschaftler kommen in der Öffentlichkeit nicht immer gut weg. Das ist ja wieder so ein Nerd, heißt es dann. Eine Definition von „Nerd“ ist schwierig und im Rahmen der üblichen Nachschlagewerke nicht zu finden. Wikipedia, ein Projekt von Nerds und mit Nerds, wenn man so sagen will, versucht sich mit einer Definition. Was herausgekommen ist, ist eher Beschreibung, als Definition. Nerds, so die Quintessenz, sind lebensfremde Typen ohne maßgebliche soziale Kontakte, eigenbrötlerisch, jenseits von Gesellschaft und Moden, aber oftmals (in einem Fachgebiet) hoch intelligent und engagiert. Nerds, so heißt es dort, sind die junge Form des verrückten Professors: gern karikiert dargestellt mit wilder Mähne, Hornbrille und einer Kleidung, die aus der Jugend des Vaters stammen könnte.
Wurden Nerds bisher von Außenstehenden eher abwertend beurteilt, so hat sich das geändert. Das Deutschlandradio-Feature “Nerds, Geeks und Freaks“ vom 4. Januar 2008 kommt zu dem Schluss, dass Nerds die großen Gewinner der letzten Jahre sind. Sie haben das Wissen und die Kompetenzen, um weiterzukommen. Es ist schick, ein Nerd zu sein.
Wenn junge Forscher Nerds sind, und sciencegarden DAS Magazin für junge Forschung ist und Nerds im kommen sind: Dann dürfte auch die Zukunft für sciencegarden gesichert sein!