Eine schnelle Promotion mit Selbstverdichtendem Beton

Iris MarquardtIris Marquardt hat geschafft, was unmöglich scheint. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren konnte sie ihre Promotion erfolgreich abschließen. Mit 27 Jahren wurde sie so die jüngste Doktorin unter deutschen Bauingenieuren - und das, obwohl sie auch in der Lehre sowie bei anderen Projekten des Institutes an der TU Rostock mitgearbeitet hat.


„Ich hatte das Glück, schnell ein Thema für meine Promotion zu finden“, so benennt Frau Marquardt einen Grund für ihren Erfolg, denn, „oft dauert die Suche nach einem geeigneten Thema bereits ein oder zwei Jahre“. Iris Marquardt hat sich in ihrer Arbeit mit so genanntem „Selbstverdichtenden Beton“ (SVB) beschäftigt, der in den achtziger Jahren in Japan entwickelt wurde. Dort, aber auch in Skandinavien wird dieser Beton bereits vielfach eingesetzt. In Deutschland war es bisher nicht, oder nur in Einzelfällen möglich, mit Selbstverdichtendem Beton zu bauen, da dessen Herstellung noch nicht DIN-genormt ist. Gegenüber normalem Beton hat der SVB ein höheres Fließvermögen.

Selbstverdichtende Betone (SVB)
Selbstverdichtender Beton wird auf der Baustelle eingebautSelbstverdichtender Beton kann jeden Hohlraum einer Form (Schalung) ohne äußere Verdichtungsarbeit ausfüllen. Die Verdichtung des SVB wird allein durch Schwerkraft erreicht. SVB unterscheiden sich durch einen hohen Mehlkorngehalt (Betonzusatzstoffe) und dem Anteil an hochwirksamen Fließmitteln von herkömmlichen Betonen.

Normalerweise muss man Beton, ein Gemisch aus Zement, Zuschlag, Wasser sowie Zusatzstoffen und -mitteln verdichten, nachdem man ihn in die gewünschte Form gebracht hat. Beim Verdichten wird der Beton durch mechanische Geräte wie Rüttelplatten oder Rüttelbirnen in Schwingungen versetzt. Durch das Rütteln werden die noch im Gefüge vorhandenen Hohlräume ausgetrieben, da sie die Festigkeit des Betons herabsetzen. Es würde die Gefahr bestehen, dass er zu früh versagt. Das Verdichten ist jedoch mit vielen Nachteilen verbunden: hohe Lärmbelastung für die Umwelt und dadurch eingeschränkte Betriebszeiten auf Baustellen, aber auch die Gefahr von Gesundheitsschäden für die Arbeiter. Nicht zuletzt ist Verdichten teuer, da es Zeit und Arbeitskraft kostet. Bei SVB entfallen alle diese Nachteile. Aufgrund eines hohen Anteils an Feinststoffen sowie durch hochkonzentrierte Fließmittel, die dem Beton zugegeben werden, erreicht man bei passender Rezeptur, dass der Beton sich allein durch die Schwerkraft verdichtet.

Andererseits sind SVB teurer als herkömmliche Betons, doch dieser Preisunterschied wird durch seine Vorteile meist aufgewogen. Doch es gibt ein zweites, weit gravierenderes Problem: SVB reagiert besonders empfindlich auf Schwankungen in den Ausgangsstoffen. Für jeden Anwendungsfall ist es deshalb notwendig, erneut aufwendige Versuche durchzuführen, um die passende Betonmischung zu ermitteln.

BetonFeinststoffe
Betonzusatzstoffe sind feinste mineralische Bestandteile mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Beton. Sie haben z.B. den Effekte, dass das Bluten des Betons, also die Absonderung von Wasser aus dem noch frischen Beton, verhindert wird. Selbstverdichtender Beton hat einen besonders hohen Anteil von Betonzusatzstoffen (z.B. Flugasche oder Kalksteinmehl).

Iris Marquardt hatte sich bereits im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der TU Hannover mit Beton und Fließmitteleinsatz beschäftigt. Da das positive Verhalten von Selbstverdichtenden Betonen vor allem durch den Einsatz von Fließmitteln erreicht wird, beschäftigte sie sich nach ihrem Wechsel an die Universität Rostock besonders mit diesem Thema. Sie begann der Frage nachzugehen, wie man das leidige Problem der zeitaufwendigen Vorversuche umgehen konnte. Unterstützt wurde sie bei ihrer Arbeit von Prof. Jan Vala.

„Die hervorragende Zusammenarbeit mit ihm war sicherlich ein Grund für die schnelle Promotion“ stellt sie fest. „Prof. Vala - obwohl oder gerade weil - bereits im „UnRuhestand“, stand mir immer als Gesprächs- und Ansprechpartner zur Verfügung. Manchmal reicht es ja schon, wenn man seine Gedanken einem anderen darlegt, um selbst neue Wege zu sehen. Für die viele Zeit, die er für unsere Diskussionen erübrigt hat, bin ich ihm wirklich sehr dankbar.“

Durch eine Reihe von Versuchen stellte Frau Marquardt fest, dass vor allem Variationen im Wasseranspruch der Ausgangsstoffe – also dem Wasserbedarf, der benötigt wird, um die Oberflächen aller Partikel zu benetzen – Auswirkungen auf die Qualität des fertigen Betons haben. Es musste eine Weg gefunden werden, die Wasseransprüche der einzelnen Stoffe einfach zu ermitteln, um darauf aufbauend die genaue Rezeptur des Betons festzulegen.

Fließmittel
Durch den Einsatz von Betonzusatzmitteln können bestimmte Eigenschaften des Betons gezielt beeinflusst werden. Fließmittel haben eine Verflüssigung des Betons und damit eine leichte Verarbeitbarkeit zur Folge.

Die Lösung, die im Rahmen der Promotion entwickelt wurde, ist so einfach wie genial. Der Wasseranspruch wird in einem modifizierten Mörtelmischer bestimmt. Die einzelnen Ausgangsstoffe werden in den Mischer gegeben. Unter beständigen Drehen der Trommel wird Wasser zu den Stoffen gegeben. Gleichzeitig wird die Leistungsaufnahme, also die Energiemenge, die dazu benötigt wird die Trommel mit einer konstanten Drehzahl zu drehen, festgehalten. Schaut man sich die Ergebnisse an, so sieht man, dass die Kurve der Leistungsaufnahme mit zunehmender Wassermenge zunächst stark ansteigt und ein Maximum erreicht, bevor sie wieder steil abfällt. Die Wassermenge, bei der das Maximum der Leistungsaufnahme erreicht wird, entspricht dem gesuchten Wasseranspruch.

Betonkosnsistenz

Zwei Beispiele für das Ergebnis eines Ausbreitversuches, mit dem die Konsistenz, aber auch wie hier zu sehen, die Entmischungsneigung von Betonen überprüft werden kann. Der linke Beton ist gut, beim rechten kann man deutlich sehen, wie sich die flüssigen Bestandteile am Rand absetzen bzw. „weglaufen“.
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Neben den praktischen Versuchen standen stets die theoretischen Betrachtungen. Iris Marquardt untersuchte die Zusammenhänge zwischen den Betonbestandteilen und entwickelte daraus ein Computerprogramm, das die optimale Zusammensetzung der Betonmischung errechnet. In aufwändigen Versuchsreihen wurde dann überprüft, ob die Berechnung auch wirklich korrekt sind. Dabei wurden verschiedene selbstverdichtende Betone auf ihre maßgeblichen Eigenschaften z.B. Festigkeit, Gleichmäßigkeit der Bestandteile, und Schwindverhalten untersucht. Die Ergebnisse bestätigten die Erwartungen und die Thesen von Frau Marquardt.

Wie erfolgreich ihre Promotion ist, konnte Iris Marquardt an der internationalen Resonanz feststellen. So wurde sie nach einer Präsentation ihrer Ergebnisse auf einem Kongress in Japan von der ältesten Baufirma Japans eingeladen, ihre Ergebnisse vor Bauingenieuren und Architekten der Firma zu präsentieren. Nicht zuletzt konnte sie einen Teil ihrer Ergebnisse, nämlich das „Verfahren zur Ermittlung des Wasseranspruchs“ wie es offiziell heißt, zum Patent anmelden. Nachgefragt, was außer der frühen Findung des Themas und der sehr guten Unterstützung durch ihren Doktorvaters noch zu ihrem Erfolg beigetragen hat, gibt sie zu, „dass ein bisschen Zielstrebigkeit natürlich auch schon nötig ist“. Sicherlich wird diese ihr auch dabei helfen, auch die kommenden drei Jahre, die ihr Vertrag an der Uni Rostock noch läuft, erfolgreich zu nutzen.

Warum gilt der Zusammenhang zwischen maximaler Leistungsaufnahme und Wasseranspruch?

Beton-Probewürfel

Der Schnitt durch einen Beton-Probewürfel. Man sieht, dass Beton ein Gefüge aus unterschiedlichen Zuschlagstoffen und Zementleim ist.

Wird der zu untersuchende Stoff in den Mischer gefüllt ist er (relativ) trocken. Die einzelnen Partikel gleiten leicht aufeinander und der Widerstand gegen das Mischen ist gering. Nur eine geringe Leistungsaufnahme durch den Mörtelmischer ist notwendig. Mit zunehmendem Wassergehalt werden die Partikel zunächst teilweise benetzt. Damit beginnen zwischen den Partikel Adhäsionskräfte zu wirken, die zur Folge haben, dass sich die Partikel zu Agglomorationen zusammenfinden. Es ist eine höhere Leistungsaufnahme des Mischers notwendig, um weiter mit der gleichen Drehzahl sich zu bewegen und dabei die Partikelgruppen zu trennen. Sind alle Oberflächen der Partikel gleichmäßig benetzt, so erreichen auch die Adhäsionskräfte ihr Maximum und der Widerstand gegen den Mörtelmischer (und damit dessen Leistungsaufnahme) ist am größten. Wird über diesen Punkt weiter Wasser dem Stoffgemisch zugeführt, so werden die Wasserschichten um die Partikel dicker und Hohlräume zwischen den Partikeln werden gefüllt. Damit steigt der Abstand der Partikel und die Adhäsionskräfte sinken. Gleichzeitig sind auch geringere Scherkräfte notwendig, um die Partikel im Mischer zu bewegen.

Beitrag von Birgit Milius

Links zum Thema

Literatur

  • Marquardt, I.: Ein Mischungskonzept für selbstverdichtenden Beton auf der Basis der Volumenkenngrößen und Wasseransprüche der Ausgangsstoffe, Dissertation. Universität Rostock, 2002.
  • Rostasy, F.: Baustoffe.

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