Mobilmachung gegen Krebs

Papillomvirus - CapsidDie Diagnose “Papillomvirus” ist für viele junge Frauen ein Schock, denn das Virus kann Krebs verursachen. Jetzt wurde eine Impfung erfolgreich getestet und Wissenschaftler in Heidelberg arbeiten an einer neuen Therapie. Unter ihnen ist auch eine junge Forscherin, die für ihre Doktorarbeit schon einen Preis bekommen hat.

Es gibt weit über hundert verschiedenen Arten von Papillomviren. Die meisten von ihnen verursachen nur gutartige Warzen, die nach einiger Zeit von selbst verschwinden. Bei einer Infektion mit den so genannten Hochrisiko-Typen, wie beispielsweise HPV16, kann jedoch nach einigen Jahren Gebärmutterhalskrebs entstehen. Allerdings liegt die Wahrschienlichkeit nach einer Infektion mit HPV-16 an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken bei nur einem Prozent.

Zahlen
Weltweit ist Gebärmutterhalskrebs die zweithäufigste Krebsform bei Frauen. Jährlich erkranken etwa 470000 Patientinnen am “Zervixkarzinom”, 7000 davon in Deutschland.

Aber wie verursacht ein Virus Krebs? Die Viren dringen in menschliche Zellen ein und nutzen deren Mechanismen zur eigenen Vermehrung. Einige von ihnen können Teile ihrer Erbinformation auch in das Genom der menschlichen Zellen einbauen und den zellulären Stoffwechsel massiv verändern. Dadurch können Gene aktiviert werden, die eigentlich ausgeschaltet sein sollten. Durch solche “Transformationen” entstehen Krebszellen.

Zur Bekämpfung des Gebärmutterhalskrebses stehen zwei Ansätze zur Verfügung: Zum einen könnten im Sinne einer herkömmlichen Impfung junge Frauen schon vor jedem Kontakt mit dem Virus geimpft werden. Experten meinen heute, dass eine solche Impfung Standard werden wird, genau wie eine Impfung gegen Röteln. Solch ein präventiver Impfstoff wurde jetzt erfolgreich getestet: eine Studie mit 2000 Frauen hat gezeigt, dass die prophylaktische Impfung vor dem Virus schützt. Wie lange der Schutz jedoch anhält, kann man heute noch nicht sagen.

Viren und Krebs
Auch viele andere Viren verursachen Krebs. Und immer wieder werden neue Verdächtige gefunden. Der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, das Epstein-Barr-Virus, soll an der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms beteiligt sein. Das Humane Herpes Virus 8 spielt eine Rolle beim Karposi Sarkom und Hepatitis B kann Leberkrebs nach sich ziehen. Insgesamt etwa 15 Prozent aller Krebserkrankungen sind auf vorhergegangene Virusinfektionen zurückzuführen.

Wenn die Ärzte gegen diese Viren impfen könnten, würde auch die Zahl der Tumoren zurückgehen. Dass diese Idee funktioniert, hat bereits eine Kampagne in Taiwan gezeigt: Dort geht jetzt die Zahl der Leberkrebsfälle langsam zurück, nachdem man vor etwa zwanzig Jahren Massenimpfungen gegen Hepatitis B durchgeführt hat. Genauso soll nun eine Impfung gegen HPV vor dem Gebärmutterhalskrebs schützen.

Zum anderen könnte vielleicht sogar schon bald therapeutisch geimpft werden: Bei bereits infizierten Patientinnen, welche schon Krebsvorstufen oder Krebs entwickelt haben, soll das Immunsystem spezifisch aktiviert werden, und so die vom Virus befallenen Zellen , also die Krebszellen abgetötet werden. Solch eine Impfung wäre eine Therapie gegen Krebs.

Das ist ein sehr hoch gestecktes Ziel, denn es geht darum, das Immunsystem dazu zu bringen, die Krebszellen abzutöten, obwohl es im Normalfall nicht gegen körpereigene Zelle vorgeht. Dafür könnte man die Tatsache ausnutzen, dass jede Krebszelle eine Zelle ist, die den Virus in sich trägt. Damit können die Krebszellen markiert und für das spezifisch aktivierte Immunsystem ‚sichtbar’ gemacht werden.

Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) haben jetzt vielleicht dieses Kunststück vollbracht. In Zusammenarbeit mit der Firma MediGene in Martinsried entwickelte die Arbeitsgruppe für Genomveränderungen und Carcinogenese von Lutz Gissmann einen Impfstoff, der jetzt in der ersten klinischen Studie getestet wird.

Für die therapeutische Impfung nutzen die Wissenschaftler so genannte “Virusmarker” auf den Zellen. Das sind Proteine des Virus, die auf der Oberfläche der infizierten Zelle vorhanden sind. Wird das Immunsystem des Patienten auf diese Virusmarker aufmerksam gemacht, kann es bestimmte Immunzellen bilden, die kranke Zellen zerstören.

Die Kunst besteht nun darin, diese Immunzellen zu aktivieren. Dazu konstruierten die Forscher eine Kapsel, die der Virushülle sehr ähnlich, aber nicht infektiös ist. “Solche Chimären Virus Like Particles enthalten zwar die Markerproteine, aber keine virale Erbinformation”, erklärt Eva Jasmin Freyschmidt. In ihrer Doktorarbeit untersucht die 27-jährige Biologin die Reaktion von so genannten “Dendritischen Zellen”. Das sind Zellen des Immunsystems, die in der Aktivierung der Abwehrzellen eine zentrale Rolle spielen. Wenn ein Fremdstoff in den Körper eindringt, nehmen die Dendritischen Zellen den “Feind” auf und zeigen ihn den anderen Immunzellen, so dass diese den Feind dann zerstören können.

“Ich schaue mir in der Zellkultur und bei Mäusen an, wie gut die Dendritischen Zellen unsere Partikel präsentieren und wie ich sie dann dazu bringen kann, die Partikel noch besser zu präsentieren”, erklärt Freyschmidt. Für ihre Arbeit hat sie eine Auszeichnung und ein Reisestipendium des DKFZ bekommen. Im Juni will sie ihre Doktorarbeit abschließen.

Was die Wirkung der Chimären Virus Like Particles angeht, ist die junge Biologin, wie auch der Arbeitsgruppenleiter Lutz Gissmann sehr optimistisch: “Im Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass die Induktion von T-Zellen gegen diese Proteine das Wachstum der Tumoren unterdrückt”. Doch bis die Impfung alle klinischen Studien bestanden hat, kann es noch einige Jahre dauern.

Die andere, präventive Impfung hingegen wird wahrscheinlich schneller auf dem Markt sein, nachdem sie nun schon eine große klinische Studie erfolgreich bestanden hat.

Chimären Virus Like Particles

Forscher auf dem MeerDiese kleinen Bälle sollen bei einer Impfung injiziert werden. Sie heißen "Chimäre Virus Like Particles" (CVLPs) und sehen für das Immunsystem des Körpers so aus, wie ein Virus. Sie sind aber nicht infektiös. Oben sind mikroskopische Aufnahmen zu sehen, unten Computermodelle.

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Diagnose HPV? - Praktisches

Sehr viele junge Frauen infizieren sich beim Geschlechtsverkehr mit HPV. Wenn sie die Diagnose vom Arzt bekommen, ist der Schock erst einmal gross. Was bedeutet die Diagnose? Haben auch Männer HPV? Und wie funktioniert die Untersuchung?

Gunther Bastert, Leiter der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft erklärt: “Die Durchseuchung ist sehr hoch, etwa zwei Drittel aller Frauen hatten mal Kontakt mit den Hochrisiko-Typen”. Aber: Nicht jede von ihnen bekommt Krebs, denn sonst hätten ja zwei Drittel aller Frauen auch ein Zervixkarzinom. Bei einem Großteil verschwindet das Virus nach einiger Zeit wieder. Bei denjenigen, bei denen das Virus jedoch über das 30. Lebensjahr hinaus im Körper verbleibt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie an Gebärmutterhalskrebs erkranken.

Die Diagnose HPV sollte also keine Panik auslösen, sondern nur die Aufmerksamkeit schärfen: Hiermit ist nicht zu spaßen. Es ist wichtig, über Jahre hinweg zu Kontrolluntersuchungen zu gehen.

Männer mit HPV-Diagnose haben keinen Krebs zu befürchten. Sie haben Warzen am Genital, die aber manchmal sehr schlecht zu erkennen sind. Sie können ihre Partnerin anstecken, daher sollten sie die Warzen behandeln lassen. Kondome schützen.

Die Standarduntersuchung für Gebärmutterhalskrebs bei Frauen ist der Pap-Abstrich, der nichts mit den Papillomviren zu tun hat, sondern nach dem Erfinder Papanicolaou benannt ist. Beim Pap-Test untersucht der Arzt die Zellen der Patientin unter dem Mikroskop. Ein zusätzlicher Virustest kann gemacht werden.

Ebenfalls wichtig: Wenn eine Frau die Krankenkasse wechselt, ist irgendwo im Kleingedruckten oft auch ein Häkchen zu machen bei der Frage, ob die Antragstellerin eine HPV-Infektion hatte, oder nicht. Wenn es also mal einen Test auf HPV gegeben hat, und dieser positiv war, muss das hier auch angegeben werden – sonst zahlt die Krankenkasse nicht, wenn die Patientin Gebärmutterhalskrebs bekommt.

Beitrag von Sina Bartfeld
Bildquelle: Eva-Jasmin Freyschmidt

Links zum Thema

  • Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft
  • Die Website des DKFZ

Zur Person

Eva-Jasmin FreyschmidtEva-Jasmin Freyschmidt ist hübsch. Aber das ist auch alles, was sie mit dem Stereotyp “Blondine” gemein hat. Sie mischt nicht nur an der Spitze der HPV-Forschung mit, sondern kann auch ganz patent und einfach die kompliziertesten biologischen Vorgänge beschreiben. Erst im Dezember letzten Jahres trat sie als Expertin bei der Heidelberger Veranstaltung “Science goes public” auf. Im öffentlichen Gespräch mit der Oberbürgermeisterin von Heidelberg erklärte sie hier die Impfung gegen Krebs. Eine Blondine, die unseren “Stein der Weisen” verdient hat.

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Themen: Medizin

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