Liebe auf den ersten Blick
Stellen Sie sich das Gesicht ihres Partners vor. Oder das des Ex. Wie sehr ähnelt es dem Ihren? Wenn es nach der Autorin Suzi Malin geht, ist dies die alles entscheidende Frage, ob ihre Beziehung gelingen wird. Oder sie beantwortet Ihnen, warum es mit dem Ex schief gegangen ist.
Die Begründung für ihre Theorie liefert Malin in ihrem jüngst erschienenen „Liebe auf den ersten Blick“: Die Künstlerin komponierte aus einer linken und einer rechten Gesichtshälfte eines Paares jeweils ein Gesamtgesicht. Anhand der Bilder erfährt der Leser, warum David und Victoria Beckham oder Steffi Graf und Andre Agassi so gut zueinander passen und warum die Beziehung zwischen Lady Diana und Prinz Charles scheitern musste.
Warum gleichen sich Partner?
Die einfachen Erklärungen…
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Diese Kollagen sind in der Tat verblüffend. Der Betrachter wird von der Suggestivkraft dieser Bilder unwillkürlich in den Bann gezogen und läuft dadurch Gefahr, Malins These einfach unhinterfragt zu glauben. Leider bleiben ihre Geschichten rund um die prominenten Fallbeispiele nichts als eben dies: bloße Geschichten, Unterhaltung – anstelle ihrer Tipps zum Finden des idealen Partners könnte man genauso gut das Liebeshoroskop einer Frauenzeitschrift lesen.
Alles also nur Humbug? So einfach ist es auch wieder nicht. Tatsächlich gibt es ernst zu nehmende Indizien dafür, dass die Ähnlichkeit von Gesichtern ein Kriterium bei der Partnerwahl ist. Zeigt man beispielsweise Versuchspersonen einzelne Fotos von Menschen, die im Leben ein Paar sind, und bittet sie, zuzuordnen, wer zu wem gehört, dann liegt ihre Trefferquote deutlich über der Ratewahrscheinlichkeit.
Probieren sie es einmal selbst! Im Folgenden sehen sie zwei Paare abgebildet: Welche Frau ist mit welchem Mann zusammen?

Bestimmt mussten Sie nicht lange überlegen. Die meisten Leute meinen, dass Person A und C sowie B und D ein Paar sind. Doch wie kommen sie zu diesem Urteil? Liegt es wirklich daran, dass sich diese Personen ähneln?
Beeinflusst sexuelle Prägung die Partnerwahl?
Sigmund Freud vertrat die These, alle Söhne würden unbewusst ihre Mutter und alle Töchter ihren Vater sexuell begehren…
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Attraktivität aus evolutionärer Sicht
Obwohl die Faktenlage zur Ähnlichkeit als Partnerwahlkriterium noch recht dürftig ist, gibt es bereits Mutmaßungen über deren evolutionären Sinn…
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Ein Experiment des britischen Psychologen David Perrett in Großbritannien zeigt einen Teil der Auflösung. Er fotografierte Porträts von Versuchspersonen und verwandelte mit einer speziellen Computersoftware männliche Gesichter in weibliche und umgekehrt. Anschließend legte er seinen Probanden eine Reihe Bilder des anderen Geschlechts vor und ließ deren Attraktivität beurteilen. Unter diesen Gesichtern befand sich auch eines mit ihrem eigenen Konterfei, das jedoch dank der Manipulationen am PC männlicher oder weiblicher aussah.
Das Resultat: Viele Betrachter fanden den andersgeschlechtlichen Gegenpart ihres eigenen Abbilds außerordentlich attraktiv. Sie erkannten sich zwar nicht bewusst wieder, fühlten sich aber irgendwie angesprochen. Sind wir etwa alle Narzissten, verliebt in unser eigenes Spiegelbild? Hätten wir als Partner am liebsten einen Klon von uns selbst, nur mit einem anderen Geschlecht? Oder erkennen wir womöglich im gegengeschlechtlichen Abbild unseren eigenen Vater oder unsere eigene Mutter wieder, denen wir natürlich meist auch ähnlich sehen, weil wir mit ihnen verwandt sind?
Sigmund Freud würde dies jetzt energisch bejahen – viele heutige Forscher würden Tierexperimente ins Feld führen ( siehe Kasten ). Es gibt jedoch noch andere Erklärungen.
Kommen wir noch einmal auf die oben abgebildeten vier Gesichter zurück: Die Frage lautete, welche der Personen jeweils ein Paar bilden. Die meisten Leute antworten darauf mit A & C sowie B & D. Bildet man – so wie bei den Gesichtern von Suzi Malin – zusammengesetzte Gesichter aus den Gesichtshälften dieser Paare, erhält man folgende beiden Kollagen:
Wie man sieht, passen die Gesichtshälften ausgesprochen gut zueinander. Zum Vergleich die Gegenprobe:
Keine Frage, die obere Kombination ist die richtige! In Wirklichkeit gibt es jedoch die oben abgebildeten Personen gar nicht – sie wurden von einem Computer berechnet. Es sind die Prototypen für ein attraktives und ein unattraktives Antlitz eines jeden Geschlechts. So ist die schöne Frau aus den vier als am schönsten bewerteten weiblichen Gesichtern einer repräsentativen Stichprobe berechnet worden – das unattraktive dagegen aus den vier unattraktivsten (für Näheres siehe www.beautycheck.de ).
Diese Prototypen sind aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen lassen sich durch den direkten Vergleich des Unattraktiven mit dem Attraktiven unmittelbar die Merkmale ablesen, die ein Gesicht anziehend wirken lassen. Zum anderen zeigt sich: Ein hübsches Frauengesicht unterscheidet sich nicht sehr von seinem männlichen Pendant. Beide sind schmal, haben braune Haut, volle Lippen, ausgeprägte Wangenknochen, konkave Wangen und dunkle Augenbrauen. Für hässlichere Gesichter gilt dasselbe, nur umgekehrt.
Sind Partner sehr schön, dann haben sie auch eine hohe Ähnlichkeit untereinander, weil sie beide trotz ihres verschiedenen Geschlechts dieselben begehrenswerten Gesichtsmerkmale besitzen. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es kein Wunder, dass David und Victoria Beckham sich gleichen. Beide sind einfach sehr attraktiv.
Doch Partner ähneln sich nicht nur, weil sie vergleichbar attraktiv sind. Es steckt noch mehr dahinter.
Dass zwei Partner oft ähnlich attraktiv sind, ist seit langem bekannt und gut untersucht. Eine Analyse des Psychologen Alan Feingold an der Yale Universität in New Haven, Conneticut, in der die Ergebnisse von 19 Studien mit mehr als 1600 Paaren ausgewertet wurden, zeigte: Wer selbst schön ist, hat eher auch einen schönen Lebensgefährten, und wer selbst hässlich ist, hat eher ein hässliches Pendant. Der Zusammenhang hierbei ist mittelstark, das heißt, es gibt natürlich auch Ausnahmen. Dieser Effekt ist in der Forschung unter der Bezeichnung „Attraktivitäts-Matching“ bekannt.
Der Partnermarktwert
Es gab die Hypothese, jeder würde einen möglichst gleich attraktiven Lover suchen – nicht attraktiver, da sonst das Risiko bestehe, dass der Schönere fremdgehe…
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Ein Phänomen steht jedoch in Widerspruch zur „Partnerähnlichkeits-Hypothese“: Es ist der Umstand, dass wir am anderen Geschlecht genau die Merkmale sexy finden, die typisch für das andere Geschlecht sind. So gelten zum Beispiel bei Männern ein kräftiger, breiter Unterkiefer, Augenbrauenwülste, eine eher etwas größere Nase und dicke tiefliegende Augenbrauen als attraktiv – bei Frauen sind es jedoch genau die entgegengesetzten Merkmale, nämlich ein kleines Kinn, ein zierlicher Unterkiefer, eine kleine Nase, eine gewölbte Stirn und dünne, hoch liegende Augenbrauen (generell Merkmale des sogenannten Kindchenschemas .
Hier hat die Ähnlichkeitsthese definitiv ihre Grenze: Ein besonders männlich aussehender Mann würde bestimmt keine Liebste haben wollen, die genauso männlich aussieht wie er. (Diese Vorliebe für typische Merkmale des anderen Geschlechts berücksichtige ja auch das Aufsehen erregende Perrett-Experiment: Ähnlichkeit ja, aber mit den Merkmalen des anderen Geschlechts!)
Oder liegt gerade hier der Schlüssel für die Erklärung von Ähnlichkeiten, die sich nicht auf ähnliche Attraktivitätswerte von Paaren reduzieren lassen? Hat zum Beispiel eine Frau einen besonders markanten Unterkiefer, sieht dies zunächst einmal unvorteilhaft und unweiblich aus. Es könnte jedoch sein, dass sie gerade deswegen einen Mann bevorzugt, der einen mindestens ebenso kräftigen Unterkiefer besitzt wie sie. Denn bei einem Typen mit einem runderen, zierlicheren Kinn wären sozusagen die typischen Geschlechtsmerkmale „vertauscht“ und jeder würde neben dem anderen unvorteilhaft wirken.
Bei einem anderen Merkmal ist diese Regel gut belegt, nämlich bei der Körpergröße: Frauen wollen in der Regel Männer, die größer sind als sie selbst, umgekehrt wählen die Herren der Schöpfung gerne kleinere Damen. Möglicherweise gilt dies auch für Charakterzüge des Gesichts, bei denen es geschlechtstypische Unterschiede gibt. Wenn dies tatsächlich ein Kriterium für die Partnerwahl wäre, wäre sichergestellt, dass Er stets männlicher aussieht als Sie und Sie weiblicher als Er. Dies wäre eine Erklärung für auffällige Einzelmerkmale zwischen zwei Partnern, zum Beispiel wenn beide einen besonders kleines Kinn haben (typisch weiblich) oder eine große Nase (typisch männlich).
Was bedeutet dies alles für unsere eigene Suche nach einem Partner? Sollen wir gezielt nach jemandem suchen, der uns ähnlich sieht? Und was sagt die Ähnlichkeit im Aussehen oder der Attraktivität über das Gelingen einer Partnerschaft aus? Eigentlich gar nichts. Viel wichtiger als das Äußere sind die vielzitierten „Inneren Werte“ – auch dort gesellt gleich und gleich sich gern: Gleiche Interessen und Hobbys, vergleichbare Einstellungen, Werte und Weltanschauungen, Übereinstimmungen in Herkunft, Kultur, Religiosität, Bildung, Intelligenz, Lebensstil und Lebensziel. Die wissenschaftliche Psychologie weiß dies seit den 50er Jahren, und irgendwie hat unsere Oma das auch schon immer gesagt. Oder wie der US-Psychologe David Buss es einmal formuliert hat: Paare können nicht den geringsten Unterschied zwischen sich ertragen – außer einen einzigen, das Geschlecht.
Links zum Thema
- Forscher der Universität St Andrews haben Online-Experimente, die man selbst ausprobieren kann
- Informationsseite zur Attraktivitätswahrnehmung von Gesichtern
- Ein Artikel in der Süddeutschen
- Der ORF über Frauen, die den Vater suchen
- Die Welt über die Suche nach der Mutter
- Ähnlichkeit mit dem Vater bei wissenschaft.de
- Beispiel für eine Boulevard-Seite mit Kollagen von Suzi Malin
- Die Kollagen Suzi Malins mit Kommentaren der Autorin
Zur Person
Martin Gründl ist Psychologe, arbeitet zur Zeit als Doktorand an der Universität Regensburg und ist Redakteur dieses Magazins.
Literaturliste
- Etcoff, N. (2001). Nur die Schönsten überleben. Die Ästhetik des Menschen. München: Hugendubel.
- Grammer, K. (1995). Signale der Liebe. Die biologischen Gesetze der Partnerschaft. München. dtv.
- Henss, R. (1998). Gesicht und Persönlichkeitseindruck. Göttingen: Hogrefe.
- Henss, R. (1992). „Spieglein, Spieglein an der Wand“. Geschlecht, Alter und physische Attraktivität. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
- Malin, S. (2004). Liebe auf den ersten Blick. Warum wir lieben, wen wir lieben. Dorling Kindersley.