Das Schweigen der Gene

*
HIV verlässt die Zelle –
200000-fache Vergrößerung.
» vergrößern

Die RNA Interferenz ist die neue Lieblingswaffe der Biologen und Mediziner. HIV, Hepatitis, Marburg-Virus – die neue Technik soll sie eines Tages alle schlagen. Noch dieses Jahr werden die Ergebnisse der ersten klinischen Studie am Menschen erwartet.

Die wahrscheinlich größte biologische Entdeckung der letzten zwanzig Jahre begann mit einem Rückschlag. Mitarbeiter der Biotech-Firma DNA Plant Technology Corporation in Kalifornien wollten Petunien mit besonders violetten Blüten erzeugen. Doch anstatt satter Farbenpracht zeigte sich bei ihren Versuchspflanzen ein einziger Fleckenteppich: die Blüten waren violett-weiß gescheckt, einige sogar ganz weiß. Auch in anderen Arbeitsgruppen passierten in dieser Zeit ähnliche Missgeschicke. Kontrollversuche schlugen plötzlich fehl und zu allem Überfluss war das auch noch reproduzierbar. Was in aller Welt ging nur schief?

Die Entdeckung
Im Jahr 1990 publizierten einige Wissenschaftler Artikel über rätselhafte Phänomene, über die sie gestolpert waren. Sie nannten sie „Cosuppression“ oder „Quelling“. Einen interessanten Überblick über die damalige Entwicklung gibt ein Artikel von 2004 in dem Fachmagazin Plos.

Was damals, um das Jahr 1990 herum, die Wissenschaftler zum Verzweifeln brachte, wird heute bejubelt. Denn mit der Technik, über die unter anderem die Gruppe um Rich Jorgensen damals zufällig gestolpert war und die heute „RNA Interferenz“ (kurz RNAi) genannt wird, kann jedes beliebige Gen in einer Zelle abgeschaltet werden. Jorgensen hatte aus Versehen das Gen für ein Enzym unterdrückt, das die violette Farbe in den Blumen bildet. Dadurch wurde das Enzym nicht mehr hergestellt und damit gab es an diesen Stellen in der Blüte keine Farbe mehr.

Seit dieser Entdeckung ist die Entwicklung im Eiltempo fortgeschritten. Der Durchbruch kam, als es Thomas Tuschl im Jahr 2001 als erstem gelang, die RNAi bei menschlichen Zellen einzusetzen – ein Meilenstein, für den Tuschl vielleicht eines Tages den Nobelpreis verliehen bekommen könnte.

Thomas Tuschl
Thomas Tuschl
Bild: MPG

Heute wollen Forscher Krebsgene ausschalten, Viren in ihrer Fortpflanzung stören und Antibiotika-resistenten Bakterien den Garaus machen. Dabei gibt es ein entscheidendes Problem: Wie bringe ich die notwendigen Moleküle an die richtige Stelle? Eine Pharmafirma hat zumindest für eine Anwendung einen Lösungsvorschlag: Ihre RNAi-Therapie gegen die feuchte Makuladegeneration, eine der häufigsten Ursachen für Altersblindheit, wird bereits in einer klinischen Phase I-Studie getestet.

Beitrag von Sina Bartfeld

Links zum Thema

  • Der RNAi-Forscher Thomas Tuschl brachte die Technik in den Menschen.
  • Der Stern besucht Thomas Tuschl in New York.
  • Für Forscher: Wie designe ich eine RNAi? Die Firma Promega gibt genaue Anleitung
  • Eine Einführung mit vielen Zitaten aus Originalarbeiten von der Firma Ambion.
  • Deutsche RNAi-Forschungsgruppen – wer bekommt vom Bund Finanzierung?

Zur Person

Sina Bartfeld ist Redakteurin bei sciencegarden und Doktorandin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Sie arbeitet selbst mit RNA-Interferenz im Labor.

Kategorien

Themen: Genforschung | Medizin

Neueste Kommentare

backprinttop

Newsfeeds

Online-Recherche

Suchmaschinen, Infos, Datenbanken » mehr

DFG Science TV

Rezensionen

Buchrezensionen der sg-Redaktion » mehr

Wettbewerbe

Forschungswettbewerbe in der Übersicht » mehr

Podcasts

Übersicht wissenschaftlicher Podcast-Angebote » mehr

Mitmachen

/e-politik.de/

Aktuelle Beiträge:

Raumfahrer.net

Aktuelle Beiträge:

Anzeige

Maximow Award

Anzeige