"Nicht unbedingt sehr freundlich!"
sg: Wo kommst Du her und was hat Dich bewegt hier zu studieren?
NC: Ich komme aus Trinidad und habe einen Onkel, der hier wohnt. Er meinte, ich solle einmal hierher kommen um zu sehen, wie es hier aussieht. Ich könne dann auch die Sprache lernen und weitersehen. Die Sprache habe ich an der Fachhochschule in Köln gelernt und bin dann hier geblieben. Es gibt Kurse dort für Leute, die in Deutschland studieren wollen. Zwei Semester waren das, es war schön dort.
sg: Bist du nach dem Abitur nach Deutschland gekommen?
Trinidad ist ein Inselstaat zwischen Karibik und Atlantik. Er liegt nordöstlich von Venezuela, und die Durchschnittstemperatur beträgt dort 25°C. In diesem Jahr war Trinidad zum ersten Mal bei der Fußball-WM dabei, allerdings nur in der Vorrunde.
NC: Nein, nach dem Abitur habe ich erst gearbeitet. Ich wusste auch gar nicht, was ich studieren sollte. Erst einmal bin ich einfach nach Deutschland gekommen. Man muss die Sprachprüfungen hier bestehen, aber das heißt nicht, dass man dann auch Deutsch sprechen kann. Ich konnte Deutsch lesen und gut verstehen, aber noch nicht sprechen. Einige Dinge habe ich auch am Anfang nicht hingekriegt, als ich mich an der Uni Bonn und Köln beworben habe. Aber die anderen im Studentenwohnheim haben mir geholfen.
sg: Was wolltest Du studieren?
NC: Ich habe zuerst Geographie studieren wollen, sie haben mich auch angenommen. Kurz vor dem Vordiplom aber gab es ein Seminar, da wurde darüber gesprochen, was man später als Geographin so macht: Na ja, einen Job bekommt man nicht unbedingt, wurde gesagt. Da habe ich noch einmal nachgedacht. Ich wollte immer den Schwerpunkt auf das Wetter setzten, und ich bin zur Meteorologie gewechselt. Aber das geht nicht so leicht hier, ein Studienfach wechseln – Ausländer dürfen eigentlich nicht wechseln. Aber die Meteorologie-Leute waren sehr hilfreich und nett und sie haben es hinbekommen, dass ich wechseln durfte.
sg: Ich wusste gar nicht, dass es solche Regeln gibt.
NC: Ich auch nicht, aber es gibt hier sehr viele Regeln nur für Ausländer. Ich habe sie oft erst bemerkt, als irgendetwas passiert ist! Die Regeln, die man kennt, die sind zur Orientierung manchmal nicht schlecht, aber es sind zu viele.
sg: Wie sind Deine Erfahrungen hier? Was denkst Du über Deutschland?
NC: Mir gefällt es sehr gut hier in Bonn oder Köln. Die Uni, na ja, diese Struktur ist ein bisschen kompliziert. Am Anfang habe ich gar keinen Durchblick gehabt, aber die deutschen Studenten auch nicht. Im ersten Semester habe ich dadurch viel Zeit verloren. Ohne Kontakt zu anderen ist es schwierig und viele bleiben bei denen, die sie schon kennen.
sg: Hast Du leicht Kontakt bekommen?
NC: Nein, ich finde nicht. Ich denke nicht, dass die Leute hier unfreundlich sind, aber Du kommst irgendwo rein, bist anders, und alle kennen sich schon. Nicht nur als Ausländer, Du gehörst nicht zur Gruppe – und es dauert dann lange, bis man Anschluss findet. Ich glaube, die Leute wollen hier nicht so gerne neue Leute kennen lernen. Vielleicht sage ich es so: Sie sind nicht unbedingt sehr freundlich! Oder sie sind freundlich, aber nicht offen. Auch wenn man zusammen arbeitet ist es nicht mehr als das. Soziale Kontakte waren sehr wenig am Anfang. Wenn das Seminar zu Ende ist, dann gehen einige in eine Kneipe, aber man wird nicht eingeladen. Die gehen einfach! Aber das ändert sich später. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass Leute zusammen bleiben, nur weil sie sich kennen. Etwas komisch, oder?
sg: Ja. Würdest Du sagen, dass ist ein kultureller Unterschied?
NC: Auf jeden Fall! (lacht) … zu Hause in Trinidad ist es viel viel offener. Die Leute gehen auf einen zu, sie sprechen jeden an, es ist völlig anders. Es ist extrem anders. Hier hat es mich auch überrascht, wie zurückhaltend Menschen überhaupt sein können. Aber in England finde ich die Leute noch zurückhaltender als hier!
sg: Obwohl Englisch Deine Muttersprache ist?
NC: Ja, mit der Sprache hat es nichts zu tun. Also ich habe es hier sogar schon einmal erlebt, dass ich auf der Straße angesprochen wurde, einfach so. Aber in England gibt es das nicht! Die Leute sind zwar freundlich in England, sie machen Smalltalk, aber das kann eigentlich nicht zu einem richtigen Gespräch werden. In England gibt es ganz viel Smalltalk, mehr als in Deutschland, aber eben nicht mehr. Hier wird weniger geredet, aber wenn, dann schon etwas tiefer und ernsthafter.
sg: Du bist hier im Rheinland, die Leute reden doch immer!
NC: Oh, das habe ich gehört. Ist das nicht überall so?
sg: Es gibt auch Hamburg. Dort ist es wie in England, aber ohne Smalltalk.
NC: Wirklich?
sg: Na ja, für Leute südlich von Münster schon. In Köln kann man hingegen kaum alleine bleiben, man wird leider immer angesprochen. Du nicht?
NC: Ja, doch, das stimmt. Für Deutschland wahrscheinlich etwas besonderes, aber für mich ist das immer noch zurückhaltend. Ich habe nur zum Beispiel gehört von Leipzig …
sg: Was denn?
NC: Ja, es sei wirklich schrecklich. Studenten mit anderer Hautfarbe trauen sich dort abends nicht alleine auf die Straße, man muss dort Angst haben. Also mir haben das Freunde erzählt, die dort waren. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht. Aber Deutsche werden das natürlich weniger wahrnehmen, sie sind ja weiß. Mich zieht es nicht nach Ostdeutschland.
sg: Kennst Du noch andere Länder?
NC: Ja, USA, Florida. Aber dort sind so viele Ausländer aus der Karibik, dass es ist wie zu Hause. Es gefällt mir sehr gut, es ist karibisch. Viele Kubaner zum Beispiel.
sg: Wie gefällt Dir Dein Studium?
NC: Es ist sehr sehr gut. Wir sind nicht viele Studenten, es gibt sehr viel, wie ist das Wort, – attention?
sg: Aufmerksamkeit?
NC: Ja, Aufmerksamkeit. Wenn etwas nicht stimmt, dann werde ich beraten, immer. Unser Seminar ist wie eine Familie, es gefällt mir sehr. In Geographie war es anders, ein paar Tausend Studenten, so fühlte es sich an. Die Professoren kennen einen nicht, die Studierenden haben kaum Kontakt zu ihnen. Bei uns in Meteorologie hat keiner ein Problem, wenn etwas nicht stimmt – man sagt es und es wird gelöst.
sg: Wie stellst Du Dir Deinen weiteren Weg vor?
NC: Stelle ich mir nie! (lacht) Also, wenn ich fertig bin, dann möchte ich auf jeden Fall einen Job finden. Ich weiß nicht, wie einfach das in Deutschland ist. Aber ich werde auch nicht einfach weggehen, mein Freund lebt hier.
sg: Warum glaubst Du, dass es hier schwer ist einen Job zu bekommen?
NC: Ich weiß nicht viel von Politik. Aber viele haben keinen Job. Als Ausländerin bekommst Du nur einen Job, wenn bewiesen werden kann, dass niemand aus Europa diesen Job machen kann. Ich habe deshalb schon Jobs nicht bekommen. Ich muss zum Arbeitsamt, wenn ich arbeiten möchte, die prüfen das nach – der Arbeitgeber muss begründen, warum kein Europäer eingestellt werden kann. Und das ist schwierig. Ich arbeite als Englischlehrerin in der Weiterbildung, der Arbeitgeber ist aber amerikanisch und stellt nur Muttersprachler ein. Dann ist auch die Stundenzahl begrenzt, ich muss immer aufpassen. Viele Regeln. Ich darf allerdings in der Uni-Bibliothek arbeiten, das ist einfacher. Aber ich habe auch eine Frage? Also die, wie heißt es, Geisteswissenschaft?...
sg: Ja?
NC: Also ich habe gehört, dass man da gar nichts machen muss. Stimmt das? Also bekommt man dort nicht jede Woche Aufgaben, die man lösen muss, und wenn man nicht 50% hat, dann kommt man nicht weiter? Kann man dort wirklich weiterstudieren, wenn man nichts tut?
sg: Es gibt dort nicht jede Woche Hausaufgaben, die Vor- und Nachbereitungen werden nicht kontrolliert. Theoretisch kann man tatsächlich das ganze Semester schlafen – und solche Leute gibt es auch. Aber die Klausuren am Ende sind nicht einfach.
NC: Ja? Also stimmt es? Dass so etwas möglich ist! Also in Mathe muss ich jede Woche etwas abgeben und ich komme nur weiter, wenn das okay ist. Und die Faulen können so ein Studium wirklich beenden?
sg: Na ja, die Prüfungen und Klausuren müssen bestanden werden, die Magister- oder Diplomarbeiten sind oft sehr umfangreich.
NC: Aber wenn sie nicht gut sind, finden sie keinen Job, oder? Ich habe das gehört, wie heißt es, Kunst, Kunstgeschichte? Wer nur macht, was einen interessiert, der hat doch gar keine Vorstellung von seinem ganzen Fach. Die finden keinen Job deshalb, und das finde ich ziemlich heftig.
sg: Es gibt viele Fächer, für die gibt es keinen vordefinierten Arbeitsmarkt, außer in der Wissenschaft. Insgesamt sind Geisteswissenschaftler aber recht erfolgreich, man trifft sie heute in vielen Branchen.
NC: Na ja, wer nur theoretische Physik macht oder Mathe hat ein ähnliches Problem. Für mich wäre soviel Freiheit im geisteswissenschaftlichen Studium aber nichts…
Links zum Thema
- Fotos und Infos zu Trinidad
- Government of Trinidad
Zur Person
Dr. Frank Berzbach ist Redakteur von sciencegarden.
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Themen: Studieren in Deutschland