Roberta – Technik, die auch Mädchen begeistert
Roberta kann tanzen, um Ecken fahren, Spuren verfolgen und auf hell und dunkel reagieren. Die Roboterfrau aus Legosteinen wird im Rahmen des Projekts Roberta – Mädchen erobern Roboter von Schülerinnen zusammengebaut und programmiert. Die Roberta-Workshops, seit 2002 vom Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) für Kinder ab zehn Jahren angeboten, sollen in erster Linie Mädchen ansprechen. Gefördert wird das Projekt mit 1,2 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Dr. Eveline von Gäßler ist dort zuständig für Roberta und legt großen Wert darauf, dass die Lehr- und Lernmaterialien sich didaktisch an der Lebensumwelt von Mädchen orientieren: „Es werden keine Fußballroboter gebaut, sondern Bewegungen aus der Natur simuliert.“
‚Lego Mindstorms‘
Den Kern des ‚Mindstorms‘-Systems bildet der Robotics Command Explorer (RCX) – ein überdimensionaler LEGO-Stein. An ihm befinden sich drei Ein- und Ausgänge für Licht- und Berührungssensoren und zwei Hochleistungsmotoren, sowie sechs Batterien. Neben der grafischen Programmierung ohne Vorkenntnisse ist auch eine Programmierung mit C oder C++ möglich. Die Übertragung funktioniert per Infrarot oder USB.
Das Roberta-Projekt ist ein Ausbildungskonzept, durch das Mädchen „einen Draht zur Technik“ bekommen sollen. Die einzelnen Kurse werden von Schulen, Freizeitzentren, Hochschulen oder dem AIS selbst angeboten.
Für Roberta-Workshops gibt es verschiedene Konzepte, die das Thema beispielsweise in wenigen Stunden oder im Rahmen einer ganzen Projektwoche behandeln. Der Aufbau der Kurse ist dabei immer gleich: Nach einer Einführung in das Thema bauen die Mädchen ihre Roboter mit Hilfe des ‚Mindstorms‘-Systems von Lego. Anschließend werden die entstandenen Robertas am Computer programmiert. Zum Abschluss dürfen die Teilnehmer die Kunststücke ihrer Roboter vorführen. Das Ziel der Kurse liegt auf der Hand: Die Mädchen sollen ein Interesse für die Männer-Domänen Naturwissenschaft, Technik und Informatik entwickeln.
Die Aufgaben, die die Mädchen ‚ihrer‘ Roberta einprogrammieren können, werden in ‚einfach‘ und ‚komplex‘ unterteilt. Am Ende eines Workshops bewältigen manche der entstandenen Roboter Aufgaben wie die besonders beliebte ‚Ameisenstraße‘. Dabei simulieren sie das Verhalten von Ameisen in der Natur. Zuerst müssen die Roboter etwas suchen, anschließend wird der Fundort an die anderen Roboter gefunkt. Diese folgen dann der Spur, bis sie ebenfalls am Ziel angekommen sind.
Die Aufgabe, einen Roboter zu programmieren, klingt kompliziert. Sind die größtenteils technikunerfahrenen Mädchen damit nicht überfordert? Kursleiterin Sarah Brzoska hat in ihren Workshops andere Erfahrungen gemacht: „Die Meisten gehen sehr offen an die Sache heran, haben wenig Angst vor Fehlern und probieren gerne etwas aus. Bei Problemen denken sie einfach um und versuchen etwas Neues.“
Einmal sei aus einem von ihr geleiteten Kurs sogar eine von den Schülerinnen initiierte Arbeitsgemeinschaft entstanden, erzählt die 22-jährige Studentin der Medizin- und sportmedizinischen Technik begeistert. „Die Schülerinnen fanden das Programmieren einfacher als gedacht und wollten sich weiter damit beschäftigen.“

Brzoska selbst hat die Arbeitsschritte, die für den Bau einer Roberta benötigt werden, in einem zweitägigen Seminar erlernt. „Mein vorheriges Wissen war nur spärlich und lückenhaft. Ein übergreifendes Wissen habe ich erst in dem Seminar bekommen“, erinnert sie sich. Diese Mühen haben sich für Brzoska jedes Mal gelohnt, wenn sie das Interesse der Teilnehmer wecken konnte und diese nach einem weiterführenden Kurs fragen.
Aufgrund der guten Rückmeldungen gibt es mittlerweile elf regionale Roberta-Zentren in Deutschland, unter anderem in Bremen, Berlin, Magdeburg, Koblenz und am Standort des AIS in Sankt Augustin. In den nächsten Jahren sollen vor allem im Rhein-Main-Gebiet und im europäischen Ausland weitere Zentren entstehen. Im Gespräch sind derzeit Österreich, Italien, Großbritannien, Schweden, Frankreich und Spanien.
Projektleiterin Ulrike Petersen vom AIS und Eveline von Gäßler vom BMBF sind zufrieden mit der Entwicklung des Projekts: „Es hat seinen Sinn mit den besten Ergebnissen erfüllt und wir gehen davon aus, dass dies auch in der Zukunft so bleibt“, fasst von Gäßler die vergangenen vier Projektjahre zusammen.
Auch bei der Zielgruppe scheint das Konzept gut anzukommen. Die 19-jährige Lina Theidig hat vor drei Jahren an einem Roberta-Kurs teilgenommen und erinnert sich: „Mir hat es viel Spaß gemacht und die erste Programmiererfahrung hat mir auch später in der Schule sehr geholfen.“ Heute steht Lina vor der Berufswahl und ist sich sicher, dass sie nach dem Abitur Pharmazie oder Chemie studieren will. „Das hat zwar nichts mit Robotik zu tun, ist aber auch eine Naturwissenschaft.“
Damit ist Lina auf einem Weg, den in Deutschland nicht viele Frauen einschlagen. Im Wintersemester 2005/2006 waren nur 17 Prozent aller Studienanfänger in den Fächern Informatik und Maschinenbau weiblich, im Fach Elektrotechnik waren es sogar nur neun Prozent. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) rechnet mit jährlich etwa 20.000 fehlenden Ingenieuren und will deshalb vor allem Abiturientinnen für ein naturwissenschaftliches Studium begeistern.
Angesichts dieser Zahl sind die 3000 Kinder und Jugendlichen, die in den vergangenen vier Jahren an einem Roberta-Kurs teilgenommen haben, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zwar waren über 90 Prozent der Teilnehmer von dem Workshop sehr begeistert und 88 Prozent würden den Kurs jederzeit weiterempfehlen – dennoch dauert es noch einige Zeit, bis die ‚Roberta-Generation‘ vor der Studienwahl steht.
Lina Theidig hat sich nach ihrer Teilnahme am Workshop vor drei Jahren zur Kursleiterin ausbilden lassen. Mittlerweile hat sie etwa zehn Kurse geleitet und bisher nur positive Resonanz bekommen. Das Projekt findet sie sehr sinnvoll, nur eine Sache wünscht sie sich für die Zukunft: „Es wäre schön, wenn die Jungs nicht mehr denken, Mädchen hätten keine Ahnung von Technik.“
Links zum Thema
- Homepage des AIS zum Roberta-Projekt
- Homepage des Fraunhofer Institut für AIS
- Homepage des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)
Zur Person
Anja Guhlan, Tanja Morschhäuser und Christina Kunkel studieren im vierten Semester Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt.
Kategorien
Themen: Robotik