Nach der Dissertation den Doktorhut aufsetzen!

„Erfolgreich promovieren“Ein neuer Ratgeber von Promovierten für Promovierende begleitet seine Leser von der Entscheidung zur Promotion über die Krisenbewältigung bis hin zur Dissertationsabgabe. Außerdem beinhaltet er auch eine Bastelanleitung für den Doktorhut. Ein Erfahrungsbericht von Sandra Birzer.

„Soll ich oder soll ich nicht?“ Glücklicherweise hatte ich bereits während des Studiums eine Antwort auf diese Frage und eine halbe Doktorandenstelle gefunden. Doch nicht wenige hadern ob der finanziellen Unwägbarkeiten oder der Aufwand-Nutzen-Korrelation lange mit der Promotionsfrage. Wer könnte besser Antwort geben als diejenigen, die den Doktortitel bereits tragen? „Erfolgreich promovieren“ heißt ein Ratgeber, der von Mitgliedern des interdisziplänren Doktorandennetzwerks THESIS herausgegeben wird und den Unentschlossenen bereits im ersten Kapitel drei Checklisten zur Hand gibt, mit denen sie neben Promotionsbereitschaft und Motivation auch persönliche Vor- und Nachteile prüfen können, die das Doktorwerden mit sich bringen.

THESIS
ist ein Netzwerk für Doktoranden und bereits Promovierte, das als gemeinnütziger Verein organisiert ist. In der Februarausgabe 2005 von sciencegarden wurde Thesis bereits ausführlich vorgestellt.

Wer sich für das Verfassen einer Dissertation entschieden hat, kann im Kapitel „Rahmenbedingungen“ nachlesen, welche Taktiken zur Gesprächsführung mit dem (potentiellen) Betreuer es für die einzelnen Dissertationsetappen – und auch in Krisensituationen! – gibt und welche Punkte es vor Promotionsbeginn zu klären gilt. Obwohl mein Doktorvater bereits meine Magisterarbeit hervorragend betreut hatte, hätte ich gerne zu Motivationszwecken eine Promotionsvereinbarung über die Rechte und Pflichten von Betreuer und Betreutem aufgesetzt, wenn ich nicht erst nach Promotionsbeginn in „Erfolgreich promovieren“ davon gelesen hätte.

Wichtig und informativ sind auch die Unterkapitel zu Finanzierung, Steuerfragen und Krankenversicherung. Ich kann mich noch gut an das verdutzte Gesicht der Verwaltungsdame erinnern, als ich wissen wollte, ob ich als Doktorand mit Halbtagsstelle, zudem noch in ein MA-Aufbaustudium eingeschrieben, in der studentischen Krankenversicherung bleiben könne. „Erfolgreich promovieren“ gibt hierauf Antwort und hat zudem – wie für alle anderen Abschnitte auch – Tipps zum Weiterlesen parat.

Das Verfassen der Dissertation wird in zwei Kapiteln dargestellt. Das eine klärt über eher technische Aspekte wie Zeitmanagement, Literaturverwaltung, die Auswahl der passenden Textverarbeitung und Datensicherung auf, das andere beschäftigt sich mit der kreativen Seite des Schreibprozesses wie mit deren Hemmung. Seitdem ich diese Kapitel gelesen habe, versuche ich zumindest einmal alle 14 Tage daran zu denken, meine Dissertation zur Sicherheit auf den USB-Stick zu kopieren und wundere mich darüber, dass ich eine Erinnerung daran nicht einfach auch in meinen Planer eintrage, den ich zur Verbesserung des Zeitmanagements angeschafft habe.

Citavi
ist ein PC-Programm zur Literaturverwaltung. Es hilft dem Benutzer u.a. die bibliographischen Daten seines Lektürestoffs einheitlich zu erfassen und den einzelnen Titeln Zitate oder Kommentare hinzuzufügen.
Citavi ist Freeware.

Auch meine Literaturverwaltung wollte ich nach der Lektüre des entsprechenden Abschnitts verbessern; als Slavist musste ich hier jedoch eine Kröte schlucken: Ich hatte mich für die FreeWare Citavi entschieden, jedoch war die damals erhältliche Version noch nicht Unicode-kompatibel, so dass die Arbeit mit einem kyrillischen Zeichensatz nur eingeschränkt und mit noch exotischeren Zeichensätzen überhaupt nicht möglich ist. Ein Ratgeber, der den Anspruch erhebt, sich „an Promovierende aller Disziplinen“ zu richten, sollte aber auch mit Informationen aufwarten, die über die Probleme mit den Standardfremdsprachen Englisch, Französisch und Spanisch hinausgehen.
Statt einer weiteren Beschreibung von MS Word, mit dem sich beinahe jede(r) bereits beim Verfassen einer Facharbeit herumgeschlagen hat, hätten mir ein ein paar Worte zu Open Source-Software wie Open Office gefallen.

Einen echten Rettungsanker bei Tiefs aller Art bietet allerdings das Kapitel „Krisenbewältigung“. Hier erfährt man nicht nur, wie man mit Stress, Ängsten und Mobbing umgeht. Auch vor der Exzerpiersucht – einer ernsthaften Krankheit aus dem gleichen Formenkreis wie Telefonitis – und ihren Übertragungswegen wird gewarnt. Außerdem bekommt man sinnvolle Tipps zur ergonomischen Ausstattung und richtigen Ernährung am Schreib- bzw. Arbeitsplatz. Auf besondere Situationen während der Promotion – Schwangerschaft, Doktorarbeit im Pensionsalter oder das Handicap einer Behinderung – wird ebenfalls in einem gesonderten Kapitel eingegangen.

Selbst die schlimmste aller Krisen bleibt nicht ausgespart: der Abbruch der Dissertation. Wer daran zweifelt, ob er seine Doktorarbeit fortführen soll, findet hier einfühlsame Hilfestellung, sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei der Lebensgestaltung nach dem Dissertationsabbruch. Angesichts der vielen Erfahrungsberichte erfolgreich Promovierter, die in diesem Band ebenfalls enthalten sind, hätte man an dieser Stelle aber ruhig auch ein paar Berichte von Promotionsabbrechern einfügen können. Zu erfahren, dass andere vor den gleichen Problemen standen und wie sie diese Situationen gemeistert haben, hätte ich hilfreicher gefunden als rein theoretische Ratschläge.

Wie jeder Doktorand weiß, ist die Fertigstellung der Dissertation nur die halbe Miete. Danach muss noch (mindestens) eine mündliche Prüfung abgelegt und das Opus veröffentlicht werden. „Erfolgreich promovieren“ schildert in Kürze das Procedere bei den einzelnen Prüfungsarten und welche Publikationsform zu welchem Doktorandentyp passt. Auch wenn es mir die Ratgeber-Info zur Disputation nicht erspart, mich vor Abgabe doch noch einmal in die Promotionsordnung meiner Heimatuni zu vertiefen, kann ich bei Ganggesprächen unter Doktoranden nun immerhin ein informiert klingendes „Soweit ich weiß…“ einstreuen.

Abgerundet wird der Ratgeber durch eine umfangreiche Sammlung von Erfahrungsberichten. Als Slavist finde ich es schade, dass im Bereich Sprach- und Kulturwissenschaften nur die zahlenstarken Philologien Germanistik, Anglistik/Amerikanistik, Romanistik und Altphilologie vertreten sind. Für deren Absolventen existieren eher ausgetretene Pfade als für die Absolventen kleiner Fächer wie der Indoiranistik, Finno-Ugristik oder eben meiner Slavistik. Und auch die jungen, hippen Disziplinen wie die Medienwissenschaft hätten etwas Aufmerksamkeit verdient. Immerhin kommen auch FH-Absolventen mit erfülltem Promotionswunsch zu Wort.

Angenehm ist auch die gute Lesbarkeit der fachspezifischen Texte – lediglich ein Bericht zur Humanmedizin ist mit Termini überfrachtet – sowie der einheitliche Stil. Bei einem Autorenkollektiv von mehr als 80 Personen hat das Herausgeberteam hier Hervorragendes geleistet. Sogar der Humor ging nicht verloren: Beim Öffnen der nächsten Tüte Backin werde ich mich grinsend an den Erfahrungsbericht von Dr. Jasper Ambrosius Böttker aus Backfeld erinnern. Lediglich die Bastelanleitung für den Doktorhut ließ mich trotz mannigfaltiger Illustrationen ratlos zurück – aber ich habe ja noch eineinhalb Jahre Zeit zum Üben.

„Erolgreich promovieren“ ist im Springer-Verlag erschienen, etwa 330 Seiten lang und kostet 22,95 Euro.

Beitrag von Sandra Birzer.

Zur Person

Sandra Birzer ist Redakteurin dieses Magazins.

Literatur

  • Stock/Schneider/Peper/Molitor (Hrsg.) 2006: Erfolgreich promovieren. Ein Ratgeber von Promovierten für Promovierende. Berlin/Heidelberg.

Kategorien

Themen: Promotion
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